Nationale Front: Mossadeghs politische Erben

Die Nationale Front (INF) ist die älteste demokratische Organisation des Iran. Sie hat die Geschicke des Landes nachhaltig mitgeprägt. Mit dem Putsch von 1953 sollte sie aus der politischen Landschaft des Iran verschwinden. Doch sie existiert noch heute. Homayoun Mehmaneche ist Vorstandsmitglied der INF im Ausland und stellt die Organisation im Rahmen eines Dossiers von Iran Journal mit dem Titel „Alternativen zur Islamischen Republik im Iran“ vor.

Die konstitutionelle Revolution von 1905 brachte dem Iran eine Verfassung, die die Macht des Königs einschränkte und den Bürger:innen Rechte und Freiheiten zuerkannte. In der Folgezeit putschten die Könige und die, die es werden wollten, dreimal, um diese Verfassung außer Kraft zu setzen: 1908 ließ Mohammad Ali Schah aus der Qajar-Dynastie das Parlamentsgebäude mit Kanonen beschießen. Sein Versuch, die alten Verhältnisse wiederherzustellen, scheiterte jedoch am Widerstand der Freiheitsarmeen aus verschiedenen Landesteilen des Iran. Reza Khan, der später König wurde, putschte 1921 mit Unterstützung der Briten. Sein Sohn Mohammad Reza Schah putschte 1953 mit Hilfe der USA und Großbritanniens.

Reza Schah Pahlavi regierte bis 1941. Ihm folgte sein Sohn Mohammad Reza auf den Thron, der bis 1979 im Amt war.

Die Gründung von INF

Zwischen der Abdankung von Reza Schah im Jahr 1941 und dem Putsch von 1953 erlebten die Iraner:innen eine Brise der Freiheit. 1949 wurde die Iran National Front (INF, persisch: Jebhe Melli) von Mohammad Mossadegh und weiteren namhaften politischen Persönlichkeiten des Iran gegründet. Die meisten INF-Mitglieder kamen aus der Mittelschicht; sie waren Journalist:innen, Rechtsanwält:innen, Kaufleute, Arbeiter:innen, Studierende und Ingenieur:innen. Sie setzten von Anfang an auf einen gewaltlosen Kampf in politischen Auseinandersetzungen. Sie forderten Demokratie sowie alle in der Verfassung garantierten Rechte und Freiheiten.

Regierungsbeteiligung der INF

1951 wurde Mossadegh vom iranischen Parlament zum Ministerpräsidenten gewählt. Er nahm das Amt unter der Bedingung an, dass das Gesetz zur Verstaatlichung der iranischen Erdölindustrie verabschiedet werden würde, was dann auch geschah. Mossadegh war ein demokratischer Patriot und setzte sich für die Einhaltung der Verfassung ein. Dementsprechend wollte er die Rolle des Königs auf die eines Monarchen mit rein repräsentativen Aufgaben beschränken.

Mohammed Mossadegh trieb während seiner Regierungszeit die Durchführung des Gesetzes zur Verstaatlichung der iranischen Erdölindustrie weiter voran – entgegen der Interessen der internationalen Ölkonzerne, allen voran Großbritanniens und der USA. Deshalb organisierten die Geheimdienste MI6 und CIA 1953 einen Putsch gegen Mossadegh, in Kooperation mit dem Hof des Schahs und reaktionären Geistlichen. Dieser brachte eine demokratisch gewählte Regierung zu Fall.

Die iranische Armee putschte im August 1953 gegen den demokratischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh
Die CIA plante einen Putsch im Iran und stürzte im August 1953 die Regierung des demokratischen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh

Anfang 1979 übernahm mit Schapour Bakhtiar eine weitere Persönlichkeit der INF das Amt des Ministerpräsidenten, um die Machtübernahme von Ayatollah Ruhollah Khomeini zu verhindern. Bakhtiars Vorstoß misslang, da auch Teile der INF ihn wegen ihres Misstrauens gegenüber Mohammad Reza Schah nicht unterstützten. Seine Regierung blieb nur 37 Tage im Amt und wurde durch die Revolution vom Februar 1979 gestürzt.

Die Islamische Republik

Seit der Machtübernahme Khomeinis vor 43 Jahren wird der Iran von einer religiösen Diktatur beherrscht. Die Islamische Republik hat der iranischen Gesellschaft in dieser Zeit mit aller Gewalt Normen aus der Zeit des Propheten Mohammed vor 1400 Jahren aufgezwungen, vor allem in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Recht – und mit verheerenden Folgen für die Iraner:innen und den Iran. Das Regime und seine Verantwortlichen treten als Vormund der Bevölkerung auf. Die iranische Wirtschaft ist ruiniert, und mit der Scharia sind alle Bürger:innen, vor allem aber Frauen, entrechtet. Das Leben der Iraner:innen wurde immer weiter erschwert und zudem große Umweltschäden verursacht, die zum Teil irreparabel sind. Obwohl der Iran reich an Bodenschätzen, Kulturstätten und menschlichem Kapital ist, leben inzwischen mehr als 60 Prozent der Iraner:innen unter der Armutsgrenze. Sie sind auf staatliche Hilfen angewiesen – die der Staat allerdings nicht leisten kann. Etwa acht Millionen Menschen haben seit der Revolution das Land verlassen.

Die islamische Republik schließt langjährig bindende und hauptsächlich für die Gegenseite vorteilhafte Verträge, insbesondere mit China und Russland, um sowohl finanzielle Quellen zu erschließen als auch sich ihre Unterstützung in international Gremien zu erkaufen. Die Lage des Regimes ist aber so prekär, dass selbst diese Länder sich scheuen, die Verträge voll umzusetzen.

Heute protestieren immer wieder Frauen, Arbeiter:innen, Bauern, Lehrer:innen, Eltern, Studierende, Rentner:innen, Ärzt:innen, Krankenpflegende, Rechtsanwält:innen und weitere Gruppen der Zivilgesellschaft gegen die wirtschaftlichen und politischen Missstände im Land. Die letzten landesweiten Proteste fanden im November 2019 gegen die Erhöhung der Benzinpreise statt. Dabei töteten die Schergen des Regimes laut Nachrichtenagenturen bis zu 1.500 Menschen, mehrere Tausend wurden verletzt und über 7.000 inhaftiert. Die Gefangenen wurden gefoltert und von den so genannten Revolutionsgerichten zu langjährigen Haftstrafen, einige sogar zum Tode verurteilt. Ende November 2021 schossen die Gardisten während einer Protestaktion von Bauern in Isfahan mit Bleikugeln auf die Demonstranten. Unzählige wurden verletzt, 40 Menschen erblindeten

Die Doktrin des Regimes, den Islam in andere Länder zu exportieren, hat zu Reaktionen etlicher Staaten inner- und außerhalb der Region geführt und treibt den Iran immer weiter in die Isolation. Abgesehen von den USA und Israel, die vom Regime als Erzfeinde deklariert werden, gibt es mit fast allen Ländern der Region, insbesondere Saudi-Arabien, vermehrt Spannungen. Die Stellvertreterkriege im Irak, im Libanon und Jemen sowie in Syrien verursachen leere Kassen und steigern die Armut und Instabilität in den Ländern des Nahen Ostens.
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