Elahe Mohammadi schreibt wieder: Im Namen der Feder
Die iranische Journalistin Elahe Mohammadi berichtet in einem ihrer ersten Texte seit der Freilassung, wie sie selbst im Gefängnis an ihrer Berufung festhielt – als Zeitungsverkäuferin hinter Gittern, als Stimme des Widerstands vor Gericht und als Frau, die trotz Repression an die Kraft des Schreibens glaubt.
Im Gefängnis war ich für die Verteilung der Zeitungen zuständig. Jeden Morgen um zehn Uhr ging ich zu jenem kleinen Fenster, das uns von den Gefängniswärterinnen trennte, um die beiden einzigen Zeitungen der Frauenabteilung des Evin-Gefängnisses – Etemad und Ettelaat – entgegenzunehmen und sie im Trakt zu verteilen. Ich rief: „Zeitung, Zeitung! Heiße Nachrichten, brandneue Nachrichten!“ Alle paar Tage fügte ich dem Satz eine neue Wendung oder ein weiteres Wort hinzu.
An dem Tag, bevor man Nilufar Hamedi und mir sagte, dass am nächsten Tag unser erster Gerichtstermin sei, rief ich: „Zeitung, Zeitung! Die Zeitungsverkäuferin im Gefängnis – Journalistinnen auf dem Weg zum Gericht.“ Und als wir gegen das erstinstanzliche Urteil Einspruch einlegten – sieben oder sechs Jahre Gefängnis für zwei Journalistinnen, ein himmelschreiendes Unrecht –, sagte ich beim Verteilen der Zeitungen: „Zeitung, Zeitung! Die Verkäuferin in der Berufung.“
Meine Mitgefangenen lachten jeden Tag über dieses kleine Schauspiel, das meiner Sehnsucht entsprang. Eine von ihnen sagte jeden Morgen, sobald sie meine Stimme hörte und den Vorhang ihres Betts zur Seite schob: „Ich wache jeden Tag mit deiner Stimme auf. Dieser Widerspruch zwischen der Traurigkeit deiner Gefangenschaft und deiner für ein paar Minuten so heiteren Stimme – das zieht einen aus dem Bett.“
Einmal telefonierte eine meiner Mitgefangenen gerade mit ihrem Ehemann. Sie hielt mir den Hörer hin und sagte: „Elahe, sag mal wieder deinen Satz. Mein Mann will das hören.“ Ich sagte ihn – und sie gab mir den Hörer. Ein trauriger Mann war am anderen Ende der Leitung, der Mühe hatte, Worte zu finden: „Meine Tochter, mach dir keine Sorgen … bald wirst du all das in Worte fassen und wieder in die Zeitung bringen.“ Mir schnürte sich die Kehle zusammen, ich antwortete langsam: „In der Hoffnung auf diesen Tag – für mein Schreiben, für die Freiheit Ihrer Frau.“
Aber der schwerste der Tage, an denen ich Zeitungen verteilte, war der letzte: der Tag, an dem die Kaution verkündet wurde – zehn Milliarden Toman für eine vorläufige Freilassung nach 17 Monaten Ungewissheit. An diesem Tag legte ich unter Tränen auf jedem Tisch die Zeitungen ab und sagte zum Abschied: „Die Zeitungsverkäuferin gegen Kaution frei.“
Die Mitgefangene, deren Mann mir Freiheit gewünscht hatte, brach in Tränen aus: „Am meisten werde ich deine Sätze vermissen.“ Wir wurden an diesem Tag entlassen – und ich bestimmte eine Nachfolgerin: Nasim. Ich sagte ihr: „Sag dieselben Sätze. Aber komm bald, damit wir wieder zusammen aufschreiben und über diese Tage lachen können.“
Journalistin bleiben – selbst hinter Gittern
Ehrlich gesagt war ich in jenen Tagen nicht nur eine Zeitungsverteilerin. Ich wollte ebenso eine Journalistin bleiben – auch im Evin-Gefängnis. Denn ich glaubte und glaube: Die Feder ist unsere Waffe, unser Zufluchtsort, unsere Stimme. Ich war Journalistin, als ich ins Kasra-Krankenhaus und dann nach Saqqez fuhr, um über die Beerdigung von Jina Amini zu berichten. Dort, an diesem Grab, unter dem aufgewühlten Himmel Kurdistans, inmitten einer trauernden und zugleich protestierenden Menge, wurde mir klar: Schreiben ist nicht nur ein Beruf, es ist eine Form des Widerstands. Und genau dieser Bericht veränderte meinen Weg – von der Redaktion direkt nach Evin, für 17 Monate.
Auch am Tag meiner Verhandlung vor dem Revolutionsgericht war ich Journalistin, als ich vor dem Vorsitzenden der 15. Kammer stand und meine Verteidigungsrede mit diesem Satz begann: „Im Namen der Feder.“ Das waren keine leeren Worte, sondern ein Versuch, den Namen des Journalismus lebendig zu halten. Inmitten des Gerichtssaals erinnerte ich mich wieder daran, warum ich diesen Weg überhaupt eingeschlagen hatte.
An einem anderen Tag, einem Sonntag in Evin, hatte ich gerade die Zeitungen entgegengenommen, war aber noch nicht zurück im Trakt, um meine morgendlichen Sätze zu sagen – da hieß es, eine Kommission sei gekommen, um das Urteil zu verkünden. Als ich den Raum betrat, zeigte ich auf die Zeitungen unter meinem Arm, sah die Kommission an und sagte: „Ich bin auch hier Journalistin. Das können Sie mir nicht nehmen.“ Und ich glaube, genauso ist es auch gekommen.
Seit meiner Freilassung umarmen mich Menschen auf der Straße. Manche sagen bloß meinen Namen und weinen. Andere sehen mich einfach nur an und lächeln. Wieder andere sagen mit überwältigender Herzlichkeit: „Danke – für jenen einen Tag, für jenen einen Text.“ Die Hoffnung in ihren Augen ist ein Geschenk, das kein Entlassungsurteil je hätte geben können: die Erinnerung daran, warum ich Journalistin geworden bin – und warum ich es bleiben muss.
Die Feder lebt – auch in der Dunkelheit
Seit nunmehr drei Monaten, nach zwei Jahren und zwei Monaten Zwangspause, sitze ich wieder am Laptop. Meine Hände sind langsamer geworden, aber die Wörter finden mich immer noch. Und ganz ohne Übertreibung: Jeden Tag denke ich an jene Zeit zurück. Daran, wie mich allein die Vorstellung, wieder schreiben zu dürfen, im Gefängnis gerettet hat. Daran, wie die Rückkehr in die Redaktion – mit all ihren Wunden und Mühen – dazu führte, dass ich zu mir selbst zurückfand, zu meinen Händen. Jetzt sitzt Nasim Soltanbeigi neben mir.
Man hat ihr gesagt, sie müsse zurück ins Gefängnis. Ich sehe sie an – und der Gedanke kreist in meinem Kopf: „Geht sie wirklich zurück? Wird sie wieder Zeitungen verteilen? Wieder diese Sätze sagen?“ Aber ich weiß: Selbst, wenn sie zurück muss – diese Stimme, diese Sätze, dieser bittere Humor, dieses kleine Fenster, sie werden wieder Hoffnung stiften. Denn selbst in den dunkelsten Zellen sind noch Journalist*innen damit beschäftigt, Worte zu Texten zu formen. Und noch immer, noch immer lebt die Feder. Sie lässt sich nicht einsperren. Worte sind nicht für Dunkelheit und Schweigen gemacht. Journalismus ist da, um zu erhellen – nicht um zu verstummen. Wie kleine Leuchttürme: Sie erlöschen nie.
Jetzt, da ich wieder schreibe, weiß ich es mehr denn je: Der Platz einer Journalistin ist am Schreibtisch, nicht hinter Gittern. Und wenn man mich fragt, warum ich Journalistin geblieben bin, habe ich nur eine Antwort: „Weil Journalismus rettet. Genau wie die kleinen Leuchttürme – ohne sie verirren sich die Boote auf dem offenen Meer.“
Quelle: Hammihan-Zeitung
Übersetzung: Iran Journal
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