Kein normales Künstlerleben

Seit einer letzten Ausstellung im Teheraner Museum für Zeitgenössische Kunst 1980 gelten die Werke von Nickzad „Nicky“ Nodjoumi als verschollen. Der iranische Künstler malte damals die Revolution. Seit 1981 lebt er im Exil in New York. Seine Tochter Sara Nodjoumi und ihr Ehemann Till Schauder porträtieren den heute 82-Jährigen in ihrem Dokumentarfilm „A Revolution On Canvas“.

Von Fahimeh Farsaie

Es war im Jahr 1979, als Mehdi Kowsar, der letzte Direktor des Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst vor der Revolution, eine Liste aller vorhandenen Werke erstellte und dabei half, die Kunstwerke im Untergeschoss des Gebäudes sicher aufzubewahren. In den ersten Märztagen des Jahres übergab er schließlich die Leitung seines Museums an die Revolutionswächter, die von Ayatollah Ruhollah Khomeini beauftragt worden waren, die Schätze des Landes zu schützen.

Dennoch überstanden einige westlich geprägte Werke die Zeit der Revolution nicht. 1980 stürmten Hisbollah-Truppen das Museumsgebäude und verwüsteten es. Unter anderem wurde ein Porträt von Königin Farah Pahlavi, das Andy Warhol 1977 gemalt hatte, mit einem Messer zerschnitten, und eine Skulptur des Malers und Bildhauers Bahman Mohassess, die als unislamisch und provokativ galt, zerstört.

Die Farben der Revolution

In ihrem investigativen Dokumentarfilm „A Revolution On Canvas“ gehen Sara Nodjoumi und Till Schauder der Frage nach, ob auch die Werke des Künstlers Nickzad „Nicky“ Nodjoumi in dieser Zeit vernichtet wurden. Denn seine Gemälde, die 1980 in der Einzelausstellung „Report on the Revolution“ in dem Teheraner Museum gezeigt wurden, gelten seitdem als verschollen. Wie der Film anhand vorhandener Fotos zeigt, thematisieren Nodjoumis Werke expressionistisch politische Themen wie den Kampf der Arbeiter, Foltermethoden unter dem Schah-Regime und Massendemonstrationen während der Revolution im Jahr 1979. Dabei hat er starke Farben, Kontraste und Formen verwendet. „Wir können anhand dieser Bilder sehen, was während der Revolution passiert ist“, sagt der Künstler – auch wenn seine Wahrnehmung der historisch-politischen Ereignisse natürlich subjektiv gefärbt ist.

Reiche Erfahrungen

Nodjoumi wird im Film nicht nur als Maler und Illustrator, sondern auch als Aktivist porträtiert, der sich in verschiedenen Organisationen in Teheran und New York immer für Gerechtigkeit und Menschenrechte eingesetzt hat. Vor der Kamera wird er unter anderem als aktives Mitglied des „Internationalen Verbands iranischer Studenten“ gezeigt, der an der Anti-Schah-Demonstration in den 1970er Jahren in New York teilnahm. In der Gegenwart setzt er sich für die Belange der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ im Iran ein und nimmt an Demonstrationen in New York teil, wo er seit 1981 mit einigen Unterbrechungen im unfreiwilligen Exil lebt. In dieser Phase malt er zum Beispiel schutzlose nackte Frauen, die von Mullahs gequält werden.

Historische Momente

Die Mullahs und deren Machtübernahme Ende der 1970er Jahre sind ein wichtiger Bestandteil dieses expositorischen Dokumentarfilms. Anhand von Archivmaterialien, Fotos, Videos und Interviews bilden Sara Nodjoumi, die Tochter des Künstlers, und ihr Ehemann, der Filmemacher Till Schauder, ein plastisch wirkendes Panorama von politischen Ereignissen der postrevolutionären Zeit des Iran: Gefechte in Kurdistan, die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft, der Iran-Irak-Krieg (1980 – 1988) bis zu den aktuellsten landesweiten Protesten unter dem Motto Frau, Leben, Freiheit“. Sie alle gehören zu diesen historischen Momenten, die auch Nickzad Nodjoumi zum Teil in seinen Werken reflektiert. Dabei bleibt er seinem expressionistischen Stil treu und schafft ein spannungsvolles Verhältnis zwischen Dinglichkeit und Symbolik.

Künstler oder Verbrecher!

In den Interviewparts, in denen Nodjoumi seiner Tochter Fragen über sich selbst, sein Leben und seine Kunst beantwortet, folgt er der klaren Sprache der Ehrlichkeit. So sagt er: „Ich wäre, wenn nicht Künstler, dann Verbrecher oder Dieb geworden.“ Er bezieht sich in diesem Zusammenhang auf seine schwierige Kindheit, in der er von seinem Vater brutal geschlagen und misshandelt wurde. Einige Zeichnungen, die diese Zeit abbilden und im Film gezeigt werden, untermauern seine Narrative. Sie sind nicht auf Zeichenpapier, sondern auf Zeitungen skizziert und dokumentieren damit eine kreative Phase, in der der Künstler finanziell nicht in der Lage war, das nötige Malmaterial zu kaufen.

Von dieser Situation spricht im Film auch seine Ex-Frau Nahid Haghighat, selbst Malerin: „Wir hatten kein Geld… keine Galerie wollte Nickzads Bilder ausstellen. Auf seine Bewerbungen hatte er nur einen Stapel Absagen erhalten … Wir mussten arbeiten gehen … Er wollte aber nur malen.“

Nicky Nodjoumi beim Malen - ©: PartnerPictures
Nicky Nodjoumi beim Malen – ©: PartnerPictures

Malen war auch Haghighats Leidenschaft, die sie aufgrund der prekären finanziellen Situation der Familie aber zum Teil zurückstellen musste. In den 1970er Jahren war sie eine der wenigen Künstlerinnen, die sich mit politischen Themen aus der Sicht von Frauen auseinandersetzten. „Nahid hat sich für die Familie geopfert“, sagt ihre Tochter im Film. Heute sind Haghighats Arbeiten Teil der ständigen Sammlung des Metropolitan Museum of Art. Sie sagt vor der Kamera: „Frauen erschaffen, Männer zerstören oft.“

Eine Familiengeschichte

A Revolution On Canvas“ ist nicht nur eine enthüllende Suche nach den verschollenen Werken von Nicky Nodjoumi vor dem Hintergrund der politischen Geschehen im Iran; der Film ist gleichzeitig die Geschichte der Erstlingsregisseurin Sara Nodjoumi und ihrer dramatischen Beziehung zu ihren Künstler-Eltern. Dem cineastischen Paar Nodjoumi-Schauder ist es gelungen, das Politische und Persönliche geschickt ineinander zu verweben.

Der persönliche Part hätte allerdings nach den Vorstellungen des 82-jährigen Künstlers Nodjoumi „normaler“ verlaufen können: Auf die Frage, wie sein Leben hätte aussehen können, wenn er im Iran geblieben wäre, antwortet er vor der Kamera, er hätte als verheirateter Künstler und Lehrer mit einigen Kindern ein „normales Leben“ geführt.♦

Kinostart in Deutschland: 20. August. Für mehr Infos hier klicken

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