Ausverkauf nationaler Interessen?

Eine geplante Partnerschaft zwischen dem Iran und China soll beide Länder ein Vierteljahrhundert lang strategisch verbinden. Was die Zusammenarbeit genau beinhaltet und ob die hehren Ambitionen erfüllt werden können, ist allerdings unklar. Die Skepsis im Iran ist in fast allen politischen Lagern groß. 

Von Ali Fathollah-Nejad

Noch gibt es viele Unklarheiten über die allerorten diskutierte geplante 25-jährige „umfassende strategische Partnerschaft“, die Teheran und Peking derzeit verhandeln. Fehlende Transparenz über die finalen Einzelheiten dieses immerhin sensible wirtschaftliche, militärische und sicherheitspolitische Bereiche berührende Kooperationsvorhaben hat im Iran bereits zu großem Aufruhr geführt – in der Gesellschaft, aber auch über die politischen Lager hinweg.

So kam heftige Kritik sogar aus dem seit den Wahlen vom Februar 2020 von Hardlinern dominierten Parlament. Das ist umso erstaunlicher, als Revolutionsführer Ali Khamenei der prominenteste Befürworter einer Ost-Ausrichtung der Islamischen Republik ist, deren Kern eine langfristige Partnerschaft strategischer Natur mit China darstellt.

Um die Abgeordneten zu beschwichtigen, wies Außenminister Javad Zarif darauf hin, dass die Vereinbarung auf jeden Fall dem Parlament zur Ratifizierung vorgelegt werde, sobald die Endfassung von beiden Seiten verhandelt worden sei.

In den Medien kursiert ein 18-seitiger Vertragsentwurf des iranischen Außenministeriums vom Juni mit dem Vermerk „finale Version“, der recht allgemein auflistet, wie die Zusammenarbeit erweitert und vertieft werden soll. Laut unbestätigten Angaben soll China während der 25 Jahre Investitionen in Höhe von 800 Milliarden Dollar im Iran tätigen. Damit soll Peking seine ohnehin starke Präsenz im Land anscheinend grenzenlos ausbauen: im Bankensektor, in der Telekommunikationsbranche, bei Häfen und Eisenbahnlinien sowie einem Dutzend weiterer Projekte.

Im Gegenzug soll China ein Vierteljahrhundert lang weiterhin iranisches Öl zu Vorzugspreisen bekommen. Zudem soll die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern vertieft werden; neben gemeinsamen Übungen sollen Rüstungsforschung und der Austausch von Geheimdienstinformationen geplant sein.

Lichtblick aus dem Reich der Mitte

Das schiere Ausmaß der geplanten Zusammenarbeit sowie das jetzige Timing geben eine gewisse Auskunft über mögliche Motive für das Unternehmen in Teheran. Die öffentlichkeitswirksame Verbreitung dieser Nachricht durch die iranische Regierung – nicht aber auf chinesischer Seite – zeigt vor allem eines: Die unter immensem Druck stehende Rohani-Regierung möchte damit den Iranern signalisieren, dass sich ihre wirtschaftliche Lage – stark beeinträchtigt von innenpolitischen Weichenstellungen, US-Sanktionen und der Pandemie – mithilfe Chinas erholen könnte; mit anderen Worten, am Ende eines langen dunklen Tunnels soll der lang ersehnte Lichtblick aus dem Reich der Mitte kommen.

Unter dem Druck der USA zog sich China aus dem gemeinsamen Projekt South-Pars-Gasfeld mit dem Iran zurück!
Unter dem Druck der USA zog sich China aus dem gemeinsamen Projekt South-Pars-Gasfeld mit dem Iran zurück!

Aufgrund des immensen außen- und innenpolitischen Drucks, dem die Islamische Republik ausgesetzt ist, befürchten nicht wenige Iraner einen Ausverkauf des Landes an China. Im Gegenzug könnte das Regime in Teheran dank Chinas wirtschaftlicher, politisch-diplomatischer und sicherheitspolitischer Unterstützung sein Überleben bis auf Weiteres sichern.

Der Iran verhandelt also aus einer Position der Schwäche, was den Chinesen sicherlich nicht entgangen ist. Nebst weiterhin deutlich verbilligten Ölexporten nach China werden iranische Konzessionen u.a. in folgenden Bereichen befürchtet: faktische Kontrolle Chinas über wichtige Seehäfen am Golf von Oman, Etablierung einer chinesischen Militärbasis an der strategisch bedeutsamen Meerenge von Hormus im Persischen Golf und ein privilegierter Zugang Chinas zu iranischen Freihandelszonen.

Im Kern krankt die iranisch-chinesische Liaison allerdings an einer kognitiven Dissonanz zwischen beiden Lagern. Während für Teheran die Relevanz Pekings kaum hoch genug einzuschätzen ist, ist der Iran für China in der Region nur einer von mehreren engen Partnern (vor allem Riad und Abu Dhabi). Zudem stellen für Peking Ausbau und Vertiefung der Beziehungen zu Teheran ein Minenfeld dar, ein Risiko für Chinas viel zentralere Beziehungen zu den USA, Irans Erzfeind.

Verrat am Leitmotiv der Unabhängigkeit?

Im Iran stoßen solche chinesischen Interessen auf breite Ablehnung, zumal es dem Selbstverständnis des Landes aus der Revolution von 1979 entgegensteht, stets seine Unabhängigkeit gegenüber den Großmächten – egal, ob westlich oder östlich – zu bewahren.

Zudem hat China durchaus ein negatives Image im Iran, der sich traditionell eher gen Westen orientiert hat: Seitdem China nach dem unter US-Druck vollzogenen Rückzug Europas aus dem iranischen Markt dort omnipräsent wurde und mit seinen Billigprodukten und den gegenüber dem Westen qualitativ unterlegenen Erzeugnissen der einheimischen Industrie und iranischen Entwicklungszielen schadete, hat die technokratische Klasse eine ablehnende Haltung gegenüber China. Die China-Connection bei der Ausbreitung des Coronavirus im Iran tut ihr Übriges.

Politische Folgen einer engeren Beziehung zu China
Fortsetzung auf Seite 2