Warum Irans Wirtschaftskrise (geo-)politisch ist

Was sollte getan werden?

Unter den gegenwärtigen Umständen ist es sehr schwierig, eine angemessene Wirtschaftspolitik zur Lösung der Probleme umzusetzen, da Iran im Rahmen der Sanktionen keinen Zugang zu Währungsreserven und internationalen Finanzmitteln hat. Kurzfristig bestünde die wichtigste Maßnahme darin, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, indem der fiskalische Spielraum genutzt wird, wie es die Regierung auch mit direkten Bargeldauszahlungen und Subventionen in einigen gefährdeten Sektoren tut, was etwa 6 Prozent des iranischen BIP ausmacht.

Die Regierung hat jedoch gravierende Defizite auf der Einnahmenseite und finanziert ihren Haushalt durch Offenmarktgeschäfte,iv da sie keinen internationalen Gläubiger hat, der Infrastruktur-Investitionsprojekte finanziert. Wie bereits erwähnt, führte die Ausgabe von Geld zur Finanzierung des Staatshaushalts zu hoher Inflation und makroökonomischen Instabilitäten sowie zu einer Abwertung des Wechselkurses. Wenn die Regierung ihre Fiskalpolitik weiterhin über die Zentralbank umsetzt, kann das sog. „Helikoptergeld“ die Wirtschaft weiter destabilisieren. Mit anderen Worten, die „Widerstandswirtschaft“ Irans funktioniert möglicherweise nicht mehr, was auch erklären mag, dass das Regime stärker auf Repression setzt, um den nächsten Aufstand abzuwenden.

Dieses Treffen keimte die Hoffnung auf eine Erholung der iranischen Wirtschaft - Irans Außenminister M. Javad Zarif und sein US-amerikanischer Amtskollege John Kerry nach der Einigung im Atomstreit
Irans Regierung hofft auf die Hilfe der Demokraten in den USA – Foto: Irans Außenminister M. Javad Zarif und sein ehemaliger US-amerikanischer Amtskollege John Kerry nach der Einigung im Atomstreit 2015! 

Die Aussichten

Da ein Großteil der derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten Irans eine Folge des Rückzugs der USA aus dem JCPOA und der Wiedereinführung sekundärer US-Sanktionen gegen das Land ist, könnte eine Verringerung der Spannungen im nächsten Jahr mit einer US-Regierung unter Joe Biden Teheran eine Atempause verschaffen. Zumindest bis Biden im Januar nächsten Jahres ins Weiße Haus einzieht, wird die Islamische Republik mit ihrer „Widerstandswirtschaft“, die sehr stark von ihrem geschäftstüchtigen Militärapparat gesteuert wird, Washingtons Politik des „maximalen Drucks“ widerstehen müssen. Ein großer Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten in Iran wird von sehr großen halbstaatlichen Unternehmen – die Wirtschaftsimperien der Bonyads (sog. religiöse Stiftungen) – und der Setad betrieben, deren Leiter vom Obersten Führer ernannt werden. Diese Unternehmen sind in der Regel von Umsatz- oder Mehrwertsteuern befreit, und sie haben mehrere an der Teheraner Börse aktive Holdinggesellschaften, deren Leiter meist ehemalige Kommandeure der Revolutionsgarden sind. Es wird erwartet, dass diese Unternehmen die „Widerstandswirtschaft“ durch die anhaltende Krise steuern, was die Korruption auf den höchsten Machtebenen fördern könnte.

Gleichzeitig hat Teheran seine innere Sicherheit gestärkt, da es befürchtet, dass es eine weitere Welle noch stärkerer Straßenproteste geben könnte. Die Pandemie hat hier als Katalysator gewirkt, denn diejenigen, die arm und arbeitslos waren, haben miterlebt, wie sich ihr Zustand sogar noch verschlechtert hat. Das bringt sie tatsächlich in eine Situation, in der sie das Gefühl haben, nichts mehr zu verlieren zu haben. Die Demonstrant*innen der letzten beiden landesweiten Proteste in Iran stammten zumeist aus ärmeren Schichten der Gesellschaft, und dies ist zu einer der größten Sicherheitsbedrohungen für die Islamische Republik geworden.

Abschließend muss festgestellt werden, dass die Wirtschaftskrise der Islamischen Republik eng und unausweichlich verbunden ist mit der Feindschaft zu den USA. Die zukünftige US-Regierung unter Joe Biden, sofern sie Washington wieder an das Iran-Atomabkommen bindet und Sanktionen abbaut, könnte Teheran einen Ausweg aus dieser wirtschafts- und geopolitischen Sackgasse eröffnen. Angesichts der Komplexität der Lockerung eines sehr umfassenden Sanktionsregimes und einiger Unsicherheiten über die genauen Modalitäten einer Iran-Politik unter Biden besteht für Teheran die beste Lösung natürlich darin, die vier Jahrzehnte währende Feindseligkeit gegenüber Washington zu beenden, damit seine diversifizierte Wirtschaft mit ihrem enormen Potential und seinem Humankapital einen Weg der nachhaltigen Entwicklung einschlagen kann. Doch eine signifikante Überbrückung dieser beidseitigen Feindschaft wird auch im nächsten Jahr eine Schimäre bleiben, so dass mit einer eventuellen Lockerung der US-Sanktionen Irans Wirtschaftskrise bestenfalls gemildert werden kann.♦

Übertragen aus dem Englischen von Christiane Zschunke

  © Iran Journal

Zu den Autoren:

Mahdi Ghodsi: Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Katholischen Universität Mailand und Promotion in internationalen Wirtschaftswissenschaften an der Universität Warschau.

Ali Fathollah-Nejad: Non-Resident Senior Research Fellow, Afro–Middle East Centre (AMEC), Johannesburg. Ehemaliger Iran-Experte bei Brookings Institution in Doha (BDC) und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Promotion in Entwicklungsstudien an der SOAS (School of Oriental and African Studies) University of London. 

Erklärungen und weiterführende Links:

worldbank.org , iaea.org , dw.com , cbi.ir , wsj.com , al-monitor.com