Warum Irans Wirtschaftskrise (geo-)politisch ist

Von Mahdi Ghodsi & Ali Fathollah-Nejad

Irans Wirtschaftskrise hat viele Gesichter und Ursachen. Zuletzt hat die COVID-19-Pandemie die ohnehin schwierige ökonomische Lage weiter verschärft. Die Wirtschaftskrise der Islamischen Republik hat in der Tat schwerwiegende politische, aber auch geopolitische Gründe. Vor allem seit dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen (JCPOA) im Mai 2018 zeigt sich deutlich, dass die wirtschaftlichen Probleme des Landes – insbesondere die Abwertung der Währung – in enger wechselseitiger Beziehung allen voran mit wichtigen geopolitischen Ereignissen stehen. Die zu beobachtende hohe Volatilität des Wechselkurses und die Währungsabwertung sind indes Ausdruck einer geschwächten Volkswirtschaft.

Der Wechselkurs eines Landes ist ein Indikator für die Handelsbedingungen (terms of trade) und für seine Wirtschaftsleistung im Weltwirtschaftssystem. Daher kann ein Land mit besseren Handelsbedingungen anspruchsvollere Produkte exportieren und sich dem Weg der nachhaltigen Entwicklung annähern, den viele Schwellen- und Industrieländer eingeschlagen haben.

Einerseits verdeutlicht die enorme Abwertung der iranischen Landeswährung Rial gegenüber anderen Währungen in den vergangenen zehn Jahren die Verschlechterung der Handelsbedingungen Irans gegenüber dem Rest der Welt. Andererseits müsste sich die Handelsbilanz (Exporte minus Importe) infolge der nominellen Abwertung einer Währung verbessern, weil dadurch die iranischen Exportgüter billiger und die Gesamtausfuhren steigen würden. Aufgrund der Abwertung des Rial verteuern sich jedoch die Importgüter Irans, was zu einem Rückgang der Importe führt. Gleichwohl ist Iran auf die Einfuhr vieler hochentwickelter Produkte angewiesen (etwa Medikamente, medizinische Geräte und Maschinen) – und eine Währungsabwertung führt meist zu Preissteigerungen bei der Versorgung mit diesen Produkten.

Darüber hinaus führt die hohe Volatilität des Wechselkurses eines Landes in der Regel zu Instabilität in den Handelsbedingungen. Begleitet von starken Schwankungen wurde der Wechselkurs der iranischen Währung in den vergangenen drei Jahren stetig schwächer (siehe Abb. 1 unten). Dies hat zu einem sog. asymmetrischen Anpassungsschock in der Handelsbilanz geführt, der auf die anhaltenden Abwertungen des Rial und die Probleme bei der Versorgung des iranischen Marktes mit Gütern (Knappheit und höhere Preise) zurückzuführen ist.

Der Rial verlor gegenüber dem US-Dollar (USD) seit Januar 2018 um 450 Prozent an Wert, von 42.880 Rial für 1 USD auf 318.560 Rial am 18. Oktober 2020. Diese Entwicklung ist einer der Hauptindikatoren hinsichtlich der wirtschaftlichen Gesundheit des Landes.

Im Unterschied zu dieser Kursentwicklung an den Devisenmärkten wird der offizielle Kurs, über den größere Importe abgewickelt werden, seit März 2019 bei 42.000 Rial pro USD gehalten. Im März 2018 setzte die erste größere Abwertung des Rial ein – eine Entwicklung, die bis zum Rückzug der USA aus dem JCPOA im Mai desselben Jahres fortdauerte (siehe die orangefarbene vertikale Linie in Abb. 1). Im September 2018 führte die iranische Zentralbank Maßnahmen ein, um mithilfe von Exporteinnahmen unter Verwendung des offiziellen Wechselkurses Devisen für mehr Importe zu erhalten (blaue vertikale Linie in Abb. 1). Dies verhinderte die Abwertung des Rial auf dem zweiten (inoffiziellen) Markt aber nur für einen kurzen Zeitraum. Und so begann eine erneute Phase der Abwertung, bis Teheran am 8. Mai 2019 die Obergrenze seiner Urananreicherung aufhob (braune vertikale Linie in Abb. 1). Danach kam es bis zum 13. November 2019 zu einer leichten Aufwertung des Rial. Am 14. November 2019 kürzte die iranische Regierung die Benzinsubventionen, was massive landesweite Proteste auslöste, die brutal niedergeschlagen wurden. Seitdem verliert der Rial immer weiter an Wert.

Die Rolle der sekundären US-Sanktionen

Diese Abwertung des Rial gegenüber dem USD ist jedoch weder beispiellos noch unerwartet. Iran hat aufgrund der sekundären US-Sanktionen, die vor fast zwei Jahren, im Mai 2018, wieder eingeführt wurden, viel an Exporteinnahmen verloren. Laut der Weltbank wird die iranische Wirtschaft im dritten Jahr der Rezession in Folge um 5,3 Prozent schrumpfen, was hauptsächlich auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Daher wird der Umfang der iranischen Wirtschaft bis Ende 2020 auf weniger als 83 Prozent des Niveaus von 2017 zurückgehen, also noch vor dem Rückzug der USA aus dem JCPOA. Diese sekundären US-Sanktionen bestrafen Firmen aus Drittländern, die Geschäfte und Handel mit Iran betreiben. Die Sanktionen erlauben es Iran also nicht, ohne Schwierigkeiten zu exportieren.

Die US-Politik des „maximalen Drucks“ hat die iranischen Erdölexporte drastisch verringert: Sie fielen von 2,6 Millionen Barrel pro Tag (bpd) im Mai 2018 auf geschätzte 100.000 bis 200.000 bpd für einen Großteil des laufenden Jahres, ehe sie im September wieder anstiegen. Trotz des jüngsten Anstiegs der Exporte fossiler Brennstoffe bleiben die Deviseneinnahmen Irans äußerst angespannt, da es nach wie vor Probleme bei der Rückführung dieser Gelder gibt. Zur Finanzierung seiner eigenen Importe exportiert Iran in zunehmendem Maße Produkte und Erzeugnisse in die Nachbarländer. Aufgrund der Coronapandemie und der Schließung der Grenzen zu den Nachbarländern waren auch diese Exporte begrenzt. So schrumpfen die Währungsreserven Irans aufgrund des Export-Rückgangs, was zu einem erheblichen Handelsdefizit führt. Die Zentralbank und die Regierung, die diese Reserven seit jeher kontrollieren, waren während der vergangenen Jahrzehnte bemüht, den Handelsüberschuss zu halten. Iran hatte jahrzehntelang eine Leistungsbilanzüberschuss erzielt, bis im Jahr 2012 internationale und UN-Sanktionen seinen internationalen Handel lahmlegten. Dieser Überschuss war in Währungsreserven angehäuft worden. Der Zugang zu diesen Reserven wurde jedoch durch internationale Sanktionen im Jahr 2012 und durch sekundäre US-Sanktionen seit 2018 behindert. Iran muss viele Produkte importieren, von primären Viehfutter- und Lebensmittelprodukten bis hin zu technologisch hochentwickelten Produkten wie medizinischen Ausgangsstoffen und fertigen Medikamenten, Elektrogeräten, IKT-Ausrüstung, Maschinen und pharmazeutische Ausrüstung. Angesichts des Mangels an Hart- und Fremdwährung auf dem iranischen Markt gibt es daher einen direkten Druck auf die Nachfrage nach Devisen für die Einfuhr der benötigten Produkte.
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