Trauerfeier in der Schockstarre 

Mein Aufenthalt dort war zu kurz, so konnte ich mich nicht mit ihnen austauschen. Die Kommunikationsmittel waren auch lahmgelegt. Es kam aber mit zehn Tagen Verzögerung ein offener Brief von Dutzenden Kulturschaffenden heraus, die das staatliche Vorgehen gegen die Protestierenden verurteilen. Das ist eine neue Entwicklung, denn viele von ihnen haben bisher zu den Menschenrechtsverletzungen im Iran geschwiegen. Ich begrüße diese Maßnahme, deshalb habe ich den Brief auch unterschrieben.
Gibt es ähnliche Positionierungen auch von iranischen Künstler*innen im Ausland?
Nicht, dass ich wüsste.
In manchen Ihren Arbeiten verbinden Sie die Schönheit der Ornamentik mit politisch schwierigen Inhalten oder Ihren eigenen Erfahrungen mit dem islamischen Regime im Iran. Werden Sie auch Ihre aktuellen Erlebnisse in Teheran künstlerisch verarbeiten?
Künstlerische Verarbeitung der eigenen Erlebnisse ist eine langfristige Sache. Natürlich fließen Beobachtungen, Erlebnisse immer in das künstlerische Schaffen ein, aber gezielte Pläne zur Verarbeitung der Erlebnisse in diesem November habe ich noch nicht.

"Schmetterlinge", von Parastou Forouhar - Die Gleichzeitigkeit des Schönen und des Schrecklichen, die Ambivalenz des Lebens findet in den Schmetterlingen zu einem Ausdruck, zu einem Bild.
„Schmetterlinge“, von Parastou Forouhar – Die Gleichzeitigkeit des Schönen und des Schrecklichen, die Ambivalenz des Lebens findet in den Schmetterlingen zu einem Ausdruck, zu einem Bild!

Ihre Werke werden derzeit bis zum 20. Februar 2020 in der Stadtgalerie Saarbrücken präsentiert. Haben die Arbeiten dort Bezüge zu bestimmten Ereignissen in Ihrem Leben?
Das sind unterschiedliche Arbeiten von mir. Die Architektur der Stadtgalerie, die aneinandergereihte Räume über zwei Stockwerke erstreckt, bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Arbeiten in neuen Zusammenhängen zu zeigen. Dort stelle ich Arbeiten von mir aus, die vordergründig mehr dokumentarisch, mehr politisch sind, in Zusammenhang mit anderen, die ich allerdings als ebenso politisch empfinde.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Zum Beispiel wird eine Arbeit mit dem Titel „Dokumentation“ neben einem Film, den ich im vergangenen Jahr gedreht habe, und Werken, die sich mit ornamentalen Strukturen auseinandersetzen, präsentiert. In der Dokumentation zeige ich anhand von Schriftstücken – die ich selber oder andere geschrieben haben – die Bemühungen zur Aufklärung der politischen Morden an meinen Eltern. In dem Film zeige ich den verbotenen Friedhof Khavaran am Rande von Teheran. Dort, in einem Brachland, hat das Regime politische Gefangene nach der Hinrichtung ohne Grabstein beerdigt. Und die ornamentalen Arbeiten stellen für mich eine Allegorie der Unfreiheit, der Ambivalenz zwischen der Schönheit der Sinnlichkeit und deren Verlust im Moment des Aufkommens von Gewalt dar.
  Das Interview führte Farhad Payar
© Iran Journal

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