Die Sehnsucht nach dem alten König
Monarchisten und Konstitutionalisten
Ein Teil der Monarchist*innen im Iran ist stolz auf diese Zeit und möchte dahin zurück. Ein anderer Teil, die „Konstitutionalisten“, träumt von einer Monarchie westeuropäischer oder japanischer Prägung – ein alter Traum vieler Iraner*innen.
1905 fand im Iran die konstitutionelle Revolution statt. Die Revolutionäre kopierten Teile der belgischen Verfassung und mischten sie mit Vorschriften der Scharia, um die Alleinherrschaft des Schahs zu relativieren. Doch das blieb nur ein Wunsch, denn ein Teil der einflussreichen Geistlichkeit stellte sich gegen die Verfassung: Sie erschien ihnen nicht islamisch genug. Und die Armee putschte mit Unterstützung der Briten und Amerikaner zwei Mal für mehr Macht der Könige und gegen die Verfassung.
Die heutigen „Konstitutionalisten“ nennen sich Demokraten, kämpfen aber genau wie die anderen Monarchisten für die Rückkehr Reza Pahlavis, des Sohnes des letzten Schahs, an die Macht. Eine Monarchie als Alternative zur Islamischen Republik ohne den in den USA lebenden Reza Pahlavi als König ist undenkbar. Er ist der legitime Thronerbe seines Vaters Mohammad Reza Schah.
Der einstige Kronprinz würde mit überwältigender Mehrheit gewinnen, wären morgen freie Wahlen im Iran erlaubt – darin sind sich alle unabhängigen politischen Beobachter*innen einig. Jedoch nicht, weil er die besten Pläne für die Zukunft des Iran hätte. Denn eigentlich hat er gar keinen konkreten Plan. Er will nach eigenen Angaben eine zukunftsorientierte Demokratie, die Trennung von Staat und Religion, gleiche Rechte für alle auf der Basis der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, friedliche Koexistenz mit der Welt und eine blühende Wirtschaft – kurz, er will all das, was in den Programmen aller Oppositionsgruppen steht.
Zufrieden auch mit einem Präsidentenposten
Doch der Weg dahin ist äußerst steinig, ja, in den Augen der Pessimist*innen sogar unpassierbar. Was geschehen müsste, damit der Wunsch nach freien Wahlen in Erfüllung geht, dafür hat auch Reza Pahlavi kein Rezept. Er wiederholt stets, er wolle nicht um jeden Preis regieren. Die Bevölkerung solle durch eine freie und faire Wahl entscheiden, ob er König werden darf. Sollte sie sich statt für die Monarchie für eine laizistische Republik entscheiden, wäre er bereit, als Präsident des Landes zu agieren.
Es klingt ganz so, als warte Reza Pahlavi darauf, dass das Volk sich des islamischen Regimes entledigt und ihn zum König wählt – oder zum Präsidenten. Diese unrealistische Vorstellung einer Machtübernahme bereitet vielen Monarchist*innen Kopfschmerzen und ist zudem Futter für harsche Kritik seitens anderer oppositioneller Gruppierungen.
Reza Pahlavi ärgert konservative Monarchisten zudem durch sein öffentliches Auftreten. Der 61-Jährige erweckt den Eindruck, bürgernah zu sein, hat einen betont freundlichen Umgang mit Journalist*innen, gewährt Einblicke in sein Privatleben und gibt etwa zu, dass er schnarcht; er macht vor laufender Kamera mit Hilfe eines Kopfstandhockers einen Schulterstand, ja, er umarmt und küsst sogar seine Frau – letzteres würde ein seriöser iranischer Politiker in der Öffentlichkeit niemals tun.
Dieses „eines Königs unwürdige“ Verhalten gefällt einem Teil seiner Anhängerschaft nicht. Doch gerade damit punktet er im Gegensatz zur „seriösen“ Opposition bei der städtischen Bevölkerung des Iran. Man mag über seinen politischen Scharfsinn und seine Kompetenz für die Führung einer Nation von 85 Millionen Menschen unterschiedlicher Meinung sein. Aber dass er die Herzen der meisten iranischen Jugendlichen erobert hat, ist unbestritten.
Organisationen der Pahlavi-Anhänger*innen
Die Monarchist*innen bilden wie die linken und liberalen Kräfte in der politischen Landschaft des Iran keine Einheit. Sie sind in mehrere Parteien und Organisationen zersplittert. Zu den aktivsten darunter gehören Farashgard und die „Konstitutionelle Partei Irans – liberaldemokratisch“ (letztere stellt das Iran Journal in einem gesonderten Beitrag vor – die Red.).
Farashgard bezeichnet sich als politisches Netzwerk, dessen Ziel der Sturz der Islamischen Republik ist. Nach deren Abschaffung soll Reza Pahlavi die zentrale Rolle bei der Bildung des alternativen Systems spielen. Der künftige Staat soll demokratisch sein und auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und ihrer Konventionen und Verträge basieren. Das Netzwerk hat keine pyramidenförmige Struktur, keinen Generalsekretär, Leiter, Sprecher oder Vorsitzenden.
Farashgard gehört zu den wenigen oppositionellen Gruppierungen, denen enge Kontakte zur US-Regierung nachgesagt werden. Sie sind mit dem Weißen Haus verbunden und gehören angeblich zu den Beratern der US-Regierung bei Sanktionen gegen den Iran.
Eine monarchistische Revolution gegen das revolutionäre Regime?
Wie der Iran in den nächsten Monaten und Jahren aussehen wird, kann niemand vorhersagen. Was man aber mit Sicherheit sagen kann: Die Mehrheit der Bevölkerung ist einer gewaltsamen Revolution überdrüssig. Das zeigten bereits die Massendemonstrationen der sogenannten Grünen Bewegung im Jahr 2009. Sie fanden anfangs friedlich, zum Teil sogar als Schweigemärsche statt – um jeder Möglichkeit zur Provokation durch die Schlägertrupps des Regimes vorzubeugen. Doch mit dem Eingreifen der Sicherheitskräfte mündeten sie in ein Chaos.
Die Befreiung von Tyrannei kann nur durch eine Revolution, durch militärische Intervention von außen oder zivilen Ungehorsam erreicht werden. Die Mehrheit der Iraner*innen ist für die letzte Option. Doch das Regime hat sich bisher um diese Art des Protestes nicht geschert. Solange China und Russland und deren Vasallen innerhalb und außerhalb des Iran die Islamisten in Teheran unterstützen, wird das reaktionäre Regime immer wieder Wege finden, Krisen zu überwinden – ob mit oder ohne Gewalt. Und die beiden genannten Länder werden den Iran weiterhin in ihrem Machtpoker gegen die USA als Joker gebrauchen.
Washington wiederum unterstützt bestimmte iranische Oppositionsgruppen – darunter die Monarchisten -, um sie als Joker in seiner Auseinandersetzung mit der Islamischen Republik zu nutzen.
Kein aus einer Revolution entstandenes System in der Welt hat bisher einer Monarchie Platz gemacht – abgesehen von einer kurzen Zeit in Frankreich. Ob dies den iranischen Monarchisten gelingt oder nicht, ist von den Ereignissen in der Region und dem Rest der Welt abhängig. Wer hätte 1977 gedacht, dass das Pahlavi-Regime innerhalb von zwei Jahren gestürzt und einem islamischen Regime Platz machen würde? Oder noch aktueller: Niemand hat damit gerechnet, dass die Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernehmen würden oder arabische Staaten sich mit Israel versöhnen.
Die USA haben 1979 unter dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter den letzten Schah – ihren engsten Freund in der islamischen Welt – fallen lassen, sobald seine Macht im Iran geschwächt war. Er hat nicht einmal in den USA Asyl bekommen und starb im ägyptischen Exil. Danach haben die Islamist*innen den antiamerikanischen Hass in der Region geschürt. Donald Trump hatte dies als Erniedrigung der Großmacht USA bezeichnet und es den Demokraten zugeschrieben. Seine Regierung hatte gute Kontakte zu Teilen der Monarchisten. Es ist nur verständlich, dass diese auf die Wiederwahl Trumps oder die Wahl eines ähnlichen US-Politikers in drei Jahren hoffen. Dann hätten sie im Falle eines Zusammenbruchs der Islamischen Republik gute Chancen, mit Hilfe der USA und ihrer Gallionsfigur Reza Pahlavi an die Macht zu kommen.♦
Übertragen aus dem Persischen von Farhad Payar
*Farid Fatemi ist ein Pseudonym. Der Politologe und Publizist schreibt unter verschiedenen Namen für persischsprachige und internationale Medien.
Hier finden Sie das gesamte Dossier „Alternativen zur Islamischen Republik im Iran“.