Zwei islamische Staaten und eine kommunistische Macht

Historisch nennen viele Kommentatoren, wie China die Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien vermittelte. Die „postamerikanische“ Zeit in der Region habe begonnen, schrieb die iranische Zeitung Keyhan.

Von Ali Sadrzadeh

Seine Sprache sei wie Beton, seine Augen furchterregend, aus ihm spreche der tiefe Staat, so beschrieb ihn einmal der Spiegel. Gemeint war Hossein Shariatmadari, der Chefredakteur der Teheraner Tageszeitung Keyhan.

Sein Blatt gilt als Chameneis Hauspostille und Shariatmadari als sein Sprachrohr. Sehr direkt und offen sagt er oft das, was Chamenei manchmal verklausuliert formulieren muss. Seit Ali Chamenei Irans Staatsoberhaupt ist, ist Shariatmadari auch Keyhans Chefredakteur. Der 75-Jährige war zuvor beim Geheimdienst tätig, ehemalige politische Gefangene haben ihn als zynischen und grausamen Vernehmer in Erinnerung.

Seine Wortwahl und Polemiken sind zwar kaum erträglich, doch seine Kommentare muss man täglich lesen, um zu wissen, was der harte Kern der Macht dieser „Republik“ gerade tut oder vorhat. Und man stellt oft fest, zu welcher unglaublichen Verwandlung und Mutation die Mächtigen in Teheran fähig sind. Das aktuelle und vielleicht beste Beispiel liefert seit vergangenem Freitag Saudi-Arabien.

Hitler und Milchkuh

Es kann sein, dass ich Saddam irgendwann verzeihe. Die Saudis werde ich aber für immer verdammen“, sagte einmal Republikgründer Ayatollah Ruhollah Chomeini auf dem Höhepunkt des iranisch-irakischen Kriegs. Diese harte Haltung bestimmte vier Dekaden weitgehend die gespannten Beziehungen zwischen Teheran und Riad, von vorübergehenden Entspannungen abgesehen.

Verglichen mit Ali Chamenei war Adolf Hitler ein guter Mann“, sagte Mohammad bin Salman im April 2018 in einem Interview mit dem US-Magazin Politico. „Die Herrschenden in Riad sind dumme Milchkühe der Amerikaner“, erwiderte Chamenei zwei Tage später. Doch das ist eine Geschichte, die seit Freitag keinen Bestand mehr hat. Die einstigen US-Lakaien bzw. „Hunde der Zionisten“ sind für Keyhan und andere Teheraner Propagandisten seit fünf Tagen die „Hüter der heiligen Schreine“, wie sich die Familie Al Saud offiziell nennt.

Im November 2015 haben Regimeanhänger die Botschaft von Saudi Arabien in Teheran gestürmt, was zur Beendigung der diplomatischen Beziehungen beider Länder führte
Im November 2015 haben Regimeanhänger die Botschaft von Saudi Arabien in Teheran gestürmt, was zur Beendigung der diplomatischen Beziehungen beider Länder führte

Eine beispiellose Verwandlung

Diese politische Metamorphose mögen viele eine Fähigkeit zur Realpolitik nennen, doch sie sagt viel aus – über die wahre Schwäche der Islamischen Republik ebenso wie über die Prioritäten Mohammad bin Salmans, des machtagilen Prinzen in Riad. Und, wahrscheinlich noch viel wichtiger, ist das, was iranische und saudische Geheimdienstler am vergangenen Freitag in Peking unterschrieben haben, ein wichtiges Dokument für Chinas geduldige, unbeirrbare und langfristige Strategie im Nahen Osten.

In dem Papier, das im Beisein von Wang Yi, dem wichtigen Architekten der chinesischen Außenpolitik, signiert wurde, verpflichten sich die Mächtigen aus Teheran und Riad unter anderem dazu, ihre Einmischung in innere Angelegenheit des jeweils Anderen zu beenden.

Gute Nachricht für das geplagte Jemen

Das ist zuallererst eine sehr gute Nachricht für die Menschen in Jemen. Nur einen Tag später nahmen in Genf Vertreter der Huthi-Rebellen und der von den Saudis unterstützten Regierung Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch auf. Und am Tag darauf war Hans Grundberg, der UN-Sondergesandte für Jemen, in Teheran, wo der iranische Außenminister ihm versprach, alles für einen Frieden in Jemen tun zu wollen.

Der Krieg in Jemen hat sich für Bin Salman zu einem Fiasko, einem Abenteuersumpf verwandelt, aus dem er so schnell wie möglich herauskommen will. US-Präsident Jo Biden hatte einst die Beendigung dieses Krieges zu einem Ziel seiner Präsidentschaft erklärt – was er nicht schaffte, was aber nun möglicherweise mit Hilfe Chinas erreicht werden kann, obwohl es noch viele Wenns und Abers zu überwinden gilt.

Über Jemen hinaus?
Fortsetzung auf Seite 2