Zwischen Hoffnung und Resignation: Stimmen zu den US-Verhandlungen

Die internationale Öffentlichkeit blickt auf Gespräche zwischen Iran und USA, doch wie schauen die Menschen in der Islamischen Republik auf die Verhandlungen? Zwischen existenzieller Hoffnung und tiefem Misstrauen, jungen Stimmen voller Skepsis und warnenden Erinnerungen aus den Kriegsjahren bewegt sich eine Gesellschaft im Schwebezustand. Eine Reportage aus der iranischen Hauptstadt über Enttäuschungen und Wut – und den Wunsch nach einem normalen Leben.

Von Afra* – Teheran


Inmitten der anhaltenden politischen Spannungen in Iran steht plötzlich ein altbekanntes Schlagwort wieder im Mittelpunkt vieler Gespräche: Es lautet „Verhandlungen“. Gemeint sind damit Gespräche zwischen der Islamischen Republik Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika – ein zäher und oft gescheiterter Prozess, der seit Jahrzehnten von Misstrauen, politischen Sackgassen und historischen Belastungen überschattet wird.

Während internationale Medien weiterhin über geheime Treffen und mögliche Durchbrüche spekulieren, richtet sich der Blick der Menschen in Iran weniger auf diplomatische Details als auf die erhofften Auswirkungen in ihrem Alltag. Wichtiger als die Formulierungen in einem Abkommen ist für viele Iraner*innen, ob sich ihre Lebensrealität dadurch verbessert – sich Versorgungslage, Kaufkraft und Zukunftsperspektiven ändern.

Zwei Jahrzehnte nach den ersten offiziellen Gesprächen über das iranische Atomprogramm bleibt der Begriff „Verhandlung“ in Iran ambivalent: Für einige ist er mit der letzten Hoffnung auf ökonomische Erholung und eine Rückkehr in die Weltgemeinschaft verbunden, andere sehen darin bloß die Wiederholung eines gescheiterten Mechanismus, der nie greifbare Resultate für die breite Bevölkerung brachte. Während offizielle Stellen von der „Normalisierung außenpolitischer Beziehungen“ sprechen, ist die Stimmung auf den Straßen, in den Hörsälen und den Geschäften der iranischen Hauptstadt deutlich vielschichtiger – und direkter.

„Unsere Jugend war nur Krise“

In einem Teheraner Elektronikladen sitzt ein Angestellter hinter seinem Schreibtisch. Ruhig, fast müde, blickt der fast Fünfzigjährige von seinem Monitor auf. Seine Worte klingen weich, doch sie tragen die Schwere eines Lebens unter Dauerbelastung: „Unsere Jugend ist vergangen, ohne dass wir sie je gelebt hätten. Nur Krieg, nur Krisen, nur Arbeit – damit wir die Miete, die Raten und die Kinder irgendwie stemmen konnten“, sagt er. „Wenn jetzt wieder verhandelt wird, dann hoffe ich, dass wenigstens die nächste Generation davon etwas hat. Die Menschen sollen endlich einmal frei atmen können. Für uns ist es zu spät, aber die Jüngeren verdienen ein normales Leben.“

Zwischen Pragmatismus und Perspektivlosigkeit – junge Stimmen

An einer Universität in der iranischen Hauptstadt, in einem Seminarraum mit eher gedrückter Atmosphäre, ermöglicht eine kleine Debatte einen aufschlussreichen Blick auf das Denken der jüngeren Generation. In einer Unterrichtssituation, zunächst von Routine und Passivität geprägt, ändert sich die Stimmung, als das Thema „Iran-USA-Verhandlungen“ aufkommt.
Zunächst herrscht Stille – keine Gleichgültigkeit, sondern vorsichtige Zurückhaltung. Schließlich äußert ein junger Mann mit einem leichten Lächeln: „Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, was da genau passiert. Solche Gespräche gab es schon oft; es wurde viel geredet, geändert hat sich nie etwas. Wir konzentrieren uns nur darauf, irgendwie durchzukommen.“

Eine Studentin bringt mit schärferem Ton einen anderen Aspekt ein: „Wir wollen Freiheit. Wenn alles billiger wird, aber wir keine Freiheit haben, was bringt das dann? Dass wir immer noch Angst vor einem einfachen Instagram-Post haben müssen, dass wir unsere Meinung nicht angstfrei äußern können – das heißt, wir leben noch immer im selben System. Günstige Preise ohne Freiheit sind nur ein größerer Käfig.“

Ein anderer Student versucht, realistisch zu bleiben: „Die Islamische Republik wird nicht verschwinden. Wir haben in den letzten Jahren alles versucht. Wenn es Verhandlungen gibt, die unser Leben wenigstens ein bisschen erträglicher machen, ist das schon viel wert. Wenn man reisen, ein wenig sorgenfreier leben kann – das reicht für uns, die vom Warten müde sind.“

Am eindrücklichsten bleibt die Reaktion eines bis dahin schweigsamen Studenten: „Es ist doch lächerlich, dass jemand denkt, solche Verhandlungen brächten den Leuten hier etwas. Hast du je einen Rial davon in deiner Tasche gesehen? Alles landet bei den Mullahs und ihren Kindern. Wir sind nur Zuschauer. Und selbst das hinter Gittern.“ Seine Sätze lösen eine Schwere im Raum aus, die keiner weiteren Erklärung bedarf.

„Ohne Verhandlungen kein Fortbestehen“ – eine Insider-Perspektive

Auch innerhalb staatlicher Institutionen ist das Thema präsent. Ein Mitarbeiter des staatlichen Rundfunks IRIB, 35 Jahre alt, mit langjähriger Erfahrung im technischen und inhaltlichen Bereich des Rundfunks, schildert die Entwicklung aus seiner Sicht. Seiner Einschätzung nach hat die Islamische Republik nie vollständig den Kontakt zu den USA abgebrochen. „Es gab immer Kanäle im Hintergrund: inoffizielle Gespräche, Botschaften über Mittelsmänner, punktuelle Absprachen. Diese Kontakte liefen je nach politischer Lage mal intensiver, mal abgeschwächter – aber immer außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung.“

Die Situation habe sich vor allem verschärft, als Donald Trump begonnen habe, diese geheimen Kontakte öffentlich zu machen. „Er wollte sich mit den Erfolgen schmücken. Das hat die Islamische Republik in eine Zwangslage gebracht – sie konnte sich nicht länger mit Schweigen oder Dementis aus der Affäre ziehen.“

Heute, so seine Einschätzung, brauche das Regime die Verhandlungen dringender denn je – nicht zur Reform, sondern zur Selbsterhaltung: „Wenn die Islamische Republik nicht verhandelt, ist ihr Ende absehbar. Die wirtschaftliche Krise, der gesellschaftliche Druck und die internationale Isolierung haben ein Maß erreicht, bei dem es ohne diplomatische Öffnung nicht mehr weitergeht.“

Diese Analyse stammt aus dem Inneren eines Apparats, der maßgeblich an der offiziellen Darstellung staatlicher Positionen beteiligt ist. Während große Teile der Bevölkerung – insbesondere junge Menschen – den Glauben an spürbare Ergebnisse verloren haben, formt sich innerhalb des Machtapparats offenbar ein neuer Konsens: ohne Verhandlungen keine Zukunft.

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„Wenn es Krieg gibt, sei es so“ – Stimmen vom Basar bis zum Veteran

Auch auf den Straßen Teherans ist das Thema allgegenwärtig. In einem Supermarkt im Süden der Stadt unterhalten sich während einer ruhigen Vormittagsstunde ein Verkäufer und ein Lieferant über die Verhandlungen. Der etwa 30-jährige Verkäufer sagt: „Ich glaube kein bisschen daran. Trump wird den Tisch wieder umwerfen. Der will alles – und die Islamische Republik wird nicht nachgeben.“ Er spricht mit zunehmender Bitterkeit weiter: „Und wenn es am Ende Krieg gibt, dann sei es so. Hauptsache, dieses Regime verschwindet. Ich bin bereit, das mitanzusehen. Mir ist egal, was passiert – aber die müssen weg.“

Ganz anders äußert sich ein 67-jähriger Kriegsveteran, der in den 1980er Jahren an der Front des Iran-Irak-Kriegs war. Auf die Frage nach der Möglichkeit eines militärischen Konflikts sagt er: „Ich hoffe, dass die Verhandlungen zu Ergebnissen führen. Wenn sie scheitern und es zum Krieg kommt, wird das eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Wer auf einen Angriff wartet, hat keine Ahnung, was Krieg bedeutet.“ Er warnt: „Ein Angriff auf unser Land hätte Folgen für Generationen. Wenn der Krieg beginnt, ist es egal, wer an der Macht ist – Diktator oder Heiliger. Krieg ist unter allen Umständen eine Tragödie.“

Diese Worte stammen von einem Mann, der das Grauen des Krieges selbst erlebt hat. In einem politischen Klima, in dem die Sehnsucht nach Wandel oft zu simplen Antworten verleitet, wirkt seine warnende Stimme besonders eindringlich.

Zwischen Misstrauen und Aufbruch: die Gesellschaft im Wandel

Die Gespräche mit Menschen unterschiedlichster Altersgruppen und Hintergründe – von jungen Erwachsenen bis zu Kriegsveteranen – zeigen ein Land, das innerlich gespalten ist: zwischen Hoffnung und Skepsis, zwischen dem Wunsch nach Veränderung und der Erschöpfung nach Jahren des Stillstands. Während ein Teil der Bevölkerung, vor allem junge Menschen, auf eine Wiederannäherung an die Welt hofft, bleibt auf der anderen Seite eine tiefe, historisch gewachsene Skepsis.

Eines jedoch eint viele Stimmen – ob sie nun skeptisch oder hoffnungsvoll sind: Die Menschen wollen Veränderungen. Nach Jahren von Sanktionen, Währungsverfall, sozialer Kontrolle und wachsender Entfremdung zwischen Regierung und Gesellschaft ist Dialog längst nicht mehr nur Strategie – er ist überlebensnotwendig.

Gleichzeitig mahnt die Erfahrung der Kriegsgeneration zur Vorsicht. Für sie ist ein militärischer Konflikt keine abstrakte Drohung, sondern eine reale Gefahr, deren Folgen das gesamte Land treffen würden.

Ob sich die Hoffnungen oder die Befürchtungen am Ende bewahrheiten werden, bleibt offen. Doch alle Stimmen, ob optimistisch oder resigniert, verdeutlichen eines: Die iranische Gesellschaft sehnt sich nach einer Zukunft, die nicht auf Versprechungen, sondern auf spürbaren Veränderungen beruht.

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