Staatsausverkauf gegen die Wirtschaftskrise

Keine Erdöleinnahmen, kein Export von Teppichen und Pistazien: Der Iran ist gezwungen, staatseigene Firmen und Aktien zu verkaufen, um die verheerende Wirtschaftskrise zu überwinden. Doch die bisherigen Erfahrungen mit Privatisierungen sind angesichts der Korruption in der Islamischen Republik alles andere als gut.

Von Sepehr Lorestani

Auf Antrag von Präsident Hassan Rouhani hat der geistliche Führer der Islamischen Republik Iran, Ayatollah Ali Khamenei, Ende April der Freistellung der Edalat-Aktien (deutsch: Gerechtigkeit-Aktien) zugestimmt. Die Idee für die Schaffung dieser als Hilfeleistung vorgesehenen Aktien hatte die Regierung des früheren iranischen Regierungschefs Mahmud Ahmadinedschad. Anteile an staatseigenen Firmen wurden dabei zu günstigen Konditionen an bedürftige Menschen verkauft. Jede dieser Aktien hatte angeblich einen Wert von einer Million Toman und wurde den Käufern für die Hälfte überlassen. Sie sollten den Preis längerfristig mit den Gewinnen der Aktien begleichen.

Den Besitzern war nicht erlaubt, mit den Aktien zu handeln. Zur Verwaltung der Gewinne und Verluste wurden spezielle Kooperativen gegründet. Der Gewinn jeder Aktie soll nach Angaben der Regierung im vergangenen iranischen Jahr (bis 21. März 2020 ) bei 205.000 Toman gelegen haben – heute etwa 11 Euro.

Nun sollen die Aktien ganz in den Besitz ihrer Inhaber übergehen. Wegen der rasant steigenden Teuerungsrate der vergangenen Jahre wurde der jetzige Aktienwert mit 17 Millionen Toman festgelegt.

Laut Ali Akbar Karimi, Mitglied des Wirtschaftsausschusses des iranischen Parlaments, sind etwa 40 Millionen Menschen im Besitz von Edalat-Aktien. Der Wert der gesamten Aktien betrage mindestens 200 Billionen Toman (etwa 12 Milliarden Euro), so Karimi.

Sollten die Besitzer ihre Aktien verkaufen, würde das den Investitionsmarkt des Landes kurzfristig aufblühen lassen, so der Parlamentarier.

Da die Aktien bisher für die Ärmsten kaum finanzielle Vorteile hatten, wurden sie für Medien und Satiriker im Iran zum Gegenstand der Satire: hier ein Video, das auf dem Teheraner Videoportal aparat.com veröffentlicht wurde:

Die Aktien von Shesta

Am 18. April hatte die Regierung mit Zustimmung des Staatsoberhauptes Khamenei bereits einen Teil der sogenannten Shesta-Aktien zur Privatisierung freigegeben. Das sind Aktien der Investitionsfirma des staatlichen Wohlfahrtsverbands Tamin Ejtemai. Von den acht Milliarden Aktien sind 6,7 Milliarden für den Verkauf an Privatinvestoren vorgesehen.

Shesta umfasst 187 Management-Firmen, die sich unter anderem mit Schiffstransporten und Investitionen in der Öl-, Gas-, Pharma- und Chemieindustrie befassen. Das Gesamtvermögen der Shasta-Unternehmen wurde am 21. März auf mehr als 20,3 Billionen Toman (1,2 Milliarden Euro) geschätzt.

Laut der Wirtschaftszeitung Donyaye Eghtesad (Welt der Wirtschaft) hat die Regierung vor, den Iraner*innen Aktien im Wert von rund zwei Millionen Toman pro Person zum Verkauf anzubieten. Der Zeitung zufolge plant die Regierung zudem, weitere staatliche Unternehmen an die Börse zu bringen. Dies bestätigte auch Wirtschaftsminister Farhad Dejpasand.

Lösen die Maßnahmen die Wirtschaftsprobleme?
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