Explosion in Kohlebergwerk: systematisches Versagen bei der Sicherheit der Arbeiter
Die Explosion im Kohlebergwerk von Tabas, bei der 49 Arbeiter starben, ist kein Einzelfall. Systematische Missstände wie Korruption, veraltete Technik und fehlende Sicherheitsvorkehrungen gefährden regelmäßig das Leben der Arbeiter. Trotz Warnungen wurden keine wirksamen Schutzmaßnahmen ergriffen.
Von: Omid Rezaee
Am Samstag, dem 21. September 2024, ereignete sich im Kohlebergwerk Madanjou in Tabas im Osten des Iran eine verheerende Explosion. Dabei starben der mindestens 49 Bergleute. Weitere 17 wurden verletzt. Die Explosion ist nur das jüngste Beispiel einer langen Reihe von Arbeitsunfällen in iranischen Bergwerken. Erste Berichte deuten darauf hin, dass ein Methangasleck in einem der Arbeitsbereiche des privaten Unternehmens die Ursache des Unglücks war. Doch die tieferliegenden Ursachen für solche Katastrophen reichen weit über technische Defizite hinaus.
Schwerwiegende Sicherheitsmängel und strukturelle Korruption
Das Madanjou-Bergwerk gehört zu den größten privat betriebenen Kohlebergwerken im Iran. Laut Saeed Samadi, dem Generalsekretär des Iranischen Kohleverbandes, deuten erste Untersuchungen auf eine Explosion in einem Gasreservoir mit mindestens 50.000 Kubikmetern Methangas hin. Dennoch sei es zu früh, endgültige Schlüsse zu ziehen, so Samadi. Klar ist jedoch, dass das Bergwerk nicht mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet war. Einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur ILNA zufolge fehlte dort ein Methansensor, ein fundamentales Gerät zur Früherkennung von Gaslecks. Dies hatte bereits in der Vergangenheit zu tragischen Unglücken geführt.
Der Vorfall hat die Kritik an den Missständen in der iranischen Bergbauindustrie neu entfacht. Die Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran veröffentlichte eine scharfe Stellungnahme. Die Organisation verurteilte die wiederkehrenden Todesfälle in iranischen Bergwerken als Ergebnis „struktureller Korruption und der systematischen Missachtung grundlegender Arbeitnehmerrechte, einschließlich des Rechts auf Sicherheit am Arbeitsplatz“. Die Organisation betonte, dass solche Vorfälle nicht zufällig seien, sondern direkte Folge von Vernachlässigung und fehlender Verantwortung in einem korrumpierten Wirtschaftssystem.
Ein bekanntes Problem ohne Lösungen
Das Unglück ist kein Einzelfall. Bereits 2017 ereignete sich eine ähnliche Explosion im Yurt-Kohlebergwerk, bei der 42 Arbeiter ums Leben kamen. Seitdem hat sich wenig verbessert. Zwischen 2011 und 2021 gab es in iranischen Bergwerken mehr als 3.000 Unfälle, bei denen rund 13.000 Arbeiter verletzt und über 430 getötet wurden. Diese Zahlen verdeutlichen das anhaltende Versagen der Regierung und des privaten Sektors, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Arbeiter zu ergreifen.
Die Situation in den Bergwerken spiegelt ein breiteres Problem wider, das den gesamten Arbeitsmarkt im Iran betrifft. Im iranischen Kalenderjahr 1402 (März 2023 bis März 2024) verzeichnete die iranische Rechtsmedizin den Tod von mindestens 2.115 Arbeitern durch Arbeitsunfälle – ein Anstieg von 11,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Viele dieser Unfälle ereignen sich in nicht regulierten Arbeitsumgebungen, in denen Arbeiter ohne Arbeitsverträge oder Versicherungsschutz beschäftigt sind.
Veraltete Technologie und mangelnde Aufsicht
Die Verwendung veralteter Technologien sowie mangelnde Sicherheitsinspektionen tragen ebenfalls maßgeblich zu den häufigen Unfällen bei. Laut Mohammad Mojtahedzadeh, dem Vorsitzenden des Iranischen Kohleverbandes, sind die Sicherheitsausrüstungen in vielen iranischen Bergwerken veraltet. „Die Hochphase des iranischen Kohlebergbaus liegt in den 1960er und 1970er Jahren. Seitdem hat sich wenig verändert, und die Situation hat sich seit der Revolution von 1979 noch verschlechtert“, erklärte Mojtahedzadeh im Januar 2018.
Obwohl das iranische Parlament bereits 2020 darauf hinwies, dass der Einsatz moderner Technologien die Sicherheit in den Bergwerken erheblich verbessern könnte, wurde bislang wenig unternommen. Die Regierung hat zwar die Einrichtung von Notfalleinrichtungen in den wichtigsten Bergbauprovinzen vorgeschlagen, doch diese Pläne wurden bisher nicht umgesetzt.
Private Bergwerke und staatliche Verantwortung
Die Privatisierung der Kohlebergwerke in Tabas in den 2010er Jahren, die auf Anweisung des iranischen Führers Ayatollah Ali Khamenei durchgeführt wurde, hat die Situation weiter verschärft. Statt Fortschritte zu bringen, führte die Privatisierung zu einer Zunahme von Korruption und Missmanagement. Große staatliche Unternehmen wurden an regierungsnahe Privatpersonen und Institutionen, einschließlich der Revolutionsgarden, übergeben. Diese Maßnahmen führten zu einem Mangel an Transparenz und Rechenschaftspflicht.
Forderung nach Verantwortung und Reformen
In einer weiteren Stellungnahme fordert das Center for Human Rights in Iran, dass alle Verantwortlichen für das Unglück im Madanjou-Bergwerk zur Rechenschaft gezogen werden. Die Organisation erinnert daran, dass der Iran die ILO-Konvention Nr. 155 über Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz unterzeichnet habe und zudem den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einhalten müsse. Das wiederholte Versagen der Regierung und die unregulierte Profitgier des privaten Sektors müssten ein Ende finden.
Es bleibt abzuwarten, ob die Regierung angesichts dieses jüngsten Unglücks ernsthafte Reformen im Bergbausektor umsetzen wird. Präsident Masoud Pezeshkian hat vor seiner Abreise nach New York zur Teilnahme an der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine „Sonderanweisung“ zur Untersuchung des Vorfalls erlassen. Der iranische Arbeitsminister und der Minister für Industrie, Bergbau und Handel wurden bereits nach Tabas entsandt, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Ob dies zu konkreten Maßnahmen führen wird oder es weiterhin bei bloßen Lippenbekenntnissen bleibt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
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