Der stille Widerstand der Iranerinnen

Die religiösen Hardliner im Iran versuchen mit allen Mitteln, den Status Quo beizubehalten. Bei den Parlamentswahlen wurden kaum progressive Kandidatinnen zugelassen. Dennoch geben iranische Frauen die Hoffnung nicht auf, ihrer rechtlichen Benachteiligung ein Ende zu setzen. In den Großstädten schaffen sich immer mehr junge Frauen durch Bildung Freiräume und erobern Männerdomänen. Ein Beispiel.

Von Nasrin Bassiri

Shabnam ist 34 Jahre alt, erfolgreiche Grafikdesignerin und leitet ihre eigene Werbeagentur im Norden Teherans, wo die noblen Büros ansässig sind. Ihre Eltern, der Vater Ingenieur, die Mutter Lektorin, wohnen in einem Eigenheim ebenfalls im Norden Teherans.

Sie haben ihre Tochter freizügig erzogen und dennoch waren sie nicht einverstanden, als Shabnam ihnen vor fünf Jahren mitteilte, sie wolle allein in ein modernes Apartmenthaus mit Panoramablick ziehen. Doch die junge Frau setzte sich durch – und lebt heute immer noch als Single.

Ob sie nicht heiraten wolle? Auf die Frage folgt erst ein langes Schweigen, dann ein Lächeln: „Warum nicht! Nur müsste ich erst den Richtigen finden.“ Dann lacht sie laut und ergänzt: „Den gibt es aber nicht!“

Vieles spreche gegen eine Heirat: „Wenn ich ins Ausland reisen möchte, wie etwa kürzlich zur Berlinale, muss ich erst meinen Mann fragen. Ohne seine Genehmigung kann ich das Land nicht verlassen. Die Scheidung kann ich auch ohne weiteres nicht beantragen, wenn unser Leben für mich unerträglich werden sollte.“

Ehevertrag als Liebestöter

Einmal sei sie „dem Richtigen“ begegnet, erzählt Shabnam: „Ich war richtig verliebt. Schon nach wenigen Monaten habe ich ihm einen Heiratsantrag gemacht – warum nicht! Wieso sollen immer nur Männer einen Heiratsantrag machen? Doch er war sichtlich überrascht, als ich von ihm verlangt habe, mit mir einen Ehevertrag zu schließen.“

Foto: melimazhabi.com
Die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi war eine der ersten Frauen, die einen Ehevertrag vorgeschlagen haben 

Iranische Frauen verlieren bei der Heirat viele Rechte. Ein Ehevertrag, der zuerst von einigen Aktivistinnen der Frauenbewegung erstellt wurde und mittlerweile verbreitet ist, hilft, diese Verluste zu kompensieren. Mit dem Vertrag gibt der Ehemann seiner zukünftigen Frau das Recht, eine Scheidung einreichen zu dürfen, ohne seine Genehmigung ins Ausland zu reisen, den gemeinsamen Wohnort mitzubestimmen, zu studieren und einem Beruf ihrer Wahl nachzugehen. „Der scheinbar so moderne und aufgeklärte Mann, den ich liebte, war entsetzt“, erzählt Shabnam: „Er sagte: Was für eine Liebe ist das, wenn du mir nicht vertraust und schon vor der Eheschließung an Scheidung denkst!“ Damit sei die Beziehung zu Ende gegangen.

Ob sie nicht Kinder haben möchte? Shabnam ist sich darüber nicht sicher, aber wenn das irgendwann der Fall sein sollte, würden dadurch bei einer eventuellen Scheidung weitere Probleme auf sie zukommen: „Das Sorgerecht ist, wenn Kinder nicht ganz klein sind, den Vätern vorbehalten.“

Für Shabnam und andere jungen Iranerinnen ist Scheidung ein wichtiges Thema, denn Medienberichten zufolge kommt sie immer häufiger vor. Zuverlässige Statistiken gibt es nicht, aber die Scheidungsrate ist so hoch, dass die Verantwortlichen sie „alarmierend“ finden und Geistliche von der Regierung Maßnahmen verlangen, diesen Trend zu stoppen.

Simulierte Zeitehe

Ehe auf Zeit wird von der Frauenbewegung kritisiert aber von den Konservativen als eine Maßnahme für die finanzielle Unterstützung der alleinstehden Frauen befürwortet - das Foto zeigt eine Befürworterin der Zeitehe
Ehe auf Zeit wird von der Frauenbewegung kritisiert aber von den Konservativen als eine Maßnahme für die finanzielle Unterstützung der alleinstehden Frauen befürwortet – das Foto zeigt eine Befürworterin der Zeitehe

Shabnam lebt zwar allein, Beziehungen, kürzere oder längere, hatte sie aber dennoch. Denn um eine Beziehung einzugehen oder mit einem Mann zusammenzuleben, brauche man heute in Teheran nicht unbedingt einen Trauschein: „Heute wird kaum jemand wegen einer ‚weißen Ehe’ (Bezeichnung für Paare, die ohne Trauschein zusammenleben – d. Red.) bestraft“, erklärt sie. Die Zeiten hätten sich geändert: „Das Tabu ist gebrochen“, so Shabnam.

Sollten die Unverheirateten dennoch Pech haben und belangt werden, könne man behaupten, man sei eine „Ehe auf Zeit“ eingegangen: „Das ist möglich, seit die Zeitehe nicht mehr amtlich registriert werden muss.“

Nicht wie die Mutter leben

Shabnam kann es nicht nachvollziehen, dass ihre Eltern zuhause die klassische Aufgabenteilung haben – obwohl beide berufstätig sind. „Mein Vater kam von der Arbeit nach Hause, um sich zu erholen, meine Mutter, um für uns Kinder zu kochen. Oft hat mein Vater Zeitung gelesen oder fern gesehen, während meine Mutter Gemüse schnippelte.“

Shabnam ist entschlossen: „Wie meine Mutter möchte ich nicht leben, die Karriere aufgeben, eine kleine Angestellte bleiben und zu hause den Mann und die Kinder bedienen.“ Sie ist sich sicher, dass iranische Frauen in naher Zukunft eine andere Rolle einnehmen werden.

Erfolgreiche Frauen

Schon jetzt ist der Erfolg der iranischen Frauen blendend. Der Anteil von Studentinnen an iranischen Unis pendelt seit fast zwei Jahrzehnten zwischen 60 und 70 Prozent. Laut Statistiken haben 4,2 Prozent der iranischen Frauen einen Hochschulabschluss. Der Anteil der männlichen Absolventen beträgt 2,2 Prozent. Aus den Akademikerinnen sind inzwischen erfolgreiche Regisseurinnen, Filmproduzentinnen, Verlegerinnen, Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen und Autorinnen hervorgegangen. Sie und andere iranische Frauen hoffen nun darauf, dass diesem Zustand endlich auch in den iranischen Gesetzen Rechnung getragen wird und Frauen nicht länger als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

© Iran Journal

Zur Startseite