Aus der Schwäche wuchs ihre Macht
Die Revolutionsgarden sind offenkundig die größten Nutznießer der US-amerikanischen Embargos. Wegen der Sanktionen wird ein Großteil ihrer Geschäftstätigkeiten notwendigerweise geheim und illegal jenseits effektiver Kontrollen durchgeführt. Es gab Berichte darüber, dass die IRGC schon vor Ahmadinedschads Präsidentschaft am Warenschmuggel beteiligt waren. Aber es war Ahmadinedschad, der im Machtkampf mit seinen früheren Förderern in der Revolutionsgarde im Juli 2011 von „Schmuggelbrüdern“ sprach, die außerhalb der regulären Häfen eigene Kais und illegalen Warenverkehr betrieben.
Im August 2013 gab das iranische Wirtschaftsministerium bekannt, dass jährlich geschmuggelte Waren im Wert von etwa 20 Milliarden US-Dollar in den Iran gelangen, was 35 Prozent der gesamten Importe des Landes im Jahr 2012 entsprach. Diese Praxis setzt sich bis zum Jahr 2020 fort. Die Einfuhr dieses Warenvolumens über illegale Grenzen und Docks setzt zweifellos eine starke Rückendeckung und Logistik voraus. Zuverlässigen Berichten zufolge geschieht dies über die von der Revolutionsgarde betriebenen Militärdocks der Häfen Chabahar, Bandar Abbas, Qeshm, Bushehr, Mahshahr, der Insel Abu Musa und mehrerer anderer Inseln sowie über die Marine- und Polizeidocks.
Gewinner der US-Sanktionen sind demnach wieder die „Schmuggelbrüder“, die kein Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen zu den USA zeigen. Bei einem Treffen mit Basij-Studenten erklärte der vom Revolutionsführer ernannte Freitagsprediger und Protagonist der Revolutionsgarde Ahmad Alam al-Huda am 21.Oktober 2011 in der Stadt Mashhad: „Wenn wir auf diejenigen hören, die die Abschaffung des Slogans ‚Nieder mit Amerika‘ fordern, werden wir alles verlieren. Wir müssen dann den Islam vergessen.“
Könnten die Sanktionen der Garde auch schaden?
Der wichtigste Schaden, der die IRGC treffen könnte, wäre die Schwächung der Position des Revolutionsführers Ali Khamenei, genauer gesagt: wenn die Auswirkungen der Sanktionen Khamenei zwingen würden, sich von seinen radikalen Positionen zurückzuziehen und der Versöhnung mit den USA zustimmen. Die Umgehung der Sanktionen wäre dann nicht mehr relevant, ein wesentlicher Teil der Aktivitäten der IRGC müsste ad acta gelegt werden.
Vielen Analysten zufolge bewirkt die Fortsetzung der gegenwärtigen Situation aber eine Vertiefung der Systemkrise der Islamischen Republik, begleitet von der starken Schwächung der Mittelschicht und dem Sturz der Gesellschaft in den Abgrund der Konfrontationen zwischen der Revolutionsgarde und der Bevölkerung. Aus solchen Konfrontationen sind nach den meisten historischen Erfahrungen nicht die Besitzer von Waffen und Kanonen siegreich hervorgegangen. Anscheinend nutzen die amerikanischen Embargos der Revolutionsgarde in einem solchen Ausmaß, dass ihre Kommandeure offen und hartnäckig gegen eine Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auftreten, die Voraussetzung für die Lockerung und Aufhebung der Sanktionen wären.
Ein eingehender Blick auf das bisherige Geschehen zeigt also, dass es der IRGC nach der Verhängung der Trump-Sanktionen gelungen ist, diese mehr als jede andere Institution zu umgehen, ihre Macht zu erweitern und ihre einzigartige Position in der Herrschaftsstruktur des Iran zu behaupten. Während der gesamten Sanktionsperiode konnte die Revolutionsgarde ihre Ziele vorantreiben. In den letzten Jahren waren ihre Aktivitäten außerhalb der iranischen Grenzen und im Nahen Osten in den Schlagzeilen vieler Medien: von der Bereitstellung militärischer Ausrüstung und Unterstützung für das Assad-Regime in Syrien bis zur Unterstützung der Hamas in Gaza.
Rouhanis gescheiterter Versuch
Irans Staatspräsident Hassan Rouhani hat versucht, die Aktivitäten der IRGC einzuschränken, um die Attraktivität der iranischen Wirtschaft für inländische und ausländische Investitionen zu erhöhen. Die oberste Macht im Staate, Ali Khamenei, bestand jedoch darauf, die IRGC im Zentrum der Macht zu halten. Damit war geklärt, dass die Garde außer ihrer bestimmenden politischen Rolle auch ihre zentrale wirtschaftliche Position unangefochten würde behaupten können.
Letztendlich waren diese unterschiedlichen Politik- und Wirtschaftskonzepte der Grund für das Scheitern der Wiederbelebung der iranischen Wirtschaft. Mit der Verhängung neuer US-Sanktionen gegen den Iran hat die Revolutionsgarde ihre dominante Rolle im iranischen Machtapparat behaupten und sich in den Mittelpunkt politischer Ereignisse stellen können. Unter der Voraussetzung der Ernsthaftigkeit von Rouhanis Aussagen über Einschränkung und Kontrolle der Wirtschaftstätigkeiten der Revolutionsgarde stellt sich die Frage, ob in der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Struktur der Islamischen Republik die Macht der IRGC überhaupt kontrollierbar wäre und ob die offizielle Regierung die Mittel dazu hätte. Diese Mittel müssten die parallelen Sicherheits- und Geheimdienstorganisationen sowie die sie unterstützende Justiz und die staatlichen Medien umfassen. Dies sind Einrichtungen, deren Leitung von Ali Khamenei ernannt wird. Er zeigt bisher kein Interesse daran, die Macht der Revolutionsgarde einzuschränken.
Es kann daher behauptet werden, dass die Revolutionsgarde der absolute Nutznießer der US-amerikanischen Embargos ist. Sie hat ihre Macht auch unter dem Druck der verschärften Sanktionen von Donald Trump ausbauen und verfestigen können. Eine Verständigung zwischen den USA und dem Iran könnt auch zur Veränderung der Machtstruktur im Iran führen. Daran haben die mächtigen Revolutionsgardisten und ihr „Revolutionsführer“ noch kein Interesse.♦
*Zum Autor: Kian Tabrizi ist das Pseudonym eines renommierten politischen Analysten, der unter verschiedenen Pseudonymen für persischsprachige Medien schreibt.
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