Macht und Ohnmacht der Frauen im Iran – Teil 1

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellen westliche Medien den Iran als ein Land dar, das von Erdöl, Reichtum und vor allem von seinem ehrgeizigen, gutaussehenden und modernen Oberhaupt geprägt ist. Schah Reza Pahlavi, der „Schahansha“ (König der Könige), zelebriert die öffentliche Darstellung seines Privatlebens in prunkvoller Aufmachung, stets mit einer Schönheit an seiner Seite.

Seine erste Ehefrau ist Fausia, die Schwester des ägyptischen Königs Faruk. Aus dieser Ehe geht Tochter Schahnaz hervor. Die zweite Ehe, die kinderlos bleibt, schließt der Schah mit Soraya, einer Deutsch-Iranerin. Seine dritte Ehe mit Farah Diba erregt international noch mehr Aufsehen. Farah Diba, eine erfolgreiche Sportlerin, bringt zwei Töchter und zwei Söhne zur Welt, die potentiellen Kronprinzen. Sie ist eine gebildete, elegante und weltoffene Frau, die fließend Französisch und Englisch spricht, Architektur in Paris studiert hat und sich für Kunst und Kultur interessiert. Farah Diba errichtet Museen und organisiert Festspiele, stets in eleganter Robe. Das Königspaar ist im Pariser Louvre zuhause, lauscht in der Deutschen Oper Musik und fährt in St. Moritz Ski. Beinahe zwei Jahrzehntelang ist Farah Diba mit ihrem Ehemann und den vier Kindern das Lieblingsmotiv der westlichen Boulevardpresse.

Doch das Leben, über das die westlichen Medien damit in jenen Jahren berichteten, war das des modernen prunkvollen Irans. Weitgehend unsichtbar blieben die zurückgezogenen Teile der Bevölkerung: traditionelle, verschleierte Frauen, die nicht berufstätig waren, nicht Kunst und Kultur repräsentierten und selten Gymnasien besuchten oder an Universitäten studierten.

Am Rand blieb auch die kleine Zahl weltoffener intellektueller Frauen wie die Filmemacherin und Dichterin Forough Farrokhzad. Ihr Dokumentarfilm „Das Haus ist schwarz“ über eine Leprakolonie im Iran erhielt 1963 bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen den Großen Preis des Dokumentarfilms. Solche Arbeiten und Bilder erreichten aber nur wenige Kulturinteressierte. Das Bild des Iran im Ausland blieb vom Königspaar, von Schönheit, Reichtum und Pracht geprägt.

Vor der Revolution von 1979 gab es im Iran keine staatlich verordnete Kleiderordnung für Frauen!
Vor der islamischen Revolution von 1979 gab es im Iran keinen staatlich verordneten Kleiderzwang

Das Kopftuch bleibt ein Politikum

Bereits in den ersten Jahren der Regierungszeit Mohammad Reza Schahs hatten einflussreiche islamische Gelehrte versucht, eine Lockerung des Kopftuchverbots durchzusetzen. 1944 wurde das Verbot fallengelassen, die Zahl der Kopftuch- und Schleierträgerinnen nahm daraufhin zu. In den Bildungseinrichtungen war es jedoch weiterhin verpönt, Kopftücher zu tragen. Wer es dennoch trug, wurde gehänselt und beleidigt. Ein erneutes Dekret des Bildungsministeriums verbot 1973 Kopftücher in allen Bildungseinrichtungen. Drei Jahre später wurde auch dieses Verbot relativiert: Das Tragen von Kopftüchern in Bildungseinrichtungen wurde nun toleriert, einen Umhang jedoch durften Frauen dort nicht tragen.

Die Reform des islamischen Familienrechts

Dieselbe Zerrissenheit zeigte sich in den zögerlichen Versuchen der Reform des iranischen Familienrechts. 1967 wurde das „Gesetz zum Schutz der Familie“ verabschiedet, das im Wesentlichen folgende Änderungen mit sich brachte: Anders als im islamischen Recht, das einzig und allein den Mann ermächtigt, seine Ehefrau zu verstoßen, wurden die Männer in Scheidungsangelegenheiten entmachtet. Künftig mussten Familiengerichte prüfen, ob ein Zusammenleben der Eheleute unmöglich geworden war; erst dann wurde eine Scheidung vollzogen. Zudem gab es klare Regelungen für andere Umstände, unter denen eine Ehe geschieden werden konnte: etwa, wenn Ehemann oder Ehefrau zu bestimmten Haftstrafen verurteilt wurde, wenn einer der Ehepartner rauschgiftsüchtig war oder wenn der Ehemann ohne Zustimmung seiner ersten Ehefrau eine zweite Ehe einging. Im letzten Punkt fand sich eine klare Abkehr vom islamischen Recht, nach dem ein Mann insgesamt vier Frauen heiraten und dazu mit einer unbestimmten Anzahl weiterer Frauen Ehen auf Zeit schließen darf.

Andere elementare Familiengesetze wurden mit der neuen Vorlage allerdings nicht reformiert: Ein Ehemann durfte seiner Frau nach wie vor verbieten, einen Beruf auszuüben, wenn es ihm ehrenrührig erschien; in Paragraf 179 des neu gefassten Allgemeinen Strafrechts (aus dem Jahre 1973) heißt es nach wie vor: „Wenn ein Ehemann seine Frau mit einem fremden Mann im Bett oder einer vergleichbaren Situation überrascht und sie oder beide tötet, wird er nicht hingerichtet.“

In einer erneuten Reform des Familiengesetzes, im Februar 1975 verabschiedet, durfte der Ehemann nun nicht mehr ohne Weiteres mehr als eine Frau heiraten, sondern bedurfte der Zustimmung eines Gerichts, wenn er eine zweite Ehe eingehen wolle. Das Gericht wiederum musste sich bei der ersten Frau informieren, ob der Ehemann überhaupt in der Lage sei, zwei Familien zu ernähren. Auch zeitlich begrenzte Ehen durfte ein Mann nicht mehr ohne Gerichtserlaubnis eingehen. Wer eine „Ehe auf Zeit“ eingehen wollte, musste vorab notariell bestätigen lassen, dass er ledig ist. Und es galten neue Altersgrenzen für die Eheschließung: Das Mindestalter für Frauen betrug nun 18 Jahre, für Männer wurde es auf 20 Jahre festgesetzt. Dieses Gesetz wurde zwei Wochen nach der Revolution und Khomeinis Machtübernahme wieder geändert.

 

An der Anti-Schah- Revolution von 1979 nahmen Frauen mit und ohne Kopftuch teil
An der Anti-Schah- Revolution von 1979 nahmen Frauen mit und ohne Kopftuch teil

Eine – bis heute – unendliche Geschichte

Auch an der Revolution waren zwei unterschiedliche Gruppen der iranischen Gesellschaft beteiligt. Moderne Menschen, Studierende und Intellektuelle hatten reichlich Gründe, um gegen die Alleinherrschaft des Schahs vorzugehen: gegen Zensur, gegen die Präsenz der mächtigen Geheimdienste, gegen Inhaftierungen, Folter und Hinrichtungen. Sie forderten Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit – Seite an Seite mit der zweiten Gruppe, streng religiösen Kräften, die ihre Religion und die Männerherrschaft durch die Reformen des Familienrechts und die aufgezwungene Modernisierung in Gefahr sahen. Deshalb gingen in den letzten Jahren der Schah-Ära zahlreich auch immer wieder die „unsichtbar gewordenen Frauen“ auf die Straße, zeigten Präsenz und rächten sich für Beleidigungen, Geringschätzung und Ausgrenzung.

Veränderungen verlaufen im Sande ohne Aufklärung, ohne Dialog und gelungene Überzeugungsarbeit dafür, betroffene Frauen mitzunehmen. Ebenso wenig, wie man vor der Revolution Frauen aus streng islamischen Familien mit Bajonetten davon überzeugen konnte, „frei“ zu leben, können heute Sittenwächter*innen moderne iranische Frauen mit Parolen, Ermahnungen und Drohungen vom Schleierzwang überzeugen. Viele Iranerinnen protestieren seit dem 8. März 1979, vier Wochen nach dem Machtwechsel, bis heute gegen den Verhüllungszwang.

Seit 42 Jahren wird im Iran versucht, Frauen aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und ihre Macht und ihren Einfluss einzuschränken. Heute muss der Iran als einziges Land der Welt Männerquoten einrichten, damit es an seinen Hochschulen mehr als 35 Prozent männliche Studenten und Absolventen gibt.♦

© Iran Journal

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