Molaverdi fordert Ministerposten für Frauen

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hat mit Shahindokht Molaverdi eine Frau als seine Stellvertreterin für Frauen- und Familienpolitik ausgewählt, die von den meisten iranischen Frauenaktivistinnen respektiert wird. Molaverdi hat in den vergangenen vier Jahren einige Vorstöße zur Aufhebung der rechtlichen Diskriminierung von Frauen gewagt. Doch die konservativen Kräfte haben dagegen gehalten – mit Erfolg. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen wird im Iran wieder über die Beteiligung von Frauen an Ministerposten diskutiert. Die Teheraner Tageszeitung Etemad hat die Juristin und Frauenrechtlerin Shahindokht Molaverdi dazu befragt. Iran Journal dokumentiert Auszüge des Interviews.
Etemad: Sie wurden als Frau im Kabinett von Ministerpräsident Hassan Rouhani oft angefeindet, auch wegen ihres Geschlechts. Ist das ein Grund für Sie, der Regierung in der nächsten Wahlperiode den Rücken zu kehren?
Shahindokht MolaverdiSolche Attacken auszuhalten gehört zu unseren Aufgaben. Es ist Teil unserer Arbeit. Viele glaubten, uns damit von unseren Vorsätzen abzubringen. Manchmal hatten sie auch Erfolg. Denn wir mussten nicht wenig Energie und Zeit aufwenden, um gegen diese Attacken anzugehen und der Polemik etwas entgegenzusetzen.Mit etwas Abstand merkten wir aber, dass wir damit Energie und Zeit vergeuden. Nun haben wir beschlossen, unabhängig von der Polemik der Konservativen die Wähler aufzuklären und ihnen unsere Argumente nahezubringen.
Präsident Rouhani steht voll hinter seinen Ministern. Haben Sie als weibliches Kabinettsmitglied auch seine volle Unterstützung?
 Im Ganzen bin ich mit der Unterstützung zufrieden. Herr Rouhani hat unsere Strategien stets verteidigt. Wäre das nicht der Fall, hätte er uns bei all den Streitigkeiten mit den politischen Gegnern zumindest einmal ermahnt. Das hat er aber nicht getan.
Schätzen Sie, dass der zukünftigen Regierung mehr Frauen auf Ministerebene angehören werden?
Ich glaube, wir haben die Krisen überstanden, die wir am Anfang dieser Regierung hatten. Seinerzeit habe ich dem Präsidenten recht gegeben, dass in Staatsgeschäften Menschen mit mehr Erfahrung zu beauftragen sind. Nun, da wir diese Krisen hinter uns haben und wirtschaftlich sowie außenpolitisch stabil sind, ist die Zeit reif, Frauen mehr Möglichkeiten einzuräumen, in höheren Leitungsebenen ihre Fähigkeiten zu zeigen. Innenpolitisch hat diese Regierung noch keinen Weg gefunden, ihre Pläne durchzusetzen. Prioritäten waren bis jetzt Außenpolitik, Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung. Im Großen und Ganzen und unter heutigen Bedingungen wäre es aber nicht mehr gerechtfertigt, bei der nächsten Regierungsbildung keine Frauen im Kabinett zu haben.

Besonders junge Frauen hatten Rouhani unterstützt, in der Hoffnung, die rechtliche Lage der Frauen würde sich verbessern - Foto: Freude auf einer Teheraner Straße nach Rouhanis Sieg
Besonders junge Frauen hatten Rouhani bei der letzten Wahl unterstützt, in der Hoffnung, die rechtliche Lage der Frauen würde sich verbessern 

 
Vor den Wahlen machen die Kandidaten viele Versprechungen, auch viele, die Forderungen von Frauen thematisieren. Doch sobald sie gewählt sind, vergessen sie sie. Gilt das im Falle von Präsident Rouhani auch?
Es versteht sich von selbst, dass sich im Wahlkampf Parolen und Versprechungen häufen. Zu den Adressaten dieser Wahlversprechen gehören auch Frauen, die als potentielle Wählerinnen als Trittbretter genutzt werden, die die Männer zum Erfolg führen. Dies gilt auch bei Präsidentschaftswahlen. Es gilt aber auch, dass nach den Wahlen die Parolen und Versprechungen nicht vergessen und aus dem Programm gestrichen werden dürfen. Betrachten wir das Programm des Präsidenten, so finden wir Belange der Frauen wie etwa die Sozialversicherung für Hausfrauen. Dagegen ist eine Beteiligung von Frauen am Kabinett nicht vorgesehen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 warb Rouhani mit der Gleichstellung der Frauen bei der Arbeit um Stimmen, und viele Frauen und junge Menschen gaben sie ihm. Analytiker meinten, die Wahl Rouhanis sei gleichzusetzen gewesen mit dem Votieren für Veränderung der bestehenden Verhältnisse. Deshalb muss ich sagen: Wenn die Menschen Veränderung gewählt haben, erwarten sie auch Veränderung.
Welches betrachten Sie als das größte Hindernis der vergangenen vier Jahre?
In den vergangenen vier Jahren hatten wir viele Hindernisse zu bewältigen; die meisten von ihnen wurden uns unglücklicherweise von Frauen in den Weg gelegt. Die konservativen Männer waren bei weitem nicht so kräftezehrend wie die konservativen Frauen. Es ist zu bedauern, dass es uns nicht gelang, bei gemeinsamen Zielen eine Übereinkunft zu finden: Je mehr wir uns darum bemühten, desto schlechter wurde das Ergebnis.
Können Sie klarer sagen, welche Personen Sie meinen?
Shahindokht Molaverdi bei Papst Franziskus, Februar 2014 - Foto: isna.ir
Shahindokht Molaverdi bei Papst Franziskus, Februar 2014 – Foto: isna.ir

Solange das neunte Parlament noch tagte, stellten sich die meisten Mitglieder der kulturellen sowie sozialen parlamentarischen Frauengremien quer: Sie waren aufgrund ihrer konservativen Sichtweise gegen den Staat und seine Frauenbeauftragte. Gerade diese Einstellung verursacht ein Vakuum und dringenden Handlungsbedarf und führt dahin, dass gewisse wichtige Frauenbelange nicht einmal thematisiert werden.
Das heutige Parlament hat die meisten weiblichen Mitglieder seit der Gründung der islamischen Republik. Zudem sind die Parlamentarierinnen weniger konservativ und aktiver denn je. Sie wollen den Männern in keinem Punkt nachstehen und möchten mitentscheiden. Wie stehen Sie zu den Parlamentarierinnen?
Ideologische Nähe zu Parlamentarierinnen macht zwar Übereinstimmung leichter, jedoch war das Parlament im vergangenen Jahr mit dringlicheren Themen wie etwa dem Haushalt beschäftigt, was viel Zeit in Anspruch genommen hat. Wir hatten uns vorgenommen, uns mit der Fraktion der Frauen zu treffen. Drei Sitzungen sind ausgefallen, aber weiterhin ist der Bedarf nach Auseinandersetzung groß und das ermöglicht uns Übereinkunft.
Mit den konservativen Gegnern in puncto Frauen einen Konsens zu erreichen, ist schwer – und nicht nur ein Problem dieser Legislatur. Frauenthemen waren immer ein Streitpunkt der verschiedenen politischen Richtungen.
Kürzlich hielt ich in der technischen Universität von Isfahan eine Rede. Dort wurden Transparente mit der Aufschrift hochgehalten: „Frauenbeauftragte der Regierung = Zerstörung der Grundlage der Familie.“ Da sagte ich: Auch ich habe eine Familie und zwei Töchter, um sie bin ich besorgt und um ihre Zukunft. Sie glauben, sie seien die Einzigen, die sich um Werte wie Familie sorgen. Der reale Streit geht um die unterschiedlichen Wege zum Ideal. Sie behalten sich das alleinige Recht, den Weg zu bestimmen. Es kann aber sein, dass auch wir Recht haben. Der wirkliche Unterschied zwischen uns (den Gemäßigten und Reformern, d. Red.) und den Konservativen ist, dass Letztere Sorge haben, gesellschaftliche Werte aufzugeben. Und wir sind in Sorge wegen Praktiken, die im Laufe der Zeit zur Vernichtung dieser Werte führen.
Aus dem Persischen übertragen und überarbeitet von OMID SHADIWAR
َQuelle: Etemadnewspaper.ir
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