„Khomeinis zweiter Exekutionsbefehl“ – Neues Tonband dokumentiert Sitzung von Ayatollah Montazeri mit der „Todeskommission“
Ein neu veröffentlichtes Tonband aus dem Jahr 1988 dokumentiert die zweite Sitzung von Ayatollah Hossein-Ali Montazeri, damaliger designierter Nachfolger von Revolutionsführer Ruhollah Khomeini, mit Mitgliedern der sogenannten „Todeskommission“, die in jenem Jahr für die massenhafte Exekution politischer Gefangener in Iran verantwortlich war. BBC Persian veröffentlicht die 27-minütige Aufnahme am Montag, den 14. April 2025. Die Aufnahme stammt vom 30. Dezember 1988. Die aufgezeichnete Sitzung fand in Montazeris Haus in Qom statt. Sie soll knapp drei Monate vor seiner Amtsenthebung als Nachfolger Khomeinis aufgenommen worden sein.
Aufzeichnung aus Montazeris Haus: Kritik an Massenhinrichtungen
Teilnehmer der Sitzung waren die hochrangigen Justizbeamten Hossein-Ali Nayyeri vom Schariagericht, Morteza Eshraghi, Staatsanwalt von Teheran, und der spätere Präsident Irans Ebrahim Raisi, damals stellvertretender Generalstaatsanwalt. Der vierte bekannte Teilnehmer der ersten Sitzung, deren Tonaufnahme bereits vor einigen Jahren von Montazeris Büro veröffentlicht wurde, Mostafa Pourmohammadi, Vertreter des Ministeriums für Nachrichtenwesen im Evin-Gefängnis, war diesmal nicht anwesend.
Montazeri äußert in der aufgezeichneten Sitzung deutliche Kritik an den Massenhinrichtungen des Sommers 1988. Er sagt, dass die Bevölkerung „angeekelt“ von der Herrschaft des religiösen Führers (Velayat-e Faqih) sei, und erklärt wörtlich: „Die Velayat-e Faqih war einst mit Popularität und Heiligkeit verbunden… aber nun ist sie den Menschen ekelerregend geworden, die Leute sind verzweifelt.“
Hinweis auf zweiten Tötungsbefehl gegen Linke
Die erste Sitzung hatte sich auf die Exekutionen von Mitgliedern und Unterstützern der Volksmudschahedin (MEK) konzentriert. Das nun veröffentlichte Tonband enthält jedoch erstmals Hinweise auf einen zweiten Befehl Khomeinis, der gezielt auf linke und kommunistische Gefangene abzielte. Montazeri erklärt bei der Sitzung, dass Khomeini nach einem Schreiben von Nayyeri einen weiteren Tötungsbefehl formuliert hatte, um auch politische Gefangene nichtreligiöser Bewegungen zu exekutieren. Dies habe ihm Ali Khamenei, damals Präsident Irans, in einem Gespräch mit Montazeri bestätigt.
Diese zweite Welle von Hinrichtungen begann Menschenrechtsorganisationen zufolge im September 1988, nach der ersten Welle im August, die vor allem MEK-Anhänger betraf.
Die islamische Republik Iran hat offiziell stets nur einen einzigen Befehl Khomeinis zu den Exekutionen der sogenannten „Heuchler“ veröffentlicht. Als „Heuchler“ werden in der Sprache der Islamischen Republik Mitglieder der MEK bezeichnet. Nach Montazeris Aussage existiert ein zweites Dokument, das ausdrücklich die Exekution von linken politischen Gefangenen legitimierte.
Im August und September 1988 wurden Tausende politische Gefangene in Irans Gefängnissen heimlich hingerichtet und in Massengräbern verscharrt. Die genauen Opferzahlen und Details bleiben bis heute im Dunkeln. Fast alle Exekutierten hatten ihre Gefängnisstrafen fast abgesessen und sollten bald freigelassen werden.
Foto: amontazeri.com