„Nein zu einem kriegstreibenden Regime“

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Von Esfandiar Tabari

Nach dem Raketenangriff der Islamischen Republik Iran auf Israel hat ein Teil der iranischen Opposition die Kampagne „Nein zum Krieg“ gestartet. Doch die Gefahr eines Krieges gegen die Islamische Republik ist nicht neu und besteht seit ihrer Gründung (1979). Ihre Hauptursache liegt in der kriegstreibenden und expansiven Politik dieses Regimes, insbesondere gegenüber Israel und den USA.

Der Iran-Irak-Krieg dauerte aufgrund der Expansionspolitik des iranischen Regimes acht Jahre (1980 – 1988). Dabei war die Parole des Regimes: „Der Weg zur Befreiung Jerusalems führt durch die irakische Stadt Karbala“.

Wegen des iranischen Atomprogramms und der Sicherheitsbedenken westlicher Staaten, insbesondere der USA und Israels, wurden Wirtschafts- und Militärsanktionen verhängt. Diese Sanktionen erhöhten die Spannungen und brachten die Gefahr eines direkten militärischen Konflikts mit sich.

Die nuklearen Aktivitäten Irans und die internationale Besorgnis über den möglichen Erwerb von Atomwaffen durch die Islamische Republik haben stets zu einer Eskalation der Spannungen und militärischen Drohungen geführt. Dieses Problem erhöhte die Kriegsgefahr, insbesondere in Zeiten, in denen die Atomverhandlungen festgefahren waren.

Andererseits haben Israels Cyberangriffe und Militäreinsätze gegen iranische Nuklear- und Militäranlagen immer Anlass zur Sorge vor einem möglichen Krieg gegeben. Als Erzfeind der Islamischen Republik hat Israel stets versucht, den Einfluss Irans in der Region und die Potenzierung seiner militärischen Fähigkeiten zu verhindern.

Auch Spannungen mit Nachbarländern wie Saudi-Arabien und Stellvertreterkonflikte in Syrien, Jemen und Libanon haben das Risiko militärischer Konflikte erhöht. Als eine der Hauptakteur:innen in diesen Konflikten war die Islamische Republik stets Bedrohungen seitens rivalisierender Länder ausgesetzt.

Aber der wichtigste und entscheidende Punkt ist, dass das Regime der Islamischen Republik wiederholt das Risiko von Krieg und externen Bedrohungen als Instrument zur Rechtfertigung seiner repressiven Innenpolitik genutzt hat. Unter Berufung auf externe Bedrohungen rechtfertigt die iranische Regierung Maßnahmen zur Unterdrückung von oppositionellen Kräften, Menschenrechtsverteidiger:innen und sozialen Aktivist:innen. Sie behauptet, dass diese Unterdrückung notwendig sei, um die nationale Sicherheit aufrechtzuerhalten und ausländischen Feinden entgegenzutreten.

Außerdem versucht das Regime, durch das Aufwerfen der Kriegsgefahr ein Gefühl der Bedrohung und Besorgnis in der Bevölkerung zu erzeugen und auf diese Weise den Zusammenhalt großer Teile der Bevölkerung und der Regierung zu stärken. In der Vergangenheit hat diese Methode gefruchtet und dazu beigetragen, die innere Kritik abzuschwächen. Doch das hat sich geändert, besonders seit dem brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Frau-Leben-Freiheit-Bewegung. Heute begrüßt allem Anschein nach ein beachtlicher Teil der Bevölkerung jeden Angriff, der das Regime schwächen würde.

Das Regime glaubt nach wie vor, dass es Krieg und äußere Bedrohungen als Werkzeuge nutzen kann, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung von den internen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen abzulenken. Es rechtfertigt auch seine Militärausgaben und Waffenprogramme mit der Kriegsgefahr. Darüber hinaus verleiht das Regime seinen Sicherheits- und Militärinstitutionen mit Verweis auf äußere Bedrohungen mehr Macht und erhöht deren Autorität. Die Folge ist die zunehmende Kontrolle und Unterdrückung der Unzufriedenen.

Ein Teil der Opposition ist der Ansicht, dass die Kampagne „Nein zum Krieg“ als ein Versuch zur Friedensförderung angesehen werden kann. Es ist möglich, dass einige Gruppen und politische Aktivist:innen glauben, diese Kampagne als Mittel für positive Veränderungen im Land nutzen zu können. Doch in der Vergangenheit hat es mehrmals derartige Kampagnen gegeben. Und jedes Mal diente die Kampagne den Interessen des Regimes. Auch diesmal wird es nicht anders sein.

Die Kampagne „Nein zum Krieg“ überschattet das Ziel des revolutionären Aufstands mit dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“, dessen Slogan lautete: „Nein zur Islamischen Republik“. Daher sollte eine friedensfördernde Kampagne „Nein zum kriegstreibenden Regime“ heißen.♦

Die persische Fassung dieses Textes ist bei Iran Emrooz veröffentlicht worden.

Dr. Esfandiar Tabari, geboren 1962, ist politischer Aktivist und promovierter Philosoph und Physiker und assoziierter Universitätsforscher an der Universität UMIT in Hall in Tirol. Er wohnt in Tübingen. Seine Forschungsbereiche sind politische Philosophie, Moralphilosophie und Altersphilosophie. Von ihm sind zahlreiche Bücher und Artikeln über Politik, Autonomie, Gerechtigkeit, Digitalisierung, Gerontologie und iranische Philosophie erschienen.