Irans Handy-Markt und die US-Sanktionen
Die schweren Sanktionen, die die USA seit ihrem Austritt aus dem Atomabkommen gegen den Iran verhängt haben, legen nach und nach verschiedene Bereiche der iranischen Wirtschaft lahm. Ein Beispiel: der Handy-Markt.
Von Mina Tehrani
„Bis auf weiteres geschlossen“, „Nur Reparatur, kein Verkauf!“ – solche und ähnliche Mitteilungen liest man in der iranischen Hauptstadt Teheran derzeit zunehmend häufig an den Schaufensterscheiben der Handyshops. Und die meisten Anbieter von Mobiltelefonen, die noch nicht ganz aufgegeben haben, verweisen auf großen Plakaten über ihren Verkaufstheken auf ihr eingeschränktes Sortiment: „Wir bieten nur Handys dieser Fabrikate an: .. .“ Auf der folgenden Liste stehen dann Modelle westlicher wie fernöstlicher Herstellerfirmen, aber keine des US-Premium-Marke Apple oder des japanischen Technologieriesen Sony.
Auch die überdimensionalen Werbeplakate dieser internationalen Marktführer sind von den Straßen verschwunden.
Die schweren Sanktionen, die die USA seit ihrem einseitigen Austritt aus dem Atomabkommen gegen den Iran verhängt haben, haben auch den iranischen Handymarkt in eine beispiellose Krise gestürzt. Die meisten internationalen Firmen und Hersteller haben ihre Geschäfte mit dem Iran aus Angst vor US-Strafen aufs Eis gelegt. „Sony hat sich bereits vollständig verabschiedet, Huawei ist gerade dabei, und Samsung bietet viele Modelle im Iran nicht mehr an“, schrieb die Teheraner Tageszeitung Shahrvand im April.
Die massiven Probleme der iranischen Regierung, trotz der Sanktionen noch an Devisen zu kommen, und der damit einhergehende hohe Wertverlust der iranischen Währung führen zu einer Verteuerung von Importwaren. Ein Handy, das bis vor kurzem zwei Millionen Tuman – etwa 120 Euro – kostete, ist momentan nur noch für mindestens das Dreifache zu haben – wenn man es denn überhaupt noch auf dem iranischen Markt finden kann.
Kundenservice statt Verkauf
„Die Nachfrage nach Mobiltelefonen ist von einer Million Geräte im Monat auf vier- bis fünfhunderttausend zurückgegangen“, erklärte kürzlich der Chef des Branchenverbands Mehdi Mohebi. Etwa neunzig Prozent der Nachfrage würden derzeit durch Handys gedeckt, die Reisende aus dem Ausland einführten. „Der Import rentiert sich nicht mehr. Die Anbieter beschränken ihre Aktivitäten deshalb im Moment auf den Kundenservice“, so Mohebi.
„Was sollen wir sonst machen? Wir haben keine Wahl“, sagt der Teheraner Händler Mehran A. „Bis vor einem Monat haben wir nur Handys verkauft und gar keine Reparaturarbeiten angenommen. Aber jetzt reparieren wir nur noch.“ Er selbst könne das gar nicht, erklärt A., sondern überließe das einem jungen Techniker, der von Zuhause arbeite: „Er verlangt immer mehr Geld. Bald werden sich die Menschen wahrscheinlich auch keine Reparaturen mehr leisten können und ich werde meinen Laden schließen müssen“, fürchtet A. Er zeigt auf zwei Läden gegenüber seinem Geschäft: „Der mit den geschlossenen Rollläden hat bis vor drei Wochen noch Handys verkauft. Dann musste er schließen. Der andere Laden, der noch offen ist, verkauft nur noch gebrauchte Handys. Bis zum vergangenen Sommer liefen ihre Geschäfte super, genau wie unsere.“
Der gegenüberliegende Laden, der nur noch mit Gebraucht-Handys handelt, gehört zwei Brüdern – Siamak und Sirous. Seit März arbeitet nur noch Sirous im Laden. Siamak reist in andere Städte, um gebrauchte Handys anzukaufen. „Die Wirtschaftslage ist in den meisten Provinzen noch wesentlich schlimmer als hier. Daher verkaufen viele Menschen dort ihre Handys. Viele können nicht einmal mehr die Reparaturkosten bezahlen.“ Sirous ist sauer auf die iranischen Machthaber, die behaupten, die Sanktionen hätten kaum Einfluss auf das Leben der Menschen im Iran.
Chinesen sind die Gewinner
Die größeren Geschäfte hätten es noch nicht so schwer wie die kleineren Händler, stellt Dschewad N., Geschäftsführer eines großen Handy-Ladens, fest.Der wirtschaftliche Druck lässt die Dollar-Reserven der Islamischen Republik schrumpfen. Der nicht subventionierte Dollar kostet auf dem illegalen Markt das Vierfache des staatlich subventionierten Dollars. Bis Ende März konnten Importeure Handys mit der subventionierten Auslandswährung einführen. Mit dem nicht subventionierten Dollar handeln zu müssen, hat die Preise jedoch nach oben katapultiert und eine Flaute ausgelöst.
Aktuell verkauften sich unbekannte Marken aus China gut, sagt Dschewad; Fabrikate, die viele Iraner*innen bisher gar nicht kannten. Doch auch in dem Bereich seien die Preise nicht immer erschwinglich. „Sie haben recht: Die Sanktionen haben keinen Einfluss auf ihr Leben“, resümiert Dschewad mit bitterem Lächeln die Aussagen der Regierenden. „Einem Multimilliardär macht es nichts aus, 15 Millionen Tuman für ein Handy auszugeben. Für einen Lehrer jedoch, der am Ende des Monats zwei Millionen Tuman verdient und dessen laufende Kosten weit über seinem Einkommen liegen, sieht die Sache anders aus.“♦
Aus dem Persischen übertragen und überarbeitet von Iman Aslani
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