Staatliche Schikanen gegen Narges Mohammadi
Die inhaftierte iranische Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi wird gefoltert und misshandelt, berichtet Amnesty International. Ihr Ehemann Taghi Rahmani bestätigte gegenüber dem Iran Journal, dass seine Frau in Lebensgefahr sei.
Von Farhad Payar
Am 26. Juni wurde diese Nachricht der inhaftierten iranischen Menschenrechtlerin Narges Mohammadi auf Instagram veröffentlicht: „Ich wurde am Donnerstagmorgen (23. Juni) wegen Atemnot und Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus eingeliefert. Mithilfe einer Echokardiographie stellte der Facharzt fest, dass meine Lunge und mein Herz unter Druck stehen. Er schrieb einen ausführlichen Bericht an den Gefängnisleiter und verschrieb mir Notfallmedikamente. Danach wurde ich ins Gefängnis zurückgebracht. Die zuständige Gefängnisbehörde beschlagnahmte die Medikamente und erklärte, dafür bräuchte man eine zusätzliche Genehmigung, erst mit dieser würde ich sie bekommen.“
Drei Tage später bekommt Mohammadi ihre Medikamente, doch das wichtigste, das für ihre Lunge, fehlt.
In dem Bericht schreibt Narges Mohammadi auch, dass sie beim vorletzten Krankenhausbesuch ihre Medikamente erst nach 20 Tagen bekommen habe. Sie fragt, ob man sie damit in den Tod treiben wolle, „wie es Hoda Saber und Abtin Baktash geschah?“
Khamenei trage die Verantwortung
Am 28. Juni wurde ein offener Brief von Narges Mohammadis Bruder an den Justizchef des Iran, Mohseni Ejeie, veröffentlicht. Mehdi Mohammadi berichtet darin, dass seine Schwester nach Protesten der Familie eine Spritze bekommen habe, die angeblich das fehlende Medikament für die Lunge beinhalte. Er stellt allerdings die Echtheit des Medikaments in Frage, denn Narges habe das Etikett der Ampulle nicht sehen dürfen. Mehdi Mohammadi macht das Oberhaupt der Islamischen Republik, Ayatollah Ali Chamenei, für die Folgen der neuen Schikanen gegen seine Schwester verantwortlich. Und er warnt ihn vor dem Schicksal von Hitler, Saddam Hussein und Al-Gaddafi.
Urgent Action von Amnesty International
Am 28. Juni startete die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) eine Urgent Action für Mohammadi. In dem Aufruf heißt es: „Die willkürlich inhaftierte iranische Menschenrechtsverteidigerin Narges Mohammadi wird im Gefängnis in Varamin außerhalb von Teheran gefoltert und anderweitig misshandelt, unter anderem, indem ihr vorsätzlich die spezialisierte medizinische Versorgung einschließlich der Medikamente verweigert wird, die sie benötigt. Sie ist eine gewaltlose politische Gefangene, die sofort und bedingungslos freigelassen werden muss.“
In dem Aufruf wird auch auf frühere Schikanen gegen die Herausgeberin des Buches „White Torture: Interviews with Iranian Women Prisoners“* hingewiesen. Demnach hatte der Gefängnisarzt Narges Mohammadi eine angemessene medizinische Versorgung verweigert, während die Staatsanwaltschaft ihre Verlegung in ein Krankenhaus untersagt hatte. Dadurch sei ihr Leben auf’s Spiel gesetzt worden, schreibt AI: „Am 16. Februar 2022 erlitt sie eine Reihe von Herzinfarkten und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Gegen ärztlichen Rat und bevor sie sich erholt hatte, brachten die Behörden sie am 19. Februar 2022 zurück ins Gefängnis.“
Sie darf nicht mit ihren Kindern telefonieren
Narges Mohammadis Ehemann Taghi Rahmani wies im Gespräch mit dem Iran Journal darauf hin, dass seine Frau in Lebensgefahr sei. Sie leide unter verschiedenen Krankheiten und bräuchte professionelle medizinische Versorgung. Außerdem würden ihr einfache Rechte der Gefangenen vorenthalten. Sie dürfe nicht einmal ihre Kinder anrufen. Das Qarchak-Gefängnis, in das sie und andere Menschenrechtsaktivistinnen strafverlegt worden seien, gehöre zu den schlimmsten in der Provinz Teheran. Dort seien über 1.000 Straftäterinnen untergebracht, die Insassinnen würden wie Vieh behandelt. Das Gefängnis war früher ein Betrieb für Massenviehzucht.
Taghi Rahmani, Journalist, Schriftsteller und wegen seiner friedlichen politischen Aktivitäten mehrfach inhaftiert, hat 2012 mit den beiden gemeinsamen Kindern den Iran verlassen. Sie leben seitdem in Frankreich.
Rahmani ist sich sicher, dass man seine Frau zum Schweigen bringen wolle, doch damit werde das Regime keinen Erfolg haben: „Narges wird gegen Unrecht nicht schweigen.“
Die 50-Jährige wurde in den vergangenen elf Jahren mehrmals inhaftiert, schikaniert und gefoltert. Zuletzt wurde sie im November 2021 bei der Gedenkfeier für Ebrahim Ketabdar, eines der Opfer der Proteste vom November 2019 in der Stadt Karaj, festgenommen. Nach zwei Monaten Einzelhaft im Teheraner Evin-Gefängnis wurde sie am 20. Januar in das Qarchak-Gefängnis in Varamin verlegt. Im Februar wurde bekannt, dass Mohammadi zu acht Jahren Gefängnis, 74 Peitschenhieben und zwei Jahren Verbannung verurteilt wurde.
Anfang Juni wurde ein weiteres Verfahren gegen sie eröffnet. Die Vorwürfe lauteten: „Propagandaaktivitäten gegen die Islamische Republik Iran durch die Veröffentlichung einer Erklärung (Erklärung gegen die Todesstrafe), ein Sit-in im Gefängnisbüro sowie Rebellion gegen den Leiter und Beamte des Gefängnisses.“ In diesem Prozess wurde sie zu 30 Monaten Gefängnis, 80 Peitschenhieben und weiteren Geldstrafen verurteilt. Mohammadi erklärte, dass sie das Urteil nicht akzeptieren und dagegen „zivilen Ungehorsam“ leisten werde.♦
*Narges Mohammadi hat ein Buch herausgegeben, in dem sie einen Teil ihrer Interviews mit gefangenen Frauen veröffentlicht. Die englische Übersetzung – „White Torture: Interviews with Iranian Women Prisoners“ – ist u. a. hier zu erwerben.
© Iran Journal
Mehr zu diesem Thema:
Haft und Peitschenhiebe für Narges Mohammadi