Aus der Schwäche wuchs ihre Macht
Wie die Revolutionsgarde von einer paramilitärischen Einheit zum wichtigsten militärischen, wirtschaftlichen und politischen Akteur der Islamischen Republik Iran wurde und was ihre unantastbare Macht einschränken könnte, beschreibt der politische Analyst und Iran-Experte Kian Tabrizi*
Auf den Webseiten der US-Botschaften in der ganzen Welt war noch bis zum 20.01.2021 eine Erläuterung des Weißen Hauses vom 8. April 2019 mit dem Titel “Designation of the Islamic Revolutionary Guard Corps” zu lesen. Darin werden für die seit dem 15.April 2019 geltenden Sanktionen gegen das iranische Regime und seine Revolutionsgarde (IRGC ) folgende Begründungen ausgeführt:
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“Die IRGC ist direkt an der Planung terroristischer Anschläge beteiligt, sie leistet grundlegende und institutionelle Unterstützung von Terrorismus und hat US-Staatsbürger getötet. Sie ist außerdem für die Geiselnahme und unrechtmäßige Verhaftung zahlreicher US-Bürger verantwortlich, von denen sich einige auch heute noch in iranischer Gefangenschaft befinden.
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Das Regime in Iran hat sich klar dafür entschieden, Terrorismus nicht nur zu finanzieren und die Ausrüstung dafür bereitzustellen, sondern auch, den Terrorismus, die Gewalt und Unruhen im gesamten Nahen Osten und weltweit auf Kosten der eigenen Bevölkerung zu schüren.
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Das iranische Regime ist seit 2003 für den Tod von mindestens 603 amerikanischen Soldatinnen und Soldaten im Irak verantwortlich. Das entspricht 17 Prozent aller Todesfälle von Angehörigen der US-Streitkräfte im Irak zwischen 2003 und 2011. Hinzu kommen noch die vielen Tausend Iraker, die von lokalen Verbündeten der IRGC getötet wurden.
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Diese Maßnahme (die Sanktionen) stellen einen bedeutenden Fortschritt dar, unseren Druck auf das Regime im Iran maximal zu erhöhen. Wir werden den finanziellen Druck weiter steigern und die Kosten für das Regime im Iran wegen seiner Unterstützung terroristischer Aktivitäten erhöhen, bis Teheran sein inakzeptables Verhalten unterlässt.
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Sie (die neuen Sanktionen) bauen auf vergangene Sanktionen gegen mehr als 900 mit dem Iran in Verbindung stehende Einzelpersonen, Unternehmen, Flugzeuge und Schiffe auf. Sie erfolgen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen, Zensur, dem Raketenprogramm, bösartigen Cyberaktivitäten und der Unterstützung von Terrorismus in Verbindung mit der iranischen Regierung.”
Am 2. August 2017 hatte US-Präsident Donald Trump ein Bundesgesetz (Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act-CAATSA) unterzeichnet, wonach die bereits vorher bestehenden Embargos gegen einige Länder, darunter die Islamische Republik Iran, verschärft zur Anwendung kommen sollten. Die Konsequenzen der dann folgenden Sanktionen, die sich aus der Einstufung des Teheraner Regimes als Unterstützer terroristischer Gruppen ergaben, waren sehr weitreichend.
Video: „Bewahrer der Revolution und Hindernis für einen gemäßigten Kurs der Regierung“:
Diese Sanktionen wurden bis zu den Präsidentschaftswahlen in den USA im November 2020 noch erweitert. Unter die Sanktionen fallen alle Unternehmen und Personen, die mit dem Raketen- und Verteidigungssystem des Iran in Verbindung stehen. Nach dem CAATSA-Gesetz fielen mehr als 5.000 private Unternehmen und etwa 160.000 Personen, die mit dem Riesenkonzern Khatam-Al-Anbia der Revolutionsgarde kooperieren, darunter. Die Aktivitäten von Khatam-Al-Anbia betreffen Öl, Gas und Petrochemie, Bau und Rüstungsindustrie sowie „Betriebe zur Beseitigung von Mangelsituationen“.
Die Sanktionen dehnen sich damit automatisch auf das ganze iranische Wirtschafts- und Finanzwesen aus, ebenso auf das ganze Bankensystem des Landes. Denn Khatam-Al-Anbia und die mit ihr verbundenen Unternehmen erwirtschaften etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Und dieser Wirtschaftsriese tätigt nur einen Teil der Geschäfte und Projekte der Revolutionsgarde, der größten wirtschaftlichen Macht der Islamischen Republik.
Wie alles begann
Dabei war die Revolutionsgarde als militärische Stütze der bestehenden iranischen Streitkräfte gedacht. Drei Monate nach dem Sieg der islamischen Revolution erteilte Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini im Mai 1979 dem “Revolutionsrat” den Befehl zur Gründung der Garde. Sie sollte das islamische System gegen Chaos, Staatsstreiche, marxistisch-leninistische und islamische Guerillagruppen schützen. Später nahm der sogenannte “Wächterrat der Verfassung” die neue Institution in die Verfassung auf und ließ dies am 2. Dezember 1979 per Referendum vom Volk bestätigen.
Im achtjährigen Krieg mit dem Irak hat die Revolutionsgarde der konventionellen Armee die Initiative aus der Hand genommen. Sie besiegte auch innerhalb des Landes bewaffnete Guerillagruppen. Durch die Übernahme der Befehlsgewalt über die parallel zur Garde gegründeten Basij-Streitkräfte (Milizen) wurde eine konkurrenzlose Macht im Staat geschaffen, die sich unter dem Vorwand der Sicherheit und Stabilität eigene Gefängnisse und Geheimdienste gab, der staatlichen Kontrolle total entzog und protestierende Bürger aus eigener Macht unterdrückte.
Darüber hinaus erweiterten die Revolutionsgardisten ihre Einflusssphäre in der Nahostregion. Sie gründeten auch eine Sektion „zur Befreiung Jerusalems“, der heiligen Stadt der Muslime, unter dem Namen Quds-Brigade. Nach und nach entstanden im Irak, Syrien, Libanon und Jemen militante schiitische Gruppen, die der Realisierung der expansiven Ziele der Islamischen Republik Iran dienen sollten.
Aufstieg zum Wirtschaftsriesen
Fortsetzung auf Seite 2