„Taskforce der Gerechtigkeit“ für iranische Gefangene
Ein Zusammenschluss von Abgeordneten des Deutschen Bundestags hat eine Taskforce gegründet, um Gerechtigkeit für ermordete Gefangene im Iran zu fordern. Auf ihrer ersten Pressekonferenz sprachen die Initiator*innen über ihre Vorgehensweise und bisherigen Aktivitäten.
Von Omid Rezaee
Der „Taskforce Gerechtigkeit für ermordete Gefangene im Iran” gehören Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen an. Alle haben nach dem Ausbruch der landesweiten Protesten im Iran im September 2022 Patenschaften für Gefangene übernommen, die inzwischen ermordet wurden. Ziel dieser Taskforce sei, die Beteiligten an den Hinrichtungen von politischen Gefangenen im Iran zur Rechenschaft zu ziehen, wie am Mittwoch, dem 17. Januar, auf einer Pressekonferenz im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags mitgeteilt wurde.
Die Taskforce habe als ersten Schritt basierend auf Recherchen der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help und weiterer Partner aus der Zivilgesellschaft eine Liste mit den Namen von Mitgliedern des iranischen Regimes erstellt, die direkt an Todesurteilen und staatlichen Morden an politischen Gefangenen beteiligt gewesen sein sollen. Diese Liste sei am 8. Januar an das Auswärtige Amt weitergegeben worden, um „die Namen dieser Personen in den EU-Sanktionsmechanismus einzuspeisen, so dass individuelle Sanktionen gegen sie verhängt werden,“ hieß es auf der Pressekonferenz.
„Keine rein politische Angelegenheit“
Helge Limburg, Mitglied der Grünen-Fraktion, sagte dort, die Taskforce „Gerechtigkeit für ermordete Gefangene im Iran“ sei aus dem Patenschaftsprogramm „für von der Hinrichtung bedrohte und mit langjährigen Haftstrafen belegte politische Gefangene in Iran“ zustande gekommen. Dieses Programm habe das Ziel, „Solidarität mit der Demokratiebewegung im Iran zu erzeugen“. In letzter Konsequenz strebe das Patenschaftsprogramm an, zu verhindern, dass Aktivist*innen im Iran für ihre Beteiligung an friedlichen demokratischen Protesten hingerichtet würden, so Limburg weiter.
Der Abgeordnete hatte die Patenschaft für Mohammad Mehdi Karami übernommen, der am 7. Januar 2023 nach einem kurzen Gerichtsprozess hingerichtet wurde. Ihm war vorgeworfen worden, an dem Mord eines Mitglied der Basij-Milizen beteiligt gewesen zu sein. Er habe versucht, durch Briefe und persönliche Besuche bei der iranischen Botschaft in Berlin, aber auch durch Online-Aktivitäten die Vollstreckung des Todesurteils gegen Karami zu verhindern, sagte Limburg: „Ich konnte das aber im Endergebnis nicht.“
Das Ganze sei für ihn keine rein politische Angelegenheit, sondern auch eine emotionale, sagte Limburg. „Das Leben und Sterben der Menschen, deren Patenschaft wir übernehmen, betrifft auch uns und unsere Familien.“ Es sei auch nicht selbstverständlich, dass alle demokratischen Fraktionen des Bundestages etwas gemeinsam machten, so der Grünenabgeordnete. Das Patenschaftsprogramm erzeuge große Solidarität und gegenseitige Unterstützung. Nach den Hinrichtungen von Gefangenen seien die Pat*innen zu dem Schluss gekommen, dass sie dies nicht auf sich beruhen lassen wollten: „Wir wollen die Täter und Täterinnen, die an diesen Justizmorden beteiligt waren, zur Verantwortung ziehen,“ sagte Limburg. Das sei der Ausgangspunkt der Gründung der Taskforce „Gerechtigkeit für ermordete Gefangene im Iran“ gewesen.
Darin sind alle Abgeordneten vertreten, die Pate oder Patin eines Gefangenen gewesen seien, der mittlerweile getötet wurde. „In den vergangenen Wochen haben wir bereits Namen von 20 verantwortlichen Richtern, Staatsanwälten, Sicherheits- und Gefängnisbeamten ans Auswärtige Amt übermittelt,“ sagte Limburg. Unter dem Druck des deutschen Auswärtigen Amtes sei es schnell dazu gekommen, dass der beteiligte Richter auf die EU-Sanktionsliste gesetzt wurde.
440 Patenschaften für politische Gefangene
Laut Daniela Sepehri, Mitinitiatorin des Patenschaftsprogramms, handelt es sich bei diesen 20 Personen vor allem um Richter, Staatsanwälte und Leiter der Justizverwaltung, „weil man sie einfacher ausfindig machen kann als Menschen, die Gefangene im Verhör gefoltert haben, denn viele davon benutzen im Gefängnis nicht ihre richtigen Namen“. Sepehri erklärte, dass man die Staatsanwälte im Iran nicht mit denen in Deutschland gleichsetzen dürfe. Denn die iranischen Staatsanwälte seien für Inhaftierung, Anklageerhebung und die Vollstreckung von Urteilen zuständig. „All diejenigen, die aktiv an den Morden beteiligt waren, versuchen wir zu identifizieren. Wir versuchen, bis in die Gefängnisse zu schauen und herauszufinden, wer die Person ist, die am Ende den Stuhl umkippt oder im Gefängnis die Folter in Auftrag gibt und sie durchführt.”
Seit Anfang des Programms seien mehr als 440 Patenschaften für Gefangene vermittelt worden, von denen 210 mittlerweile freigelassen worden seien, so Sepehri. Entweder seien die Anklagen fallen gelassen worden oder man habe die Inhaftierten vorübergehend auf Kaution freigelassen. „Wir haben auch viele Verbesserungen in den Haftbedingungen zu verzeichnen,“ sagte Sepehri. Auch wenn das nicht ausschließlich infolge der Patenschaften passiert sei, „versuchen wir aber, mit diesen Patenschaften zusätzlichen Druck zu erzeugen und die Menschen im Iran und deren Angehörige zu unterstützen.“
15 Personen aus dem Patenprogramm seien ermordet worden, fügte Sepehri hinzu, 12 wurden hingerichtet, drei weitere anderweitig getötet. Zu der Taskforce sagte sie, dass der Begriff Gerechtigkeit ein tief verankerter Begriff in der iranischen Gesellschaft sei, der mit vielen Traumata verbunden sei. „Wir wissen, dass wir mit Sanktionierung keine vollständige Gerechtigkeit schaffen können, aber das ist ein Instrument, das wir in der EU haben und nutzen sollten, um einen Schritt Richtung Gerechtigkeit beitragen zu können,“ sagte die Mitinitiatorin des Patenschaftsprogramms von HÁWAR.help.
Abschiebestopp in den Iran ausgelaufen
Knut Gerschau, FDP-Bundestagsabgeordneter, berichtete von dem politischen Gefangenen Asef Shahbakhsh, der am 20. Mai vergangenen Jahres in Belutschistan im Südostiran hingerichtet wurde. Petra Pau, die für die Linke im Bundestag sitzt, sprach über Mohammad Ramez Rashidi und Naeim Hashem Ghotali, die am 8. Juli 2023 öffentlich hingerichtet wurden. Sie kritisierte, dass der Abschiebestopp in den Iran Ende vergangenen Jahres ausgelaufen ist: „Es sind nicht nur Menschen im Iran gefährdet, sondern ganz genauso Menschen, die es geschafft haben, aus dem Iran herauszukommen, und wenn sie in den Iran abgeschoben werden, sind sie dann erst recht gefährdet.“
Martin Renner von der Linkspartei, Patin des am 19. Mai hingerichteten Saleh Mirhashemi, wies darauf hin, dass die Bedrohung durch die Islamische Republik über die Grenzen Irans hinaus bestünde: „Auch hier im Land fürchten sich iranische und kurdische Oppositionelle vor Nachstellungen. Deshalb müssen wir entschlossen und gemeinsam weiter Druck machen, damit die Islamischen Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste gesetzt werden und der Entzug diplomatischer Immunität dort, wo sie für Terror benutzt wird, politisch Thema bleibt.“ Danach sprach Jürgen Hardt von der CDU über Aram Omari Bardiani, der am 28. Dezember 2023 hingerichtet wurde. „Wir sollten partei- und auch staatenübergreifend in Europa darüber nachdenken, was wir tun könnten, damit das Regime in Teheran es direkt spürt, wenn wir von so solchen Taten Kenntnis bekommen,“ sagte er.
Düzen Tekkal, die Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help, wies darauf hin, dass der Genozid an den Yeziden vom Deutschen Bundestag anerkannt wurde. Dass ausgerechnet jetzt Iraner, Kurden und Yeziden abgeschoben werden sollten, errege tiefe Besorgnis. Die Taskforce könne ein Felsbrecher sein: „Denn es geht darum, der Straflosigkeit von Justizverbrechen gegen die Menschlichkeit im Iran ganz konkret etwas entgegenzusetzen.“ Tekkal wies auch auf die Angriffe des Irans auf die autonome Region Kurdistan und auf Pakistan hin, um die Gefahr, die von der Islamischen Republik ausgeht, zu konkretisieren. Mit Blick auf die vorübergehende Freilassung der Journalistinnen Elaheh Mohammadi und Niloufar Hamedi, gegen die unmittelbar nach der Freilassung eine neue Anklage wegen Nichteinhaltung der Hijab-Regeln erhoben wurde, sagte sie, allein das Teilen eines Bildes ohne Kopftuch in den sozialen Medien sei im Iran ein revolutionärer Akt: „Das zeigt, dass die Freiheitsbewegung lebt und dass wir dafür mitverantwortlich sind. Wir wissen, dass das auch ein Marathonlauf werden kann. Aber wir werden dran bleiben.“
Weitere Mitglieder der Taskforce sind Nadja Stahmer, Silvia Gosewinkel, Josephine Ortleb und Danial Ilkhanipour von der SPD, Peter Heidt, Maren Jasper-Winter und Christian Dürr von der FDP sowie Deborah Düring, Tonka Wojahn und Robin Korte von Bündnis 90/Die Grünen.♦
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