Erfolge trotz Einschränkungen für Kulturschaffende

Schriftstellerin Lili Golestan zeigt sich in einem offenen Brief von der Kulturpolitik der iranischen Regierung enttäuscht und fordert Verbesserungen. Trotz widriger Umstände konnten iranische KünstlerInnen jedoch jüngst erneut wichtige Erfolge verbuchen. Kulturnachrichten aus der Islamischen Republik.
Die iranische Schriftstellerin, Übersetzerin und Galeristin Lili Golestan hat in einem offenen Brief an Staatspräsident Hassan Rouhani ihre Sorge und Unzufriedenheit über die Einschränkungen, denen iranische KünstlerInnen und Kulturschaffenden unterliegen, kundgetan. Letztere seien der „ganze Stolz des Iran“ und müssten dementsprechend behandelt werden, so Golestan in dem offenen Brief, der in der den Reformern nahestehenden Teheraner Zeitung Shargh erschienen ist.
„Ich habe nur Ihnen meine Stimme gegeben und nicht Ihren Ministern. Darum richten sich meine Worte auch nur an Sie. Ich bin aufgebracht und würde Ihnen gerne gegenübersitzen, sodass Sie meine Wut spüren können“, schreibt die 72-jährige.
Golestan rügt in ihren Ausführungen die vorherrschende Zensur und Einschränkungen in der Filmbranche, von denen auch ihr eigener Sohn, der Regisseur Mani Haghighi, betroffen ist.
Ebenso äußert sie sich unzufrieden über die Situation der SchriftstellerInnen, deren Werke häufig keine offizielle Druckgenehmigung erhalten, von denen jedoch illegale Kopien im Umlauf sind. Zudem kritisiert Golestan die Konzertverbote, die oft nur kurzfristig seitens iranischer Behörden ausgesprochen werden und „die schlechte Behandlung“ iranischer Künstler, wie der Musiker Mohammad-Reza Shajarian, der jüngst verstorbenen Filmregisseur Abbas Kiarostami und der 69-jährige Maler und Bildhauer Parviz Tanavoli. Kiarostamis Filme sind im Iran verboten und gegen Tanavoli, dessen Werke das Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst schmücken, wurde Anfang Juli Anklage erhoben. Ihm wird vorgeworfen, mit seinen Kunstwerken „Volksverhetzung“ zu treiben.
„Die Kulturadministratoren Ihrer Regierung sagen, dass sie angesichts dieser Missstände machtlos sind und nichts ändern können. Nur Sie, Herr Rouhani, können etwas verändern! Ich habe Sie aus Überzeugung gewählt und stehe zu meiner Wahl, aber bitte enttäuschen Sie mich nicht.“

Lili Golestan: "Bitte enttäuschen Sie mich nicht!"
Lili Golestan: „Bitte enttäuschen Sie mich nicht!“

Im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs 2013 hatte Rouhani mit seinen Ankündigungen und Versprechungen, iranischen KünstlerInnen deutlich mehr Freiheiten einzuräumen, von diesen viel Zuspruch und Unterstützung erhalten. So hatte der spätere Wahlsieger unter anderem versprochen, dass das Kulturressort von jenen geleitet werde, die entweder Vorerfahrung im kulturellen Fragen hätten oder selbst als KünstlerInnen tätig seien. Zudem hatte Rouhani angekündigt, die allgegenwärtige Zensur in der Kulturbranche auf ein Minimum zu reduzieren und die Willkür, die es mitunter in Zensurfragen gibt, durch Transparenz ersetzen zu wollen.
Nach Meinung vieler Experten seien vor allem der Druck und die Einmischung islamischer Hardliner daran schuld, dass viele der Versprechungen des moderaten Geistlichen Hassan Rouhani nicht umgesetzt werden konnten.
Die Erzkonservativen um den Revolutionsführer Ayatollah Khamenei sitzen in den relevanten Machtzentralen der Islamischen Republik.
Aslani und Mirkarimi geehrt
Ungeachtet dessen, dass sie durch die Politik in ihrer künstlerischen Freiheit eingeschränkt werden, erzielen iranische Kulturschaffende auf internationalem Parkett Erfolge. Schauspieler Farhad Aslani hat vergangenen Sonntag im Teheraner Azadi Cineplex in einer feierlichen Zeremonie in Anwesenheit zahlreicher SchauspielerkollegInnen nachträglich den „Preis für besten Schauspieler“, den er bei dem 38.Internationalen Filmfestival von Moskau gewonnen hatte, in Empfang genommen. Der 50-jährige war jüngst in Moskau in Abwesenheit für seine Leistung in Reza Mirkarimis Filmdrama The Daughter ausgezeichnet worden. Geehrt wurde auch Mirkarimi selbst, der den Hauptpreis des Festivals, den Goldenen St.Georg, erhielt. Für Mirkarimi war es nach 2008 der zweite Erfolg in Moskau.
The Daughter erzählt die Geschichte eines autoritären Vaters in der iranischen Provinz, der mit seiner rebellischen Tochter in Konflikt gerät.
Das von Josef Stalin initiierte Internationale Filmfestival von Moskau wurde erstmals 1935 abgehalten. Als ein A-Festival gehört es zu einem der 15 wichtigsten und renommiertesten Filmfestivals der Welt.
Erfolg bei World Choir Games

"Tehran Vocal Ensemble" um den Dirigenten Milad Omranlou
„Tehran Vocal Ensemble“ um den Dirigenten Milad Omranlou

Zwei iranische Chöre haben bei den 9. World Choir Games, die Mitte Juli in der russischen Stadt Sotschi stattfanden, Achtungserfolge erzielt. Das Tehran Vocal Ensemble um den Dirigenten Milad Omranlou konnte in den Kategorien „Musica Sacra a cappela“, „Musica Contemporanea“ und „Jazz“ jeweils die Silbermedaille gewinnen. Auch die Parse Choir Group um den Dirigenten Tayyeb Faghih gewann die Silbermedaille in der Kategorie „Folklore mit Begleitmusik“ gewinnen.
Über 300 Ensembles aus dem Iran, Deutschland, China, Italien, Russland, Lettland, Indonesien, Afghanistan und zahlreichen anderen Ländern nahmen in diesem Jahr an der 9. Ausgabe der World Choir Games teil.
Beide iranische Chöre hatten bereits in der Vergangenheit im Rahmen internationaler Wettbewerbe wichtige Erfolge für die iranische Musik erzielt. So konnten Preise beim Canta Al Mar International Choir Festival, dem 11. International Folksong Choir Festival in Barcelona und bei den 2. Asian Choir Games in Seoul gewonnen werden.
Die World Choir Games, in Deutschland auch Chorolympiade genannt, fanden erstmals im Jahre 2000 statt. Laut dem Veranstalter sollen sie den olympischen Gedanken folgend Menschen im friedlichen Wettstreit zusammenführen und es ihnen ermöglichen, sich als ChorsängerInnen weltweit zu präsentieren und ihre Leistungen zu messen.
Tehran Vocal Ensemble spielt Filmmusik: „Der Pate“ und „Zwei glorreiche Halunken“

Erzkonservative planen antiamerikanisches Festival
Iranische Hardliner planen für den kommenden Dezember die Abhaltung der „3. International Grand Awards of Down With USA“. Im Rahmen dieses Festivals sollen Cartoonisten, Karikaturisten und Fotografen im Hauptwettbewerb ihre „antiamerikanische und antizionistische Kunst“ zur Schau stellen. In der Nebensektion des Festivals können wiederum MusikerInnen und DokumentarfilmerInnen an dem Wettbewerb teilnehmen.
„Eine internationale Jury bestehend aus drei Cartoonisten, dem Iraner Mahmud Nazari, dem Türken Hicabi Demirci und dem Indonesier Jitet Koestana wird über die Sieger entscheiden“, so einer der Festivalorganisatoren Masoud Shojaei-Tabatabaei im Rahmen einer eigens organisierten Pressekonferenz am vergangenen Montag.
Hauptsponsor des diesjährigen Festivals werden erneut die Nachrichtenagentur Tasnim und die Seraj Cyberspace Organisation sein. Beide Einrichtungen stehen unter Kontrolle der ultrakonservativen iranischen Revolutionsgarde.
Im vergangenen Jahr waren über 4.300 verschiedene Zeichnungen und Fotografien aus 46 Ländern bei der zweiten Ausgabe des umstrittenen Festivals von der damaligen Jury bewertet worden. Die SiegerInnen jeder Kategorie des Hauptwettbewerbs wurden mit einem Preisgeld von 2.500 Euro belohnt, die zweitplatzierten erhielten 1.250 Euro.
Die „International Grand Awards of Down With USA“ wurden erstmals im November 2013, kurz nach der Wahl Hassan Rouhanis zum Staatspräsidenten als Reaktion auf dessen politische Annäherung an die USA ausgetragen.
  JASHAR ERFANIAN
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