Presseaufsichtsrat droht Medienschaffenden mit Peitschenhieben
Der Presseaufsichtsrat der Islamischen Republik Iran hat eine neue Richtlinie veröffentlicht, die strenge Maßnahmen und Sanktionen gegen Medien und Journalist*innen vorsieht, die gegen Vorschriften zur Wahlberichterstattung verstoßen. Die Strafmaßnahmen beinhalten unter anderem Peitschenhiebe für Verstöße gegen manche der Bestimmungen.
In der am Donnerstag, den 6. Juni, veröffentlichten Richtlinie wird betont, dass die Verbreitung von Inhalten, die zu Wahlboykotten oder einer verringerten Wahlbeteiligung aufrufen, sowie Berichte über die Organisation von nicht genehmigten Versammlungen, Streiks und Sit-ins als „kriminelle Inhalte“ betrachtet würden. Zudem dürfen alle visuellen, hörbaren, schriftlichen und elektronischen Medien sowie andere sozialen Netzwerke weder Anzeigen noch Inhalte veröffentlichen, die gegen Präsidentschaftskandidaten gerichtet sind oder den Rückzug von Gruppen oder Personen von bestimmten Kandidaten suggerieren. Bei Verstößen sind die betroffenen Medien verpflichtet, sofort Gegendarstellungen der betroffenen Kandidaten zu veröffentlichen.
Weitere in der Richtlinie genannte Vergehen umfassen das „Erregen öffentlichen Unbehagens, Schwarzmalerei und die Verbreitung falscher Informationen über das Land, das Schüren von Zwietracht zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere durch die Thematisierung ethnischer Unterschiede, die Verbreitung gefälschter Umfrageergebnisse über die Wahl und die Kandidaten“ sowie „die Veröffentlichung oder Werbung für Symbole des Wahlboykotts“. Die Richtlinie verbietet auch die Veröffentlichung jeglicher Inhalte, die „Beleidigungen, Verleumdungen oder die Verbreitung von Lügen über das System, Regierungsorganisationen und Wahlüberwachungsbehörden“ enthalten.
Vage und weit gefasste Begriffe wie „Erregung öffentlichen Unbehagens“ und „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ setzt die Islamische Republik seit Jahren ein, um politische und zivilgesellschaftliche Aktivisten unter Druck zu setzen und sie verhaften und verurteilen zu können. Die Ausweitung dieser Begriffe auf die neue Wahlrichtlinie könnte zu verstärkten juristischen Maßnahmen gegen Äußerungen in sozialen Medien führen.
Die Verordnung sieht vor, dass bei Verstößen gegen diese Bestimmungen die betreffenden Publikationen oder Nachrichtenportale für ein bis drei Monate geschlossen und die Verantwortlichen mit bis zu 74 Peitschenhieben bestraft werden können. Dies gilt auch für die Autoren der entsprechenden Artikel, falls diese identifiziert werden können.
Diese Drohungen gegen Journalist*innen erfolgen, nachdem die Wahlbeteiligung im Iran in den vergangenen Jahren aufgrund der Bemühungen des Regimes, die politische Landschaft zu homogenisieren, sowie der gewaltsamen Unterdrückung von Protesten drastisch zurückgegangen ist. Selbst Reformisten, die traditionell unter allen Umständen an Wahlen teilnahmen, zeigten kaum Interesse an den bevorstehenden Wahlen zum Parlament und zum Expertenrat im vergangenen März.
Weil der frühere Präsident Irans, Ibrahim Raisi, und seine Begleiter am 19. Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kamen, finden vorzeitige Präsidentschaftswahlen statt. Nach Raisis Tod verhaftete die iranische Justiz mehrere Bürger*innen wegen ihrer Reaktionen darauf oder lud sie zu Vernehmungen vor.
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