Iranische Schriftstellerinnen: In a Man’s World

Vor 51 Jahren, zehn Jahre vor der Revolution, wurde im Iran erstmals ein Roman einer Frau veröffentlicht. Trotz steigender Beliebtheit von Autorinnen bei der Leserschaft beherrscht bis heute der männliche Blick die iranische Literaturkritik.

Von Fahimeh Farsaie

Das Jahr 1969 stellt in der Geschichte der modernen Literatur des Iran einen bedeutenden Wendepunkt dar: In jenem Jahr wurde in Teheran der erste Roman einer Schriftstellerin veröffentlicht, Savushun (Drama der Trauer) von Simin Daneshvar. Obwohl eine Frau dieses Trauerspiel schildert, ist Savushun keine „Her-Story“ à la Virginia Woolf. Weder das Thema noch die Frauenfigur des Romans gehören zu einem Komplex, für den die von Woolf skizzierte clevere „Schwester von Shakespeare, Judith“ sich interessieren würde. Woolfs Meisterwerk Ein Zimmer für sich allein, das Ende der 60er Jahre von den deutschen Feministinnen wiederentdeckt wurde, wurde im Iran erst 2004 übersetzt und verlegt. In Savushun geht es um das Schicksal einer Landbesitzerfamilie in Schiras, einer Stadt im Süden des Iran, die während des Zweiten Weltkriegs den alliierten Großmächten ausgesetzt ist.

Die iranischen Schwestern von Mary

Die ersten iranischen Erzählungen, die Öffentlichkeit für die weibliche Sicht auf die Welt einforderten, wurden ebenfalls um das Jahr 1970 herausgegeben: Mahshid Amirshahi, Goli Taraghi und Shahrnoosh Parsipour sind die bekanntesten Vorreiterinnen dieser Literaturgattung. Gesellschaftlich und finanziell ähneln diese Autorinnen eher einer weiteren Figur von Virginia Woolf, Mary. Denn sie durften im In- und Ausland studieren und danach in den Medien und an den Universitäten des Iran arbeiten und lehren. Wenngleich es in ihren Werken subtil wie explizit um die Frauenwelt, um männliche Machtstrukturen und Möglichkeiten der Selbstentfaltung geht, konnten sie keine frauenspezifischen Diskurse in der Gesellschaft anstoßen.

Simin Daneshvar, erste Romanautorin des Iran
Simin Daneshvar, erste Romanautorin des Iran

Der tiefe Bruch

De facto war sogar das Gegenteil der Fall: In den frühen 80er Jahren verschwanden etliche schreibende Frauen allmählich aus der iranischen Literaturszene, obwohl ihre Geschlechtsgenossinnen während der Revolution im Jahr 1979 eine wichtige Rolle gespielt hatten. Der Grund war – neben der Übermacht der Männer im Literaturbetrieb – die trüben Aussichten des postrevolutionären Klimas, das einige Autorinnen ins Exil trieb. Die Polarisierung von Kulturschaffenden, die sich anfänglich pro oder kontra die neu gegründete „islamische Regierung“ positionierten, trug überdies dazu bei, dass diejenigen, die sich in einer Weder-Noch-Position befanden, schwiegen und sich zurückzogen. Fazit: Es blieben keine Protagonistinnen mehr, die einen Wandel hätten vorantreiben können.

Das war ein Grund dafür, dass in der ersten Anthologie, die die Gruppe der Kontra-Autor*innen unmittelbar nach der Revolution herausgab (Kanoon), nur wenige Gedichte von drei Autorinnen auf insgesamt fünf Seiten enthalten waren; im ersten Sammelband der Pro-Gruppe, der ein Jahr später verlegt wurde (Daftare Shora), war gar keine Spur von Frauenphantasien zu finden. Die literarische Öffentlichkeit in der Zeit blieb, nicht fern von Sinn und Wille des „islamischen Staates“, maskulin.

Riss im Männerclub

Es musste nach der Revolution etwa ein Jahrzehnt vergehen, bis Bücher von Schriftstellerinnen auf den Markt kommen konnten. Die erste Frau, die in den Männerclub eindrang, war Moniroo Ravanipour (geboren 1952). Sie stammt aus Bushehr, einer Stadt im Süden des Iran, und brachte die Mythen und Rituale dieser Provinz mit. Oft stehen Frauen und ihre bitteren Schicksale im Zentrum ihrer zehn im Iran veröffentlichten Bücher, die im Stile des magischen Realismus à la Isabel Allende in deren früheren Werken erzählt werden. Ravanipours erster Roman, The Drowned (1990), handelt von mysteriösen Riten und Bräuchen ihres Heimatdorfes und war ihr Durchbruch als Schriftstellerin in Iran.

Dem folgen eine Reihe von Scheherazaden, die zwar das Leben der Frauen in ihren Erzählungen gekonnt ein- und durchscannen, sie aber nicht im Kontext gesellschaftlicher Missstände zu beleuchten versuchen. Ihre spezielle Location heißt nun Familie.
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