Joe Bidens neue Weltordnung – der Nahe Osten und der Iran
Die Wirtschaftspolitik des Iran ist stark abhängig von der Politik der USA im Nahen Osten, die sich zum Teil nach politischen Entwicklungen in der Region richtet. So wird Joe Biden – selbst wenn er es wollte – ohne Berücksichtung regionaler Verflechtungen nicht zum Atomabkommen zurückkehren und dem Iran damit aus seiner verheerenden Wirtschaftskrise helfen können. Doch wie denken Biden und seine Berater über diese Verflechtungen?
Von Kian Tabrizi*
Die politische Vergangenheit von Joe Biden spricht nicht unbedingt dafür, dass er das demokratische Gegenteil von Donald Trump ist. Biden war acht Jahre lang Obamas Stellvertreter und mehr als zwölf Jahre lang Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des US-Senats. Als Demokrat beriet er auch den republikanischen Präsidenten George W. Bush in der Außenpolitik. Als Senator von Delaware unterstützte er die militärischen Interventionen in Serbien im Jahr 1999, in Afghanistan im Jahr 2001 und im Irak im Jahr 2003.
Unter Obama wurde Biden flexibler und setzte sich für friedliche Lösungen und die schrittweise Rückkehr amerikanischer Truppen in ihre Heimat ein. Obama wählte Biden mit Bedacht als seinen Stellvertreter, weil er im Senat und Kongress keine solide und ausreichende Basis hatte. Jemand wie Biden, der ein Leben in Konfrontation und Kooperation mit den Republikanern geführt und Wege der politischen Verständigung mit den Rechten erlernt hatte, war für Obama von großem praktischen Wert.
Über die Pläne des künftigen US-Präsidenten im Bereich der Außenpolitik wissen wir bisher nur, dass er den Sitz der USA im Pariser Übereinkommen über den Klimawandel reaktivieren und zur Weltgesundheitsorganisation zurückkehren will. Doch wir wissen bisher sehr wenig darüber, welche Politik Biden in Bezug auf den Nahen Osten und den Iran verfolgen wird. Er wird sicher nicht alles revidieren können, was Trump im außenpolitischen Bereich hinterlassen hat. Seine außen-politischen Ambitionen lassen sich dennoch mehr oder minder aus den bekannten Positionen seiner ernannten Minister sowie sicherheits- und außenpolitischen Berater ableiten. Die drei bekanntesten Namen, die von Biden für die Sicherheits- und Außenpolitik nominiert wurden, sind Antony Blinken, Nicholas Burns und Jake Sullivan.
Antony Blinken
Antony Blinken, designierter Außenminister, hat als nationaler Sicherheitsberater viele Jahre für Joe Biden gearbeitet. Unter Obama wurde er mehrmals befördert, zuletzt zum Stellvertreter von Außenministerin Hillary Clinton, und war als Architekt der US-Politik gegenüber dem Islamischen Staat (IS) und des Atomabkommens mit dem Iran bekannt. Nach Blinken sollten die USA bei einer Rückkehr zum Atomabkommen die Kontrolle über die Aktivitäten der Islamischen Republik Iran in der Region sowie über ihr Raketenprogramm behalten. Er möchte auch vermeiden, dass Syrien und der Libanon als Plattform des Iran für Angriffe auf Israel benutzt werden.
Blinken wird zudem eine besondere Sensibilität für Menschenrechtsfragen nachgesagt. In der Realpolitik hat er jedoch bisher keinen Nachweis für menschenrechtliches Engagement erbracht. Während der Niederschlagung der Novemberproteste im Iran im Jahr 2019 schrieb er, die beste Hilfe, die Donald Trump den Demonstrant*innen leisten könne, sei Schweigen. Eine ähnliche Position hatte Barack Obama angesichts der Proteste von 1988 vertreten. Der Multilateralist Blinken befürwortete die Intervention Saudi-Arabiens im Jemen. Auch werden ihm gute Beziehungen zur Rüstungsindustrie nachgesagt.
Nicholas Burns
Der Diplomat Nicholas Burns, ebenfalls für einen wichtigen außenpolitischen Posten im Gespräch, diente bereits sowohl unter republikanischen als auch unter demokratischen Präsidenten. Burns war ein Befürworter des Irak-Krieges 2003. Er beriet nicht nur US-Präsidenten in der Außenpolitik, sondern auch Unternehmen, die der Rüstungsindustrie dienten. Aus bisherigen Stellungnahmen Burns geht hervor, dass die US-Regierung in der Außenpolitik künftig Pakistan, Iran, China, Russland und Indien im Zusammenhang mit Afghanistan mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Joe Bidens bekanntes Engagement für Pakistan könnte mit Blinken und Burns die Kriegs- und Friedens-Gleichung Afghanistans beeinflussen. Die Rückkehr der USA zum Atomabkommen mit dem Iran könnte die Aufmerksamkeit bei der Bewältigung der Friedensfrage zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung auf den Iran lenken. Pakistan, dem weiterhin die entscheidende Rolle zugeschrieben wird, hat den Plan, die Taliban in einer Koalition mit einigen traditionellen afghanischen Führern wie Gulbuddin Hekmatyar und Salahuddin Rabbani in eine Übergangsregierung einzubinden. Es wird sich zeigen, ob Biden und seine Berater in der afghanischen Friedensfrage mehr Glück haben als ihre Vorgänger.
Jake Sullivan
Jake Sullivan, Bidens ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, der künftig sein leitender Sicherheitsberater sein soll, ist ebenso wie Antony Blinken kein “Hau-drauf-Politiker“. Beide entwickelten Obamas zurückhaltende Außen- und Sicherheitspolitik, die nicht immer friedensstiftend war: Weder der Krieg in Syrien noch die Attacken Russlands auf die Ukraine wurden damit verhindert. Erfolg hatten beide 2015 bei den Verhandlungen zum Atomabkommen mit dem Iran, das allerdings einige Schlupflöcher aufweist. Sollten diese nicht beseitigt werden, wird das Potential eines bisher vermiedenen Krieges zwischen der Islamischen Republik, Israel und den USA weiter präsent bleiben.
Sullivan betonte kürzlich, dass der neue Präsident im Einvernehmen mit den US-Verbündeten in der Region und in Europa die notwendige Unterstützung für ein gemeinsames Verständnis des Iran erreichen wolle. Ein solcher Ansatz entspricht weitgehend den Forderungen der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und anderer Länder der Region, die auch am Verhandlungstisch mit dem Iran zu sitzen gedenken.
Die vielleicht wichtigste Politikänderung der USA wird wahrscheinlich in Bezug auf den Krieg im Jemen stattfinden. Im Gegensatz zu Obama hat die Trump-Administration die Saudis im Jemen frei agieren lassen. Bidens Berater würden gern zu der Situation gegen Ende der Präsidentschaft Barack Obamas zurückkehren. Biden erklärte kürzlich vor dem Rat für auswärtige Beziehungen, er werde die Unterstützung der USA für den von Saudi-Arabien geführten katastrophalen Krieg im Jemen beenden und die US-Beziehungen zu Saudi-Arabien neu bewerten.
Fortsetzung auf Seite 2