Die Sanktionen und die iranische Revolutionsgarde

Aus der Schwäche wuchs ihre Macht

Ein eingehender Blick auf das bisherige Embargosystem der USA gegen den Iran zeigt, dass die Revolutionsgarde sich den katastrophalen Folgen der amerikanischen Sanktionen entziehen und ihre Macht sogar erweitern konnte. Je mehr die Verbindungen zur Außenwelt minimiert wurden, um so stärker konzentrierte sich die IRGC auf Beteiligungen und Partnerschaften mit den sowieso marginalisierten privaten Unternehmen des Landes. So konnte sie ihre Aktivitäten und langfristigen Ziele vorantreiben. Selbst außerhalb der iranischen Grenzen im Nahen Osten konnte sie ihre militärischen und politischen Aktivitäten trotz immenser Kosten fortsetzen, von der Ausrüstung und militärischer Unterstützung für das Assad-Regime in Syrien bis zur Unterstützung der Hisbollah in Libanon und der Hamas in Gaza.

Je mehr die Revolutionsgarde ihre innenpolitische Macht verfestigt und die Grauzonen ihres ökonomischen Einflusses erweitert, umso hartnäckiger widersetzt sie sich einer Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Mittlerweile sind die wirtschaftlichen Aktivitäten der IRGC außerhalb des normalen Marktgeschehens so umfangreich, dass der Privatsektor in vielen Bereichen nicht mehr existiert. Er wurde verdrängt und ist gegenüber der Marktbeherrschung der Garden nicht mehr wettbewerbsfähig.

Mit den erweiterten Sanktionen der Trump-Regierung konnte die Garde ihren Einfluss in der iranischen Regierung ausbauen und sich in den Mittelpunkt aller wesentlichen Ereignisse des Landes stellen. Die jeweiligen Regierungen waren ohnehin unfähig, die wirtschaftliche Macht der Revolutionsgarde zu kontrollieren. Eine solche Kontrolle wäre auch kaum möglich.

Das zehnfache des Staatsbudgets

2017 Betrug allein der Wert der Projekte, die der Khatam-Al-Anbia-Holding anvertraut wurden, das Zehnfache des gesamten Budgets des Iran. Dieser Riesenkonzern wurde nach dem Ende des Iran-Irak-Krieges auf Befehl des Obersten Führers der Islamischen Republik gegründet, um den Wiederaufbau des Landes zu forcieren. Das Riesengebilde mit mehreren Dutzend Institutionen und Unternehmen ist Herr über die wichtigsten Wirtschaftsbereiche des Landes: Straßen- und U-Bahnbau, Bau von Staudämmen, Öl-, Gas- und Petrochemieprojekte, Land- und Seetransport, Energieerzeugung und Telekommunikation. Es hat auch großen Anteil an Handel und Dienstleistungen. Staatlicherseits werden eine Reihe wichtiger Projekte ohne Ausschreibung und rechtliche Formalitäten an Khatam-Al-Anbia vergeben. Dieser Trend verstärkte sich seit der ersten Regierung von Ahmadinedschad bis heute ununterbrochen.

Die zivilgekleideten Schlägertrupps von Baisj unterstehen der Revolutionsgarde, sind bei jeder Versammlung anwesend und greifen durch, wenn es Proteste gibt!
Die zivilgekleideten Schlägertrupps von Baisj unterstehen der Revolutionsgarde, sind bei jeder Versammlung anwesend und greifen durch, wenn es Proteste gibt!

Mit der Eskalation der Sanktionen und mangelnder Zusammenarbeit großer internationaler Unternehmen mit iranischen Öl- und Gasprojekten wurden die abwesenden internationalen Investoren durch Khatam-Al-Anbia ersetzt. 2011 bekam sie das größte Projekt in der Geschichte der iranischen Ölindustrie, die Erschließung des Gasfeldes South Pars mit einem Volumen von 21 Milliarden Dollar – ohne Ausschreibung. Khatam-Al-Anbia ist inzwischen eine riesige Holding, die mehr als 812 registrierte Unternehmen innerhalb oder außerhalb des Irans kontrolliert. Sie ist Empfängerin von mehr als 1.700 Regierungsaufträgen und soll 25.000 Ingenieure und Techniker beschäftigen. Zehn Prozent der Mitarbeiter sind Mitglieder der Garde, die anderen zivile Angestellte. Zwei der bekanntesten Khatam-Al-Anbia-Töchter sind die Firmen Sepasad und Hara; erstere baut U-Bahnen, die zweite leitet den Tunnelbau und die Ausgrabungsarbeiten im ganzen Land. Am 25. April 2009 erwarb ein von Khatam-Al-Anbia kontrolliertes Konsortium mit 51,18 Prozent die Mehrheitsbeteiligung an der Marine- und Schiffbauindustrie des Iran, SADRA. Zudem betätigt sich Khatam-Al-Anbia auch im Bereich der Waffenindustrie.

Geheimpakt“ mit Venezuela

Am 12. Mai 2011 berichtete die Zeitung Die Welt von der Unterzeichnung eines „Geheimpakts“ zwischen dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez und seinem iranischen Amtskollegen Mahmoud Ahmadinedschad zur Errichtung einer gemeinsamen Raketenbasis auf venezolanischem Boden. 2011 unterstützte Khatam-Al-Anbia den venezolanischen Verbündeten auf der Paraguaná-Halbinsel beim Bau der in dem Pakt genannten Abschussrampen für Raketen mittlerer Reichweite.

Khatam-Al-Anbia als größtes Wirtschafts- und Finanzzentrum der Revolutionsgarden verkörpert 70 Prozent der Auftragserlöse und Projekte in der Öl-, Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsindustrie. Alle Einnahmen, Umsätze und Gewinne unterstehen der Aufsicht des “House of Leaders” und befinden sich damit außerhalb der Aufsicht der iranischen Ministerien für Finanzen und Wirtschaft. Die Einnahmen landen auf Konten der Banken Ansar, Molla Al-Movahedin, Tat und einer exklusiven Staatskasse. Bisher wurden keine offiziellen Informationen über die Aktivitäten dieser Unternehmen veröffentlicht.

Die seit der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran und der Geiselnahme deren Personals im Jahr 1980 fortdauernden und immer wieder erweiterten Embargos der USA haben dazu geführt, dass die Revolutionsgarde mit der Zeit alle wichtigen Investitionsgüter-, Dienstleistungs- und Militärindustrien des Landes verschlungen und eine reale Basis für ihre Schattenregierung geschaffen hat. In der Islamischen Republik ist der Regierungsapparat ein Corpus mit geringer Produktivität. Die offizielle Regierung versorgt ungefähr 4 Millionen Angestellte und fast 4,5 Millionen Rentner.

Die „Schmuggelbrüder“ des Systems

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