Chronologie eines Aufstands: Frau – Leben – Freiheit – Teil 2
Zum zweiten Jahrestag der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste veröffentlicht Iran Journal eine umfassende Chronologie dieses historischen Aufstands. Diese Zusammenstellung beleuchtet die wichtigsten Ereignisse einer beispiellosen Protestwelle, die die Geschichte der Islamischen Republik und des Iran geprägt hat. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, versteht sich jedoch als wichtiger Beitrag zur Dokumentation dieses Kampfes – erstmals auf Deutsch.
Teil 1 – 2022
Teil 2 – 2023
Januar 2023
1. Januar 2023: Der Polizeikommandant von Teheran bestätigt offiziell, dass zur Festnahme von Demonstrierenden in der Hauptstadt Drohnen eingesetzt wurden. Ein Vertreter des Ministeriums für Islamische Kultur und Führung räumt ein, dass Künstler*innen das internationale Fajr-Filmfestival boykottieren. Die der Revolutionsgarde unterstehende Nachrichtenagentur Fars berichtet, dass SMS-Nachrichten zur „Warnung vor Frauen, die gegen Hijab-Regeln verstoßen“ an Fahrzeugbesitzer*innen verschickt werden.
3. Januar 2023: Die Zeitung „Shargh“ berichtet, dass 50 Studierenden der Universität Urmia der Zutritt zur Universität untersagt wurde. Das Oberste Gericht des Iran hebt das Todesurteil gegen Hamid Qarahasanlou und zwei weitere Angeklagte im Fall des Todes eines Basij-Mitglieds in Karaj auf.
4. Januar 2023: Im vierten Monat der Proteste sagt der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Khamenei, bei einem Treffen mit einigen regierungstreuen Frauen, dass der Westen in Bezug auf Frauen „Verbrechen begangen“ habe. Das iranische Außenministerium bestellt den französischen Botschafter in Teheran ein, nachdem das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ Karikaturen von Khamenei veröffentlicht hat.
5. Januar 2023: Die Nachrichtenplattform „Faraz“ berichtet, dass seit Beginn der Proteste mindestens 73 Journalistinnen und Fotojournalistinnen festgenommen worden seien. Der Minister für Wissenschaft, Forschung und Technologie behauptet, dass bei den Protesten „kein Tropfen Blut“ von Studierenden vergossen worden sei. Eine Menschenrechtsorganisation erklärt, dass seit Beginn der Proteste mindestens 16 Inhaftierte aufgrund von Folter oder mangelnder medizinischer Versorgung in Gefängnissen gestorben seien. Der Vizepräsident der iranischen Justiz fordert den Generalstaatsanwalt auf, Berichte über „sexuelle Übergriffe“ auf einige Inhaftierte sorgfältig zu untersuchen.
6. Januar 2023: Dutzende Hollywoodstars und Filmschaffende, darunter Cate Blanchett, Jason Momoa und Samuel L. Jackson, fordern in einer Videobotschaft ein Ende der Hinrichtungen inhaftierter Demonstrant:innen im Iran.
7. Januar 2023: Das Justizministerium gibt bekannt, dass Mohammad Mehdi Karami und Mohammad Hosseini, zwei inhaftierte Demonstranten, die während der 40-Tage-Gedenkveranstaltung für Hadis Najafi festgenommen worden waren, hingerichtet wurden. Die Hinrichtungen stoßen auf massive Proteste in mehreren Städten sowie scharfe Kritik der Außenministerien der USA, Deutschlands, Kanadas und Frankreichs. Khamenei ernennt Ahmadreza Radan zum neuen Kommandeur der iranischen Polizei.
8. Januar 2023: Verschiedene Stadtteile Teherans und zahlreiche Städte im Iran sind am Jahrestag des Abschusses eines ukrainischen Passagierflugzeugs durch die iranischen Revolutionsgarde Schauplatz von Protesten.
9. Januar 2023: Die Justiz des Iran kündigt Todesurteile gegen weitere drei inhaftierte Demonstrierende in Isfahan an. Papst Franziskus verurteilt die Islamische Republik wegen der Verhängung der Todesstrafe gegen Demonstrierende. Nach der Hinrichtung von Mohammad Mehdi Karami und Mohammad Hosseini nimmt Kanada drei weitere Institutionen und zwei Beamte der Islamischen Republik wegen „Menschenrechtsverletzungen“ auf seine Sanktionsliste auf.
10. Januar 2023: Der stellvertretende Generalstaatsanwalt des Iran erklärte, dass die Nichtbeachtung des obligatorischen Hijabs ein „offensichtliches Verbrechen“ sei und kündigt eine Anweisung für ein „entschlossenes Vorgehen“ gegen dieses Vergehen an. Javad Rouhi, ein Demonstrant aus Nowshahr, wird zum Tode verurteilt. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte bezeichnet die Todesurteile im Iran gegen Demonstrierende als „staatlich sanktionierte Morde“.
11. Januar 2023: Die Regierung von Ebrahim Raisi erhöht in ihrem Haushaltsentwurf für das kommende Jahr die Mittel für die Sicherheits- und Propagandaeinrichtungen der Islamischen Republik erheblich.
16. Januar 2023: Die Menschenrechtsorganisation Hrana gibt bekannt, dass die Zahl der Toten bei den viermonatigen Protesten im Iran auf 524 Personen, darunter 71 Kinder, angestiegen sei. 12.000 Iraner*innen fordern bei einer Demonstration im französischen Straßburg die Europäische Union auf, die Revolutionsgarde als terroristische Organisation einzustufen. Der Eiffelturm in Paris wird mit der Aufschrift „Stoppt die Hinrichtungen im Iran“ und der französischen Version des Slogans „Frau, Leben, Freiheit“ beleuchtet.
17. Januar 2023: Die iranische Gefängnisbehörde reicht Klage gegen mehrere politische Gefangene wegen des Brandes im Evin-Gefängnis im Oktober ein. Die Präsidentin der Europäischen Kommission unterstützt die Aufnahme der Revolutionsgarde in die Terrorliste der EU.
18. Januar 2023: Der Sprecher der Justiz behauptet, dass insgesamt 5.200 Demonstrierende und rund 98% der in der Provinz Teheran inhaftierten Personen freigelassen worden seien. Das Europäische Parlament stimmt für einen Zusatz zu einem Entwurf, der die Aufnahme der Revolutionsgarde in die Liste der Terrororganisationen der EU fordert.
19. Januar 2023: Radio Liberty bestätigt die Identität von 345 der getöteten Demonstrierenden, darunter 52 Kinder und 21 Frauen. Mohammad Saleh Nikbakht, der Anwalt der Familie von Jina Mahsa Amini, erklärt, dass „keine Maßnahmen“ seitens der verantwortlichen Behörden im Zusammenhang mit der Aufklärung ihres Tods ergriffen worden seien. Die Berlinale gibt bekannt, dass Vertreter*innen des staatlichen Kinos der Islamischen Republik nicht an der bevorstehenden Ausgabe des renommierten Filmfestivals teilnehmen dürfen. Das Europäische Parlament verabschiedet eine Resolution, in der es die Notwendigkeit betont, die Revolutionsgarde auf die Liste der terroristischen Organisationen der EU zu setzen.
21. Januar 2023: In der mehrheitlich von Angehörigen der Belutschi-Minderheit bewohnten Stadt Zahedan in der Provinz Belutschistan findet nach den Freitagsgebeten eine Welle von Verhaftungen von Demonstrierenden statt.
22. Januar 2023: Der Sprecher des iranischen Parlaments droht als Reaktion auf die Abstimmung des Europäischen Parlaments über die Einstufung der Revolutionsgarde als Terrororganisation damit, die europäischen Militärstreitkräfte in der Region als „terroristische Organisationen“ zu deklarieren.
23. Januar 2023: Das US-Finanzministerium nimmt zehn hochrangige Beamte der Islamischen Republik sowie Stiftungen, die der Revolutionsgarde nahestehen, aufgrund der Unterdrückung der Proteste im Iran auf seine Sanktionsliste auf. Die Urteilsberufung von Mohammad Ghobadlou, einem zum Tode verurteilten Demonstranten, wird vom Obersten Gerichtshof angenommen und zur Überprüfung an ein Berufungsgericht verwiesen.
25. Januar 2023: Das US-Repräsentantenhaus verabschiedet einstimmig eine Resolution zur Verurteilung der Niederschlagung der Proteste und zur Unterstützung der Demonstrierenden im Iran. Die Internationale Journalisten-Föderation protestiert gegen die massenhafte Festnahme von Journalist*innen im Iran und fordert die Freilassung von 33 inhaftierten Journalist*innen. Die australische Außenministerin berichtete über „persönliche und digitale Belästigung“ australischer Bürger*innen durch die Islamische Republik.
27. Januar 2023: Die Menschenrechtsorganisation Halwash berichtet von Schüssen und dem Einsatz von Tränengas gegen Teilnehmer*innen der Freitagsproteste in Zahedan. Der stellvertretende Präsident der Islamischen Republik beschreibt die jüngsten Proteste als eine „ernsthafte sicherheitspolitische Herausforderung“ für den Staat.
28. Januar 2023: Der Sprecher der iranischen Polizei erklärt, dass die Polizei die Versendung von SMS-Nachrichten zur „Ermahnung wegen des Verstoßes gegen den obligatorischen Hijab“ an Fahrzeughalter*innen wieder aufgenommen habe. Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses und der Sonderbeauftragte der USA für Iran warnen die Islamische Republik angesichts der Anklage gegen die mutmaßlichen Täter des vereitelten Mordversuches an Masih Alinejad vor Bedrohungen gegen US-Bürger*innen.
31. Januar 2023: Der Sprecher des Justizausschusses des iranischen Parlaments gibt bekannt, dass eine Gesetzesvorlage verabschiedet wurde, die es Frauen verbietet, ohne die Zustimmung ihres „Vormunds“ das Land zu verlassen.
Februar 2023
1- Februar 2023: Hunderte internationale Persönlichkeiten, darunter mehrere Nobelpreisträger*innen und bekannte Schauspieler*innen, fordern in einem gemeinsamen Aufruf eine „unerschütterliche Unterstützung“ der iranischen Demonstrierenden gegen das islamische Regime. Eine Gruppe reformorientierter Aktivist*innen und Medienpersönlichkeiten im In- und Ausland verurteilt die Entscheidung des EU-Parlaments, die Revolutionsgarde als terroristisch einzustufen.
2. Februar 2023: Bürger*innen in mehreren Städten Irans, darunter Teheran, Bandar Abbas, Isfahan, Rasht und Mashhad, protestieren in der Nacht, skandieren regimekritische Parolen und zerstören Werbebanner, die zum Jahrestag des Sieges der Islamischen Revolution in Städten hängen. Menschenrechtsorganisationen berichten von der Verhaftung von mindestens 182 Kurd*innen und 185 Belutsch*innen im Laufe eines Monats.
3. Februar 2023: Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights berichtet, dass Sicherheitskräfte „systematisch und gezielt“ auf Gesichter und Augen von Demonstrierenden schießen würden.
5. Februar 2023: Der frühere iranische Präsident Mohammad Khatami erklärt, dass ein Sturz der Islamischen Republik „unmöglich“ sei und fordert eine Rückkehr zur Verfassung.
6. Februar 2023: Der Grammy Award für den „Besten Song für sozialen Wandel“ bei der 65. Grammy-Verleihung wird an die Single „Baraye“ von Shervin Hajipour verliehen. Die Zeitung Guardian veröffentlicht einen Bericht über Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gegen mehrere männliche und weibliche Demonstrierende während der Unterdrückung der Proteste.
8. Februar 2023: Der Oberste Führer Khamenei bezeichnet die Proteste erneut als „Feindestaktik“. Mitglieder des deutschen Bundestages aus verschiedenen politischen Parteien versammeln sich vor der iranischen Botschaft in Berlin, um gegen die Niederschlagung der Demonstrant*innen zu protestieren.
9. Februar 2023: Die Website „Open Data Iran“ schätzt die wirtschaftlichen Schäden durch Abschaltung und Störungen des Internets während der ersten vier Monate der landesweiten Proteste auf „zehntausende Milliarden Toman“.
10. Februar 2023: In verschiedenen Stadtteile Teherans und Städten wie Isfahan, Mashhad, Karaj, Kermanshah, Gorgan, Sanandaj und Bandar Abbas sind in der Nacht vor dem Jahrestag der Revolution von 1979 regimekritische Slogans zu hören. Acht prominente Gegner*innen des iranischen Regimes betonen bei einer Veranstaltung an der Georgetown University in Washington die Notwendigkeit der Einigkeit unter allen Oppositionellen, um die Vielfalt der Kräfte zu akzeptieren und das Regime zu überwinden.
11. Februar 2023: Die Zeitung „Welt am Sonntag“ berichtet, dass die Spionagetätigkeit iranischer Geheimdienstagenten gegen Iraner*innen in Deutschland seit Beginn der Proteste erheblich zugenommen habe. Nach der Verkündung eines sogenannten Amnestie-Erlasses in Iran werden einige Demonstrierende und politische Gefangene freigelassen.
13. Februar 2023: Die Gruppe Surfshark, die die Internetfreiheit beobachtet, berichtet, dass Iran, Indien und Russland im Jahr 2022 die „einschneidendsten“ Internetzensuren verhängt hätten. Hossein Taeb, Berater des Oberbefehlshabers der Revolutionsgarde, erklärt: „Das Internet liegt in den Händen des Feindes, deshalb müssen wir es einschränken.“ Der stellvertretende Justizminister behauptet, dass kein*e Universitätsprofessor*in aus politischen Gründen entlassen worden sei.
14. Februar 2023: Mehrere Familien, die seit der Machtübernahme der Islamischen Republik aufgrund von politischer Verfolgung Angehörige verloren haben, gründen den „Revolutionären Rat der Opfer“.
15. Februar 2023: 20 unabhängige iranische Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen veröffentlichen eine Liste ihrer „Mindestforderungen“. Vertreter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) fordert die Freilassung der inhaftierten Umweltaktivistin Niloufar Bayani und aller anderen inhaftierten Umweltschützer*innen im Iran.
16. Februar 2023: In Städten wie Isfahan, Sanandadsch, Shiraz, Yazd, Zarrin Shahr, Arak und Teilen Teherans protestieren in der Nacht viele mit Slogans wie „Tod dem Diktator“ zum 40. Gedenktag von Mohammad Mehdi Karami und Mohammad Hosseini. Die Organisation Canadian Journalists for Free Expression (CJFE) verleiht ihren 40. Preis an die beiden inhaftierten iranischen Journalistinnen Niloufar Hamedi und Elaheh Mohammadi.
17. Februar 2023: Die Teheraner Staatsanwaltschaft warnt vor der Verbreitung von Bildern von Protesten in der Hauptstadt und erklärt, dass die Verfahren im Zusammenhang mit dem „Amnestie“-Erlass des Obersten Führers abgeschlossen seien und niemand mehr von „rechtlichen Zugeständnissen“ profitieren werde. Die Münchner Sicherheitskonferenz beginnt ohne Vertreter des iranischen Regimes, stattdessen sind prominente Regimegegner*innen anwesend.
18. Februar 2023: Indische Medien berichten, dass der iranische Außenminister seine Teilnahme an einer Konferenz in Neu-Delhi abgesagt habe, da in einem Werbevideo der Veranstaltung zwei Sekunden lang zu sehen war, wie iranische Frauen sich die Haare abschnitten. Studentenräte im Iran berichten von einer Zunahme der Disziplinarmaßnahmen, einschließlich Entlassungen und Suspendierungen, um den Druck auf Studierende zu erhöhen, sowie von einer Welle von Vorladungen zum Geheimdienst.
19. Februar 2023: Abbas Araghchi, Sekretär des Strategischen Rates für Außenbeziehungen, warnt: „Wir dürfen nicht zulassen, dass ständig Demonstrationen gegen uns abgehalten und Botschaften gegen uns verbreitet werden.“
20. Februar 2023: Tausende Iraner*innen versammeln sich vor dem Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel, Belgien, und fordern die Außenminister*innen der EU auf, die Revolutionsgarde auf die Terrorliste zu setzen. Großbritannien verhängt Sanktionen gegen Mitglieder der Revolutionsgarde sowie gegen drei hochrangige iranische Justizbeamte wegen der Todesurteile gegen Demonstrierende. Die Europäische Union sanktioniert zwei Organisationen und 32 Beamte der Islamischen Republik, darunter zwei Minister der Regierung Raisi, wegen ihrer Rolle bei der „Unterdrückung der Protestierenden“.
21. Februar 2023: Die deutsche Außenministerin erklärt, es gebe „keine rechtliche Grundlage“ für die Einstufung der Revolutionsgarde als terroristische Organisation durch die EU. Die iranische Justizbehörde verkündet das Todesurteil gegen den inhaftierten Doppelstaatler Jamshid Sharmahd. Der iranische Kommunikationsminister Isa Zarepour behauptet, dass 60 % der Bevölkerung und der iranischen Unternehmen auf iranische Messaging-Dienste umgestiegen seien.
22. Februar 2023: Amnesty International fordert ein faires Gerichtsverfahren für die vier kurdischen Gefangenen Mohsen Mazloum, Pejman Fatehi, Vafa Azarbar und Hazhir (Mohammad) Faramarzi.
23- Februar 2023: Das Unternehmen Meta gibt bekannt, dass trotz der Blockade von Instagram im Iran weiterhin Millionen von Iraner*innen die App nutzen.
24. Februar 2023: Tausende Menschen in Zahedan demonstrieren am 21. Freitag in Folge. Der Sonderbeauftragte der USA für Iran verurteilt das Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd, einen iranisch-deutschen Staatsbürger, scharf.
26. Februar 2023: Der stellvertretende Minister für Technologie bestätigt, dass die Serie von Vergiftungen von Schulmädchen an einigen Schulen im Iran, die seit Dezember andauert, vorsätzlich verursacht wurde. Der Wechselkurs des US-Dollars überstieg erstmals die 60.000-Toman-Marke.
27. Februar 2023: Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian behauptet, dass die Proteste aufgrund der „Einmischung terroristischer Elemente“ und „ausländischer Interventionen“, einschließlich persischsprachiger Medien im Ausland, gewalttätig geworden seien. Die kanadische Regierung verhängt Sanktionen gegen 12 hochrangige Offiziere der Revolutionsgarde und der Polizei der Islamischen Republik wegen ihrer „Beteiligung an weitreichenden und systematischen Menschenrechtsverletzungen“ im Iran.
28. Februar 2023: Die Leipziger Buchmesse in Deutschland verbietet dem Islamischen Zentrum Hamburg, das der Islamischen Republik untersteht (und mittlerweile durch das Bundesinnenministerium verboten wurde), die Teilnahme an der Messe. Über 35 Zweige des Schriftstellerverbands PEN weltweit verurteilen in einer gemeinsamen Erklärung die Verhaftung und Unterdrückung von Schriftsteller*innen und Dichter*innen sowie von Mitgliedern des Schriftstellerverbands im Iran.
März 2023
1. März 2023: Am zweiten Tag der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats fordern 54 Länder in einer gemeinsamen Erklärung die Abschaffung der Todesstrafe und ein Ende der massiven Menschenrechtsverletzungen im Iran.
2. März 2023: Amnesty International fordert ein Ende der „Angriffe auf Mädchenschulen“ im Iran. Der Präsident des iranischen Parlaments fordert die Bildung einer Sonderkommission zur Untersuchung der Vergiftungsfälle an Mädchenschulen. Außenminister Amir-Abdollahian bestreitet in einem Interview mit CNN-Moderatorin Christiane Amanpour sexuelle Übergriffe auf inhaftierte Frauen und behauptet, „Frauen in Iran haben alle notwendigen Freiheiten“. Die unabhängige UN-Untersuchungskommission kündigt an, Informationen über die „gewaltsame Niederschlagung der Proteste“ im Iran zu sammeln.
4. März 2023: Der Vater von Jina Mahsa Amini erklärt, dass er, falls seine „individuelle“ Klage im Fall des Todes seiner Tochter keine Ergebnisse erziele, andere Wege nutzen werde, um Gerechtigkeit zu erlangen.
6. März 2023: Der iranische Justizchef Gholam-Hossein Mohseni-Eje’i verkündet, dass 80.000 Personen, die im Zuge der Proteste verfolgt wurden, begnadigt worden seien, ohne genaue Zahlen der bei den Protesten Verhafteten zu nennen. Ein Abgeordneter des iranischen Parlaments erklärt, dass mehr als 5.000 Schülerinnen in Iran vergiftet worden seien.
7. März 2023: Das iranische Innenministerium gibt bekannt, dass „einige Personen“ in fünf Provinzen im Zusammenhang mit den Vergiftungen an Mädchenschulen festgenommen worden seien. Die staatliche Nachrichtenagentur berichtet, dass 41 Schülerinnen an einer Schule in Zahedan vergiftet wurden. Die Iranische Ärztekammer verurteilt die Vergiftungsfälle in einer Erklärung als „barbarischen Akt“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
8. März 2023: US-Präsident Joe Biden lobt in einer Botschaft zum Internationalen Frauentag den „Mut“ iranischer Frauen im Widerstand gegen die Unterdrückung durch die Islamische Republik. Das US-Finanzministerium kündigt Sanktionen gegen drei iranische Organisationen und acht iranische Regierungsbeamte wegen Menschenrechtsverletzungen an, darunter der Kommandant der iranischen Armee. Großbritannien verhängt am Internationalen Frauentag Sanktionen gegen das iranische „Komitee zur Durchsetzung des Hijab-Gesetzes“ und dessen Vorsitzenden.
9. März 2023: Das US-Außenministerium verleiht den „International Women of Courage“-Preis 2023 an die „iranischen Frauen und Mädchen, die sich gegen das Regime auflehnen“. Ein Video von fünf Mädchen, die im Stadtteil Ekbatan in der Teheraner Vorstadt tanzten, erregt in den sozialen Medien große Aufmerksamkeit. Die deutsche Europaabgeordnete Hannah Neumann berichtet, dass das Europäische Parlament über eine Resolution zu den Vergiftungen von Schülerinnen diskutieren werde.
10. März 2023: Die prominenten iranischen Oppositionellen Hamed Esmaeilion, Shirin Ebadi, Reza Pahlavi, Abdullah Mohtadi, Masih Alinejad, Golshifteh Farahani, Ali Karimi, und Nazanin Boniadi bilden eine Koalition im Exil und veröffentlichen das sogenannte „Mahsa-Manifest“.
11. März 2023: Das iranische Innenministerium gibt bekannt, dass mehr als 100 Personen im Zusammenhang mit den Vergiftungen an Mädchenschulen festgenommen worden seien. In mehreren europäischen Städten protestieren Iraner*innen gegen die Vergiftungen an Mädchenschulen.
12. März 2023: Nach studentischen Protesten gegen die Vergiftungen an Mädchenschulen wird 30 Studierenden der Universität Allameh Tabataba’i in Teheran der Zugang zur Universität verweigert. 40 Studierende der medizinischen Universität Tabriz werden vor das Disziplinarkomitee geladen. Schweden verurteilt die Bestätigung des Todesurteils gegen Habib Esiyved durch die iranische Justiz als „unmenschlich“. Erneut werden Schülerinnen in mindestens sieben Städten vergiftet.
13. März 2023: Der stellvertretende Gesundheitsminister erklärt, dass 13.000 Schülerinnen aufgrund der mysteriösen Vergiftungsfälle an iranischen Mädchenschulen behandelt worden seien. Justizchef Gholam-Hossein Mohseni-Eje’i erklärt, dass von den begnadigten Gefangenen 22.000 Personen in Verbindung mit den Protesten stünden.
14. März 2023: Zeitgleich mit den Feierlichkeiten zum traditionellen Fest „Chaharshanbe Suri“ finden in mehreren Städten, darunter Teheran, Proteste gegen die Islamische Republik statt. Der Geheimdienst meldet die Entdeckung von „Sabotagenetzwerken“ und „Ausrüstungen“ für Operationen am Vorabend des Festes.
15. März 2023: Das iranische Parlament plant einen Gesetzentwurf, um den Druck auf Frauen zu erhöhen, die das Hijab-Gesetz nicht einhalten.
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