Iranisch-chinesisches Kooperationsabkommen sorgt für Kontroversen

Die Unterzeichnung eines auf 25 Jahre angelegten Kooperationsabkommens zwischen dem Iran und China hat in den sozialen Netzwerken heftige Kritik ausgelöst. Worum geht es in dem Abkommen?

Das Kooperationsabkommen mit China sichere ausschließlich den Fortbestand des Regimes und zahle „Schutzgeld“, um dem Druck des Westens standzuhalten, schreibt ein Twitter-Nutzer. Das Abkommen verspreche China die „Ausbeutung der iranischen Inseln im Persischen Golf“ und eine „Stationierung von Truppen zwecks Sicherstellung des Öltransfers nach China“, will ein anderer Twitter-Nutzer wissen.

Einige Nutzer*innen der Sozialen Netzwerke sorgen sich auch über die territoriale Integrität des Iran. China sei nicht vertrauenswürdig und habe sich in entscheidenden Momenten gegen die Interessen des Iran entschieden, lauten weitere Einwände. Peking verfolge die Politik der „Plünderung und Kolonisation“. Viele Gegner des Abkommens halten die Außenpolitik der Islamischen Republik für gescheitert und werben für eine Kehrtwende Richtung Westen.

Nur Spekulationen?

Iranische und chinesische Behörden haben bisher keine Details des Abkommens bekanntgegeben. Andeutungen einiger iranischer Regierungsvertreter tragen eher zur Unklarheit bei.

Dem Sprecher des Außenministeriums Saeed Khatibzadeh zufolge bezieht sich das Abkommen nur auf den „Wunsch der iranischen und chinesischen Regierungen, ihre Beziehungen auszubauen“. Und Reza Zabib, der stellvertretende iranische Außenminister für den asiatisch-pazifischen Raum, ließ in einem Tweet wissen, das Dokument sei „kein Vertrag im engeren Sinne“. Das Kooperationsabkommen werde aber Dutzenden, „ja, Hunderten“ Verträgen mit China den Weg ebnen, twitterte er.

Bisher offiziell nicht bestätigte Informationen über das Abkommen lassen vermuten, dass China dadurch sehr stark an Einfluss im Iran gewinnen wird. Das kommunistische Land soll innerhalb von 25 Jahren 400 Milliarden US-Dollar in verschiedene Sektoren der iranischen Wirtschaft, unter anderem Energie, Infrastruktur, Telekommunikation und Minen, investieren. Auch der Ausbau des Hafens der Stadt Bandar-e Jask in der Straße von Hormuz und die Verstärkung der militärischen Zusammenarbeit beider Länder seien vorgesehen. Im Gegenzug soll China an den Gewinnen der Projekte beteiligt werden und iranisches Öl zu günstigen Konditionen erhalten.

Viele Expert*innen sind sich in einem Punkt einig: Sollten diese informellen Informationen zutreffen, wird das Kooperationsabkommen zumindest in manchen Sektoren der iranischen Wirtschaft ein Hindernis für Investitionen aus anderen Ländern darstellen. Sollten solche Investitionen zu Interessenkonflikten mit China führen, müsste sich die Islamische Republik dann den Wünschen Pekings unterwerfen.

Irans Staatsoberhaupt Ali Khameni (re.) empfängt selten ausländische Gäste - eine der Ausnahmen ist Chinas Präsident Xi Jinping!
Irans Staatsoberhaupt Ali Khameni (re.) empfängt selten ausländische Gäste – eine der Ausnahmen ist Chinas Präsident Xi Jinping!

Künftige Rolle der USA

Andere Expert*innen weisen darauf hin, dass Peking sich im Falle eines starken Druckes aus Washington bei Geschäften mit dem Iran zurückhaltend verhalten werde. Der Grund: Der gesamte offizielle Außenhandel zwischen dem Iran und China – im vergangenen Jahr etwa 15 Milliarden US-Dollar – sei relativ klein. Dafür werde China seine Handelsbeziehungen mit den USA und ihren Verbündeten nicht aufs Spiel setzen. Allein der Warenaustausch zwischen China und den USA betrug im Jahr 2019 etwa 559 Milliarden US-Dollar. Sollte die Biden-Regierung also die Politik ihrer Vorgängerin fortführen, könnte das iranisch-chinesische Abkommen die eine oder andere Enttäuschung für den Iran bereithalten.

Trotzdem sei das Abkommen eine „kluge Taktik des Regimes“, die USA und die Europäer an den Verhandlungstisch zu zwingen, sagt der in Teheran lebende Politologe Ali Taheri (Name geändert). „Der Bluff aus Teheran zeigt Wirkung, denn Joe Biden hat anscheinend Angst bekommen, China werde seinen Einfluss in der Region noch mehr verstärken“, so Taheri im Gespräch mit dem Iran Journal. Der US-Präsident reagierte auf das iranische-chinesische Abkommen mit den Worten: „Ich mache mir seit einem Jahr Sorgen darüber.“

Der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates des Iran, Ali Shamkhani, bezeichnete das Abkommen als einen Teil der Politik des „aktiven Widerstands“ der Islamischen Republik gegen die Sanktionen. Die Welt bestehe nicht nur aus dem Westen, schrieb der ehemalige Verteidigungsminister in einem Tweet. Und der Westen bestehe nicht nur aus den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien, betonte Shamkhani. Bidens Besorgnis sei „völlig berechtigt“, denn „das Aufblühen der strategischen Zusammenarbeit im Osten“ werde den Untergang der Großmacht USA beschleunigen, so der pensionierte General.

Botschaft Richtung Westen

Hesamoddin Ashena, Berater des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani, erklärte am Sonntag auf Twitter die Politik des maximalen Drucks der Trump-Regierung für gescheitert und interpretierte das Abkommen als klare Botschaft Richtung Westen. Die Zeit laufe gegen die westlichen Länder, schrieb Ashena.

Gegner und Befürworter kritisieren die Geheimhaltung des Inhalts des langfristigen Abkommens. Zu dieser bestehe keine rechtliche Verpflichtung, erklärte der iranische Vizeaußenminister Reza Zabib am Sonntag. Der chinesische Außenminister Wang Yi und sein iranischer Amtskollege Mohammad Javad Zarif hatten das Abkommen am Samstag in Teheran unterschrieben. Laut dem iranischen Außenministerium enthält es politische, strategische und wirtschaftliche Vereinbarungen.

Nur ein Bluff?

Das Zustandekommen des iranisch-chinesischen Abkommens schreiben manche iranischen Medien der „klugen Weitsicht des geliebten Revolutionsführers“ zu – denn Präsident Hassan Rouhani ziehe eine Zusammenarbeit mit dem Westen vor.

Ali Taheri ist aber überzeugt, dass Rouhani und Khamenei seit Jahren „good cop bad cop“ spielten: „Rouhani zeigt sich dem Westen zugeneigt, Khamenei dem Osten. Beide haben aber nur eins im Sinn, nämlich im ersten Schritt ihr islamisches System zu retten und es in den nächsten Schritten auf die gesamte Region auszuweiten.“ Der Politikwissenschaftler erinnert daran, dass Rouhani vor seiner Wahl zum Präsidenten Khameneis Vertreter im Nationalen Sicherheitsrat war.♦

IA/FP

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