Die Jugend und ein „Kinder mordendes Regime“

Von den über 400 Toten während der Proteste der letzten zwei Monaten im Iran sind 58 Minderjährige, schreibt die Menschenrechtsorganisation HRANA. Das steigert den Hass der Bevölkerung gegen das islamische Regime. Auch konservative Bazaris solidarisieren sich immer mehr mit den Protestierenden.

Von Farhad Payar

Das Bild gehe ihm nicht mehr aus dem Kopf, sagt Javad M., einer der jüngeren Händler im Teheraner Bazar: „Die Leiche eines süßen Jungen liegt auf einem Tisch, vielleicht im Wohnzimmer der Eltern, und die Verwandtschaft drum herum, schreiend. Einfach unfassbar.“

Javad spricht von einem Video, das die Leiche des neunjährigen Kian Pirfalak zeigt. Kian wurde am 16. November von den Sicherheitskräften des islamischen Regimes in der iranischen Stadt Izeh erschossen. Er saß mit seinen Eltern im Auto, sie fuhren nach Hause. Nach Angaben von Kians Mutter wurden sie unterwegs von „Gardisten, die neben Zivilgekleideten standen“, aufgefordert, zu wenden. Der Vater gehorchte, doch trotzdem gerieten sie in einen Kugelhagel der Gardisten.

Die Tötung von Kian sorgte innerhalb und außerhalb des Iran für Empörung. In mehreren Städten verschärften sich die Proteste, wobei einige Demonstranten getötet wurden, darunter der 14-jährige Sepehr Maqsoodi, der 13-jährige Artin Rahmani und der 17jährige Daniyal Paibandi.

Pakt mit dem Todesengel

Ich konnte nicht glauben, dass unsere Sicherheitskräfte zu so etwas in der Lage sind“, sagt Javad, bevor die WhatsApp-Verbindung unterbrochen wird. Seit den Protesten hat das Regime das Internet eingeschränkt und an mehreren Tagen und bestimmen Orten ganz abgeschaltet. Dadurch soll verhindert werden, dass die Protestierenden sich für Aktionen verabreden und Videos der Proteste ins Ausland geschickt werden können. Doch die jungen Protestierenden können diese Maßnahme mit Proxys aus dem Ausland umgehen.

Nach mehreren Versuchen kommt die Verbindung erneut zustande. Javad erzählt noch einmal von seiner Empörung: „Ich habe mit vielen im Bazar gesprochen. Die meisten sind entrüstet, aber viele sind auch ratlos, wie es in unserem Land weitergeht. Nur einer war gleichgültig. Er sagte mir fast flüsternd: ‚Die Mullahs haben einen Pakt mit Ezrail (dem Todesengel). Als Chomeini (der Führer der islamischen Revolution) aus dem Exil zurückkam, was hat er als erstes gemacht? Er ging er direkt auf den Teheraner Friedhof. Die Mullahs lieben den Tod, das Töten ist für sie nicht so schlimm wie für dich und mich, und ihre Anhänger denken genauso wie sie.“

Bei der Revolution im Jahr 1979 war Javad noch nicht geboren. Der heute Vierzigjährige hat vor neun Jahren das Geschäft seines Vaters übernommen. Allerdings musste er heiraten und eine eigene Familie gründen, so wollte es der Vater. Und so geschah es. Javads Sohn ist nur ein Jahr jünger als Kian. Deshalb hat das Video ihn so mitgenommen.

Rettung von Jugendlichen aus der Haft

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