Khameneis jüngstes Verbot schadet der Bevölkerung
Nach dem Importverbot westlicher Corona-Impfstoffe, das Zehntausende Iraner*innen das Leben kostete, hat das Oberhaupt der Islamischen Republik nun den Import von Haushaltsgeräten aus Südkorea verboten. Beobachter sehen darin eine Abrechnung mit Südkorea. Mit den negativen Folgen werden die Menschen im Iran leben müssen.
Von Mina Tehrani
Präsident Ibrahim Raissi handelte nach dem Willen des religiösen Oberhaupts des Iran, Ali Khamenei, als er Anfang September den Industrie- und den Wirtschaftsminister aufforderte, die Einfuhr von Haushaltsgeräten einzustellen. Das Verbot wurde damit begründet, dass der Import von Haushaltsgeräten zweier südkoreanischer Marken die Entwicklung der einheimischen Industrie behindere. Laut iranischen Medien handelt es sich um die Unternehmen LG und Samsung, die sich 2019 im Zuge des „maximalen Drucks“ der US-Regierung auf den Iran aus dem iranischen Markt zurückgezogen hatten.
Politische Beobachter und Wirtschaftsexperten haben allerdings Zweifel an der offiziellen Begründung des Importverbots: Es handele sich statt dessen um eine „Strafmaßnahme“ gegen Südkorea, weil Seoul den Willen der USA bedingungslos umgesetzt habe. Zudem sei der Import von ausländischen Haushaltsgeräten seit langem verboten, es habe dafür keiner neuen Anordnung bedurft.
Wochen zuvor hatte der stellvertretende Industrieminister Mehdi Sadeghi Niaraki angekündigt, dass das Einfuhrverbot für Haushaltsgeräte bis Ende des laufenden Jahres andauern werde.
Was sagen Brancheninsider?
Bei einer digitalen Diskussionsrunde im audiobasierten sozialen Netzwerk Clubhouse, die Ende September von der iranischen Zeitung Eghtesad Online initiiert wurde, betonten die Teilnehmer, überwiegend Vertreter der inländischen Haushaltsgerätehersteller, dass die US-Sanktionen die Preise der einheimischen Geräte in die Höhe getrieben hätten. Durch die Verringerung der Preisunterschiede zwischen in- und ausländischen Waren neigten die Kund*innen zum Kauf ausländischer Marken.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Iraner*innen westliche oder südostasiatische Produkte gegenüber einheimischen bevorzugen. Einige Teilnehmer der Clubhouse-Runde kritisierten sogar indirekt die regionale und globale Politik der Islamischen Republik, die die Sanktionen herbeigeführt habe.
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Iranische Unternehmen wünschten sich eine „gesunde Atmosphäre“, in der sie mit ausländischen Wettbewerbern konkurrieren könnten, erklärte Reza Shahidi, der Verbandssekretär der Hersteller von Audio- und Videoprodukten. „Wir wollen keine andere Unterstützung des Staates“, fügte er hinzu. Der Sekretär des Herstellerverbands von Haushaltsgeräten, Abbas Hashemi, plädierte für eine konstruktive Interaktion mit der Welt, die auf die Entwicklung nationaler Produktion abziele. Der Iran müsse sich um die Aufhebung der Sanktionen kümmern, sagte Hashemi. Sonst würden die Ziele im Bereich einheimischer Produktion nicht erreicht werden und iranische Gelder im Ausland weiterhin blockiert bleiben.
Wegen der US-Sanktionen sind iranische Gelder in Höhe von mehreren Milliarden Euro bei ausländischen Banken eingefroren.
Morssal Sadiq, Verbandschef der Zulieferer der Haushaltsindustrie, verteidigte die Qualität der im Inland produzierten Geräte und räumte zugleich technologische Mängel der iranischen Produkte ein. Diese seien den Sanktionen geschuldet. Seit 40 Jahren dürfen sanktionsbedingt die meisten Industriebereiche des Iran keine Maschinen oder Ersatzteile aus Industrieländern mehr einführen. Hohe Kreditzinsen und Inflationsraten belasten nach Sadiqs Einschätzung die Branche zusätzlich.
Verminderte Kaufkraft und Schmuggel
Einig waren sich die meisten Teilnehmer der Clubhouse-Runde über die Konsequenzen des flutartigen Schmuggels in den Iran. Laut dem Verbandssprecher der Hersteller von Haushaltsgeräten, Hamidreza Ghaznavi, macht die Schmuggelware bis zu 50 Prozent des Marktbestandes der Branche aus.
Das Importverbot habe das Einschmuggeln von Haushaltsgeräten weiter beflügelt, zitierte die Nachrichtenagentur ILNA den Vizepräsidenten des Herstellerverbandes der Haushaltsgeräte, Mohammad Hossein Islamian, am 15. September. Ihm zufolge gibt es kaum Nachfrage, die Situation verschlimmere sich von Tag zu Tag. Als wichtigsten Auslöser sieht Islamian die sinkende Kaufkraft.
Alireza Mohammadi Daniali, Präsident des iranischen Industrieverbandes der Haushaltsgerätehersteller, hatte bereits im August angedeutet, dass die großen Schlupflöcher für Schmuggelwaren identifiziert und gestopft werden sollten.
Im Hinblick auf die enormen Mengen an Schmuggelware auf dem iranischen Markt vermuten Kritiker groß organisiertes Schmuggeln, das ohne Hilfe der Sicherheitskräfte und anderer Behörden unmöglich wäre. Die iranischen Revolutionsgarden, die einen Großteil der iranischen Wirtschaft und Produktion kontrollieren, stehen seit Langem im Verdacht, am Schmuggelgeschäft kräftig mitzuverdienen. Der damalige Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat 2011 bei einer Konferenz zu Präventionsmaßnahmen gegen Schmuggel von „unseren Schmugglerbrüdern“ gesprochen, die dafür sogar eigene Häfen gebaut hätten. Diese Andeutung wurde damals als klare Anschuldigung der Revolutionsgarden bewertet.
Politische Differenzen
Mit Hinweis auf die oben genannten Gründe betonen politische Beobachter und Wirtschaftsexperten, dass Khameneis Befehl zur Unterbindung der Importe aus Südkorea weder der einheimischen Industrie noch der Bevölkerung diene. Eine Recherche der Nachrichtenagentur Anadolu in Teheran Anfang Oktober zeigt, dass auch die Händler mit dieser Maßnahme unzufrieden sind. Denn sie treibe die Preise der Haushaltsgeräte weiter in die Höhe und die Nachfrage werde so noch mehr nachlassen.
Khamenei ist bekannt dafür, dass er in jeder Situation Stärke zeigen will und dafür auch irreparable Schäden an der eigenen Bevölkerung in Kauf nimmt. Im vergangenen Jahr hatte er aufgrund politischer und ideologischer Differenzen mit den USA und Großbritannien ein Verbot des Imports von Covid-19-Impfstoffen aus beiden Ländern erlassen. Zudem redete er das Ausmaß der Pandemie klein und empfahl, mit Gebeten dagegen zu kämpfen. Nach dem exponentiellen Anstieg der Opferzahlen stufte er die Pandemie dann jedoch als „höchste Priorität der Regierung“ ein und forderte die Einfuhr von mehr Impfstoffen. Seine Entscheidung führte zum Tod von Zehntausenden Menschen.
Jetzt hat Khamenei wieder ein Einfuhrverbot ausgesprochen, das weder Experten noch Händler befürworten. Der Grund kann allein die politische Auseinandersetzung mit Südkorea sein. Nachdem die USA unter Präsident Donald Trump 2015 das Wiener Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt und die so genannte Politik des maximalen Drucks gegen den Iran angewandt hatten, minimierte Seoul erst die wirtschaftlichen Beziehungen zu Teheran und brach sie dann in vielen Bereichen ganz ab.
Die Spannungen zwischen den beiden Ländern sind im vergangenen Jahr aufgrund blockierter Gelder aus den iranischen Ölverkäufen noch gestiegen. Die Beschlagnahmung eines südkoreanischen Tankers durch die Revolutionsgarden im Persischen Golf im Januar heizte die Situation weiter an. Offiziellen Angaben zufolge sind zwischen sechs und neun Milliarden US-Dollar aus Öleinnahmen des Iran in Südkorea durch die US-Sanktionen blockiert.
Es bleibt abzuwarten, ob und wann Ali Khamenei die Schäden seiner Anordnung zum Importverbot für südkoreanische Waren wahrnehmen und seine Position ändern wird.♦
© Iran Journal
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