Musik unter der „Partei Gottes“
Konzerte werden im Iran regelmäßig verboten. Frauen dürfen nicht singen oder Instrumente spielen. Dabei sind sowohl klassische KünstlerInnen wie auch PopmusikerInnen betroffen. Und die gemäßigte Regierung Hassan Rouhanis scheint machtlos. Was haben die Konservativen gegen Musik?
Berichterstattung über die Absage von Musikkonzerten gehört im Iran mittlerweile zum Medienalltag. Ironisch werden entsprechende Berichte gern mit „Fortsetzung der Serie: Die neue Folge …“ betitelt. Oft werden Konzerte wenige Stunden vor Beginn verboten. Die Veranstalter bleiben auf den Kosten sitzen.
Dabei gibt es in Sachen Musikstil kein Verbotsmuster: Nicht nur Rock- oder Popkonzerte, auch Darbietungen klassischer iranischer Musik werden abgesagt. Selbst der Sänger und Komponist Shahram Nazeri, der mit klassischer iranischer Musik international – auch in Deutschland – berühmt ist, musste am 21. Mai ein Konzert kurzfristig absagen. Wohlgemerkt: Alle betroffenen Veranstaltungen haben die notwendigen Genehmigungen vom Kulturministerium, der angeblich einzigen zuständigen Entscheidungsinstanz.
Die Verbote kommen offiziell von der Justiz, aber auch vom Ministerium selber und werden mit der „Sorge der Anhänger der Partei Gottes“ begründet. Musiker müssen ihre Konzerte jedoch oft auch ohne offizielle Absagen unterbrechen. Denn die Ultrakonservativen – eben die Anhänger der Gottespartei –, die von religiösen Instanzen unterstützt werden, vollstrecken gerne selbst ihre Urteile und unterbrechen oder verhindern Veranstaltungen durch gewaltbereite Versammlungen vor und in den Konzerthallen.
Gesetzlich ist Musik im Iran nicht verboten. Sie läuft in den staatlich kontrollierten Radio- und Fernsehsendern. Dort werden Instrumente allerdings nicht gezeigt. Konservative reagieren besonders kritisch auf Musikerinnen. Im Iran dürfen Frauen seit der islamischen Revolution von 1979 vor gemischtem Publikum nicht singen, weil die weibliche Stimme Männer sexuell erregen soll. Der schiitische Geistliche und Schriftsteller Hassan Yussefi Eshkevari findet dafür jedoch keine religiösen Grundlagen. Der im deutschen Exil lebende Kritiker des iranischen Klerus sagt im Interview mit Iran Journal: „Es geht um das weibliche Geschlecht. Frauen werden vom islamischen Klerus oft noch als Symbol des Satans und der Verführung der Männer angesehen. Daraus wird abgeleitet, dass die weibliche Stimme Männer verführt und zur Sünde anregt.“
Auch Musikinstrumente dürfen die Frauen in der Öffentlichkeit nicht mehr spielen. Im November 2015 musste sogar das Teheraner Symphonieorchester 15 Minuten vor einem Konzert den Auftritt absagen, weil Musikerinnen auf der Bühne waren. Das Orchester sollte in einem internationalen Sportwettbewerb die iranische Nationalhymne spielen.
Die Anhänger der „Partei Gottes“ sind besonders in religiösen Städten aktiv. Musik als Ausdruck westlicher Kultur habe dort nichts zu suchen, meint der ultrakonservative Freitagsimam der Stadt Maschhad, Ahmad Alamolhoda. In der Stadt liegt die Grabstätte des achten Imams der Schiiten, Reza. Maschhad wird offiziell „heilige Stadt“ genannt. Imam Alamolhoda, der in der Provinz den religiösen Führer des Landes Ayatollah Ali Khamenei vertritt, verachtet MusikerInnen und nennt KonzertbesucherInnen „die lüsterne Minderheit“. Die Nordostprovinz Razavi-Chorasan mit der Hauptstadt Maschhad führt die Liste der Städte mit den meisten Konzertabsagen an.
Islam und Musik
Die bekanntermaßen negative Einstellung des religiösen Führers Ayatollah Ali Khamenei zum Thema Musik erschwert den KünstlerInnen zusätzlich das Leben. „Das Verbreiten und Befördern der Musik ist gegen die Richtlinien des Islam“, so Khamenei.
Aber wie musikfeindlich ist der Islam im Kern tatsächlich? Weder im Koran noch in den Überlieferungen über die Handlungsweise des Propheten (die Sunna, Arabisch „sunnat an-nabī“) gibt es eine klare Stellungnahme zum Thema Musik, stellt der Kleriker Eshkevari Iran Journal gegenüber fest: „Islamische Rechtsgelehrte verbieten flatterhafte Musik und berufen sich dabei auf indirekte Hinweise in der Sunna.“
Krieg in Syrien, Musikverbot im Iran
Einige Künstler wie etwa der international bekannte Mohammadreza Shajaryan werden wegen ihrer politischen Haltung behindert und dürfen im Inland grundsätzlich keine Konzerte geben. Selbst ein beliebtes Gebet des traditionellen Sängers wurde nach den Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 nicht mehr vom staatlichen Rundfunk ausgestrahlt. Shajaryan stand den Protestierenden nahe.
Die islamischen Hardliner finden immer neue Vorwände, um Konzerte zu verhindern. Erst vergangene Woche wurde in der Stadt Yazd ein Konzert abgesagt. Ein Augenzeuge berichtete von etwa einhundert Motorradfahrern, die „auf bedrohliche Art und Weise“ einen beliebten Popsänger daran hinderten, den dortigen Flughafen zu verlassen, schreibt das iranische Nachrichtenportal Farda. Der Künstler nahm den nächsten Flieger zurück nach Teheran. Seine Konzerte waren für den 21. und 22. Mai geplant. Laut einer Mitteilung des örtlichen Kulturamtes, die in den sozialen Netzwerken kursiert, wurden sie aus „Respekt vor Märtyrern“ abgesagt. Gemeint sind Iraner, die in Syrien gefallen sind. Iranische Soldaten beraten dort nach offiziellen Angaben die syrische Armee im Kampf gegen den „Islamischen Staat“. In der nordiranischen Provinz Mazandaran wurden im März sämtliche Unterhaltungsveranstaltungen und Musikkonzerte aus dem gleichen Grund abgesagt.
IMAN ASLANI
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