Schahs Sohn als Staatspräsident?

Eine Umfrage belegt: Die politische Basis für eine Islamische Republik im Iran schwindet. Und ein überraschenderes Ergebnis gibt es auch: Besonders hohe Zustimmung als “politische Persönlichkeit” in einem künftigen Iran findet der Kronprinz der Familie Pahlavi – der Sohn des einstigen Schahs.
Von Mehran Barati
Den aktuellen politischen Seelenzustand der iranischen Bevölkerung zu erkunden – das hatte der aus dem Iran stammende Forscher Ammar Maleki, Dozent an der niederländischen Universität Tilburg, sich zum Ziel gesetzt. Eine Woche lang, vom 23. bis zum 30. April 2018, befragte der Wissenschaftler über soziale Medien Iraner und Iranerinnen dazu, wie diese sich die politische Zukunft des Iran wünschen. Zielgruppe waren die 75 Prozent der iranischen Wahlberechtigten, die bei den letzten Präsidentschaftswahlen den Konservativen ihre Stimme verweigerten – oder gar nicht erst an der Wahl teilgenommen haben.
Die sozialen Medien wurden als Kommunikationsmittel ausgewählt, weil 57 der insgesamt gut 80 Millionen IranerInnen fleißige Internetnutzer sind. Mehr als 41 Millionen nutzen das Netz über ihr Mobilgerät, 40 Millionen Frauen und Männer sind „Telegram-Kommunikatoren“. Durchgeführt wurde die Begragung über die Netzwerke Telegram, Twitter, Instagram und Facebook. Als Stichprobenverfahren nutzte man das „virtuelle Schneeballverfahren“ (virtual snowball sampling). Zur Zeit der Untersuchung war der Messengerdienst Telegram noch nicht gefiltert. Aus dem Iran nahmen 15.792 Menschen aus 31 Provinzen an der anonymen Befragung teil, dazu 2.267 ExiliranerInnen aus 69 Ländern.
Deutliches Nein zur Islamischen Republik
Auf die Frage, ob sie das aktuelle Regierungssystem noch wollen, antworteten 69,2 Prozent der TeilnehmerInnen mit Nein. “Ich weiß nicht”, sagten 28 Prozent der Befragten, 2,2, Prozent stimmten mit Ja für die Islamische Republik.

  • Nein zur Islamischen Republik 69,2%
  • Ja zur Islamische Republik 2,2%
  • Weiß nicht 28%

 
Die Antworten auf die Frage, welchen politischen Strömungen sich die Befragten selbst nahe sehen, machen deutlich, dass die Mehrheit derer, die bei den Wahlen die „Reformisten“ bzw. Rouhani gewählt haben, eher den Sturz des Regimes will.
Die Antworten:

  • 37,8%  Umstürzler, Umsturz als Voraussetzung von Veränderungen
  • 30,6%  Evolutionär, strukturelle Veränderungen, z.B. Referendum
  • 3,6%    Reformisten, oberste Priorität Erhaltung des Systems
  • 28%     unbekannt (Super-Konservative, halten ihre Meinung zurück)

 

Seit Anfang August nehmen die Proteste gegen die Wirtschaftsmisere und das Regime in unterschiedlichen iranischen Städten zu
Bei den neuerlichen landesweiten Demonstrationen skandierten die Protestierenden auch Parolen gegen den Revolutionsführer Ali Khamenei und das islamische Regime

 
Die Tatsache, dass weniger als 4 Prozent der Befragten Reformen innerhalb des Systems als möglich ansehen, ist ein unbestreitbares Indiz für die verschwundene politische Basis für eine Islamische Republik Iran.
Bei der Frage nach dem erwünschten politischen System für den Iran hatte keine der zur Auswahl gestellten Möglichkeiten eine absolute Mehrheit – wenn es auch einen klaren Spitzenplatz gibt:

  • Verschiedene Formen einer säkularen Republik 42%
  • Parlamentarisch-säkulare Monarchie 14,6%
  • Islamische Republik 0,5%
  • Kenne mich nicht aus 15%
  • Nicht geantwortet 28%

 
Und bei der Frage nach der Zustimmung für konkurrierende Parteien sprechen die Ergebnisse für den Wunsch nach einer pluralistischen Gesellschaft, in der keine Partei und keine Ideologie dominierend ist:

  • Parlamentarische demokratische Monarchie 20,1%
  • Sozialdemokratische Partei 16,3%
  • Nationale Front 8,3%
  • Islamisch-reformistische Partei  7,5%
  • Sozialliberale Partei 4,9%
  • Rechtsliberale Partei
  • Nationalreligiöse Partei 2,5%
  • Anhänger ethnischer Strömungen 2,2%
  • Linksmarxistische Partei
  • Partei der iranischen Volksmojahedin 0,5%
  • Andere 5,9%
  • Unklare Antworten 28%

 
Interessanterweise ist die Zustimmung für eine monarchistische Partei unter den IranerInnen im Ausland um 10 Prozent geringer als im Iran selbst. Auch eine islamisch-reformistische Partei hat im Ausland 6 Prozent weniger AnhängerInnen als im Iran. Auf der anderen Seite haben die Sozialdemokratische und Sozialliberale Partei mit jeweils 12 und 8 Prozent mehr Anhänger unter den AuslandsiranerInnen.
Auf die Frage nach der zukünftige Machtstruktur des Landes hatte fast ein Drittel der Befragten keine Vorstellung.
Die Präferenzen lauteten:

  • Föderale politische Struktur 25%
  • Zentralisierte Machtstruktur 14,1%
  • Kein Wissen über mögliche Antworten  32,8%
  • Unklare Antworten 28%

 
Politische Persönlichkeiten
Fortsetzung auf Seite 2