Reaktionen auf Grammy-Gewinn des Iraners Shervin Hajipour

Die Auszeichnung des Songs „Baraye“ (auf Deutsch „Wegen“ oder „Für“) des iranischen Sänger und Texters Shervin Hajipour bei den 65. Grammy Music Awards am Sonntag hat bei Iraner:innen eine Welle der Freude ausgelöst. Dem von vielen als „Hymne der neuen Revolution im Iran“ bezeichnete Lied wurde als „bester Song, der soziale Veränderungen beeinflusst“ ein Grammy verliehen. Hajipour war wegen des Liedes zunächst verhaftet, nach ein paar Tagen aber auf internationalen Druck hin auf Kaution freigelassen worden.

Der Preis sei „ein Sieg der Frau-Leben-Bewegung“ und „eine Niederlage für das Kindermörder-Regime“ hieß es in den Sozialen Netzwerken. Hajipour schrieb auf Instagram und Twitter nur: „Wir haben gewonnen“. Sein kurzer Post wurde bis Dienstagfrüh 2,5 Millionen Mal geliket. Der Text des Lieds ist eine Zusammenstellung von Tweets junger Iraner:innen, die sich gegen die politischen und sozialen Missstände in der Islamischen Republik richten.

Trend auf Twitter

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Auszeichnung wurde der Hashtag

#ShervinHajipour auf Englisch und Farsi zu einem Trend auf Twitter. Es wurden auch Bilder von Hajipour veröffentlicht, während er in Teheran der Grammy-Verleihung zusieht. Nach der Bekanntgabe seines Namens brechen die Menschen um ihn herum in Freude aus, er selbst bleibt verhalten und nachdenklich. Manche User schrieben: „Ob er gerade daran denkt, was er wegen dieses Preises für Repressalien seitens des Regimes erdulden muss?“

Ein User schrieb an Shervin: „Du hast nicht erst heute gewonnen, sondern bereits dann, als junge Menschen begannen, auf ihren Geburtstagsfeiern und in Grundschulen als Zeichen des Protestes gegen das Regime gemeinsam Dein Lied zu singen.“ Die Journalistin und politische Aktivistin Masih Alinejad schrieb: „Früher hörte niemand in der Welt unsere Stimmen, wenn wir auf den Straßen getötet oder erhängt wurden. Aber jetzt haben unser Protestschrei, unsere Musik und Kunst, die Grenzen der Welt überschritten. Das ist die Stimme der weiblichen Revolution, des Lebens, der Freiheit.“ Kinostar Golshifteh Farahani, die Shervins Song bei einem Konzert in Argentinien mit Chris Martin und der britischen Rockband Coldplay gesungen hatte, schrieb: „Für dich, lieber Shervin, und für alle Künstler im Gefängnis. Welch eine Ehre, die du der leidenden Nation Iran gebracht hast.“ Chelsea Hart, eine Komikerin und soziale Aktivistin, die wiederholt die Proteste im Iran unterstützt hat, gehörte zu denen, die Shervin Hajipour mit der Veröffentlichung eines Fotos von ihm lobten.

Der bekannte britisch-iranische Schauspieler und Komiker Omid Jalili bezeichnete Shervins Lied als „einen sehr starken Wind in den Segeln der Revolution des iranischen Volkes“. Er äußerte die Hoffnung, dass das Regime der Islamischen Republik bald „mit Frieden, Liebe und Kunst in den Mülleimer der Geschichte geworfen“ werde.

Amerikas First Lady Jill Biden hatte bei der Preisverleihung am Sonntag das Lied gepriesen und an die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung im Iran erinnert.

Robert Malley, der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Iran-Angelegenheiten, nannte die Auszeichnung in einem Tweet ebenfalls „eine Hommage an das iranische Volk“.

Kritische Stimmen

Shervins Grammy hat allerdings auch Kritiker:innen: von Anhänger:innen des islamischen Regime im Iran bis zu Amerikahasser:innen wie moskautreue Linke und jenen, die die Grammy-Verleihung als eine „gewöhnliche amerikanische Show für die Verdummung der Menschen“ betrachten. Sie alle bezeichnen die Grammy-Verleihung an den Iraner als einen politischen Akt, der keinen künstlerischen Wert habe. Vielleicht deshalb, weil die Grammy-Kategorie für Songs, die soziale Veränderungen verursacht haben, in diesem Jahr neu geschaffen wurde. Manche betrachten das Lob von Jill Biden und Robert Malley als politischen Akt gegen die Islamische Republik.

Amir-Ali Abolfath, der für Teheraner Zeitungen politische Analysen über die Beziehungen zwischen dem Iran und den USA schreibt, nannte Shervins Preis ein „Beispiel für die Rolle der Unterhaltungsindustrie in der US-amerikanischen Außenpolitik“. (fp)

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