Papiermangel legt iranische Printmedien lahm
Geschäftsführer staatsnaher iranischer Zeitungen und Zeitschriften warnen in einem Schreiben an Präsident Hassan Rouhani vor „den letzten Atemzügen der Printmedien“. Akuter Papiermangel bedroht nicht nur die Printmedien, sondern die gesamte Druckindustrie.
Seit dem 12. Mai erscheint die Zeitung Hamshahri mit reduzierter Seitenzahl. Einen Tag davor war die Zeitung Iran mit acht Seiten weniger als üblich erschienen. Schon vorher hatten die Zeitungen Arman und Donyay-e-eghtesad die Seitenzahl ihrer Ausgaben reduziert. Und die Zeitung Jahan-e-Sanat erschien am 6. Mai sogar mit dem Aufmacher: „Wir haben kein Papier“.
Laut der halbstaatlichen Nachrichtenagentur ISNA denken bereits einige iranische Zeitungen über die Schließung nach. ISNA hatte am vergangenen Sonntag berichtet, dass die Geschäftsführer einiger Zeitungen den iranischen Staatspräsidenten Hassan Rouhani in einem Schreiben gebeten haben, etwas gegen den Papiermangel zu unternehmen. Dabei zitierte ISNA den Geschäftsführer der Zeitung „Arman“, Hossein Abdulahi, man drucke „seit mindestens zehn Tagen auf geborgtem Papier“. Auch für die nächste Ausgabe gebe es „kein Papier zum staatlich festgelegten, sondern zum vierfachem Preis“, so Abdulahi. Er weist darauf hin, dass Papier zwar zum staatlichen Wechselkurs (4.200 Tuman für 1 US-Dollar) importiert werde, jedoch im Zollamt gelagert sei. Nach seiner Einschätzung werde der Papiermangel bald die Zeitungen des Landes lahm legen.
In ihrem Schreiben fordern die Geschäftsführer der Zeitungen die Regierung auf, die Finanzierung des Jahresbedarfs an Papier und Druckplatten in Höhe von umgerechnet etwa 50 Millionen Dollar zuzusichern.
Die Führung der islamischen Republik behauptet seit Jahren, ihre Feinde führten einen Medienkrieg gegen sie, und verlangen von den iranischen Medien, dagegenzuhalten. Darauf anspielend sagt Abdulahi: „Das internationale politische Klima und die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft stellen die Bedeutung der Presse mehr denn je in den Vordergrund. Doch die iranischen Printmedien liegen im Koma.“
Versprechen der Politiker
Hossein Entezami, der stellvertretende Minister für Kultur und islamische Führung, versprach den Zeitungsmachern Anfang Mai, „in den kommenden Tagen“ würden „Abholscheine für Papier zum staatlichen Wechselkurs zur Verfügung gestellt“. Laut Entezami sind von 262.000 Tonnen Papier, das im vergangenen iranischen Jahr zum staatlichen Wechselkurs importiert wurde, nur 10 Prozent an Buch- und Zeitungsverlage verteilt worden. Die übrigen 90 Prozent seien von etwa 130 Importeuren auf dem freien Markt zum vierfachen Preis verkauft worden.
Im Iran gibt es drei Preise für Devisen. Der staatlich festgelegte Preis für einen US-Dollar beträgt im Augenblick 4.200 Tuman. Der „Medium“-Kurs, vom Staat für die Einfuhr bestimmter Waren festgelegt, liegt bei aktuell 8.000 Tuman. Auf dem freien Markt wird ein Dollar für etwa 16.000 Tuman gehandelt.
Laut Berichten der Zeitung Jahan-e-sanat sollen mehr als 1.000 Tonnen Papier in Hallen des Zollamtes gelagert sein, die auf die Entscheidung der Zollbehörde warten. Gründe dafür wurden bisher nicht genannt. Papier für Buch- und Zeitungsverlage soll zum staatlichen Wechselkurs importiert werden. Doch nun scheinen die zuständigen Behörden über eine Preiserhöhung nachzudenken, befürchten die Papierhändler.
Hossein Mirbagheri vom Verband der iranischen Papierhändler beschwerte sich am 29. April auf dem Nachrichtenportal Tasnim über die steigenden Papierpreise: „In den vergangenen 48 Stunden stieg der Preis des Papiers um 21 Prozent.“ Zuvor hatte bereits Ali Moghani, der Vorsitzende des Verbandes der Druckindustrie in der Provinz Khorasan, auf die Verteuerung hingewiesen: In Khorasan hätten sich die Preise für Drucktinte vervierfacht, die Preise für Papier gar verneunfacht. Der Nachrichtenagentur ISNA gegenüber kritisierte er die verantwortlichen Provinzpolitiker, die die Gefährdung der Druckindustrie und der damit verbundenen 2.500 Arbeitsplätze tatenlos in Kauf nähmen.
Arbeitsgruppe Papier
Seit dem vergangenen Jahr gibt es im Kulturministerium eine Arbeitsgruppe Papier, der Vertreter*innen verschiedener Sektoren wie der Verlage, der Papierhändler und der Druckindustrie angehören. Die Arbeitsgruppe soll die Verteilung des importierten Papiers regeln. Doch nach langen ergebnislosen Debatten hatte die Papier-AG am 30. April nichts anderes zu vermelden als: „Von 262.000 Tonnen importierten Papiers sind im vergangenen Jahr nur 23.000 Tonnen unter der Aufsicht des Kulturministeriums verteilt worden. Für den Rest ist die Tazirat-Behörde zuständig.“ Die Tazirat-Behörde ist dem Justizministerium angegliedert und befasst sich mit Straftaten im Industrie- und Handelsbereich.
Das Kulturministerium wälzt also die Verantwortung für die Ungereimtheiten um das importierte Papier auf die Tazirat-Behörde ab. Die wiederum ist nicht bereit, sich zu dem Thema zu äußern. So hat Ali Moghani recht, wenn er im Gespräch mit ISNA sagt: „In diesem Land fühlt sich niemand für die Missstände verantwortlich.“
SEPEHR LORESTANI
Übertragen aus dem Persischen und überarbeitet von Omid Shadiwar
© Iran Journal
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