Macht und Ohnmacht der Frauen – Teil 2
Die Versuche der Machthaber, gegen diese hervorragenden Frauengestalten ein ihren Vorstellungen entsprechendes Bild der Weiblichkeit zu etablieren, sind bislang erfolglos und münden nicht selten gar in Peinlichkeit. So versucht das staatliche Fernsehen mit gut aussehenden und bei ihren Auftritten selbstverständlich den Kleidervorschriften des Regimes Genüge tuenden Sprecherinnen jungen Frauen ein Vorbild zu bieten. Etwa die Starsprecherin Azadeh Namdari: Sie ließ sich 2018 für ein Werbeplakat mit schwarzem Schleier fotografieren, daneben stand in großen Buchstaben „Gott sei Dank trage ich den Tschador“.
Wenige Monate später veröffentlichten Medien unverschleierte Fotos von ihr, aufgenommen in einem Schweizer Park, mit Mann und Kind und einer Bierflasche in der Hand.
Eingeständnisse des Scheiterns
Die Kinder von Ayatollahs und iranischen Politikern, sogar die Enkeltöchter des Gründers der islamischen Republik, Ayatollah Ruhollah Khomeini, leben heute lieber in den USA und Kanada. Viele von ihnen tragen dort keine islamische Kleidung. Und mittlerweile diskutieren auch im Iran selbst erzkonservative Hardliner im staatlichen Fernsehen über die Abschaffung der Sittenpolizei, die auf den Straßen die Einhaltung der Bekleidungsregeln kontrolliert.
Ihr Argument: „Wenn 42 Jahre nicht ausgereicht haben, um die iranischen Frauen vom Tragen islamischer Kleidung zu überzeugen, spricht die Vernunft dafür, nicht länger gegen ihren Willen auf die islamische Kleiderordnung zu pochen“, die sich nur noch mit Gerichtsurteilen durchsetzen lässt.
Manche Töchter einst mächtiger Ayatollahs sind heute reif, gebildet und selbstbewusst, sie haben die Welt gesehen, im Ausland studiert und hinterfragen die Ansichten und Taten ihrer Väter und Großväter. Fatemeh Sadeghi, Die Tochter des als „Henker“ berüchtigten Sadegh Khalkhali, der von Khomeini 1979 zum Revolutionsrichter ernannt wurde und unzählige Todesurteile fällte, tritt auf einer Veranstaltung in Paris unverschleiert auf und spricht sich dort gegen den Schleierzwang und für die Rechte homosexueller Männer und Frauen aus.
Faeze Hashemi-Rafsanjani, die Tochter des zweitwichtigsten Mannes nach der Revolution, der Parlamentschef, Staatspräsident, Vorsitzender des Expertenrats, Chef des Schlichterrats und zudem maßgeblich daran beteiligt war, dass Ali Khamenei als oberster religiöser Führer gewählt wurde, setzt sich für Frauensport ein und hat neulich in einem Interview gesagt, dass sie den „maximalen Druck“ von Donald Trump gegen den Iran gut findet, weil er das Regime schwächen und für tiefgreifenden Veränderungen im islamischen System führen würde.
Sie wurde wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte mehrfach verhört und ins Gefängnis gesperrt. Dort lernte sie Frauenrechtlerinnen und Angehörige der verfolgten religiösen Minderheit der Baha’i kennen, die sie nach ihrer Haftentlassung zuhause besuchte. Faeze Hashemi-Rafsanjani tritt stets voll verschleiert auf.
Fest steht: Sollte sich die iranische Gesellschaft in Richtung Demokratie bewegen, werden die Frauen dabei zweifellos eine maßgebliche Rolle spielen. Der Widerstand im Iran ist weiblich.♦
Die Autorin ist promovierte Politikwissenschaftlerin und Frauenrechtlerin. Nach der Revolution 1979 gründete sie im Iran mit weiteren Frauenaktivistinnen die „Union iranischer Frauen“. Im Jahr 1981 wurde die Organisation verboten und das Regime verfolgte deren aktiven Mitglieder. Bassiri flüchtete 1983 nach Deutschland und war von 1995 bis 2019 Frauenbeauftragte der Kunsthochschule Weißensee in Berlin. Derzeit arbeitet sie als freie Autorin und schreibt für verschiedene Medien.
© Iran Journal
Diese Beiträge können Sie auch interessieren:
Macht und Ohnmacht der Frauen im Iran – Teil 1
Meilensteine auf dem Weg zur Gleichstellung