Geschönte Arbeitslosenzahlen als Zeichen des Regierungserfolgs
Seit Jahren verlangen Expert:innen von der Islamische Republik, sich mehr um die Wirtschaft des Landes zu kümmern. Vergeblich: Die Regierungen haben sich bisher damit begnügt, die offiziellen Zahlen zu schönen. Wie lange das gut geht, wird die Zukunft zeigen.
Von Mina Tehrani*
Eine von Wirtschaftsfachleuten häufig geübte Kritik an iranischen Regierungen ist die Irreführung der Bevölkerung mithilfe von Statistiken. Die Arbeitslosen- bzw. Beschäftigungsquote ist dafür ein prägnantes Beispiel. Es werden dabei in der Regel Zahlen bekanntgegeben, die den Menschen im Iran aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und Beobachtungen nicht glaubwürdig erscheinen. So gab die iranische Regierung während der Coronapandemie, als selbst die stärksten Wirtschaften der Welt herbe Schläge erlitten und viele Kleinunternehmen Konkurs anmeldeten, die Zahl der Arbeitslosen im Frühjahr 2020 mit 9,8 Prozent an. Das veranlasste sogar das Parlament, diese Zahl anzuzweifeln und sie auf „24 Prozent“ zu korrigieren.
Raisi führt die Tradition weiter
Nach jüngsten Angaben des iranischen Statistikzentrums war die Zahl der Arbeitslosen in diesem Winter so niedrig wie in den letzten 19 Jahren nicht. Das sei Raisis Regierung zu verdanken. Demnach sollen von den etwa 65 Millionen Iraner:innen im Alter von über 15 Jahren fast 24,2 Millionen beschäftigt und nur etwa zwei Millionen arbeitslos gewesen sein. Die Arbeitslosenquote liege bei 8,6 Prozent und habe im Vergleich zum letzten Herbst „saisonal bedingt nur um 1 Prozent“ zugenommen, so das Amt für Statistik.
Bereits im Herbst 2023 hatte das Amt „stolze Zahlen“ veröffentlicht, die den Erfolg der Regierung von Präsident Ebrahim Raisi unterstreichen sollten. Es hieß, bei Raisis Amtsantritt habe es 8,8% Arbeitslose gegeben. Etwa zwei Jahre später sei die Arbeitslosenquote auf 7,6% gesunken.
Tatsächliche Zahlen unbekannt
Nimmt man die Fakten unter die Lupe, kommt man zu erstaunlichen Ergebnissen. Offiziell gilt im Iran nur als arbeitslos, wer nachweislich nach Arbeit sucht. Das Heer der Menschen, die die Suche nach einer Arbeit aufgegeben haben und sich nicht mehr bei Ämtern und Firmen melden, aber auch derjenigen, die illegal arbeiten oder ihren Familien auf der Tasche liegen, wird nicht erfasst.
Zudem arbeiten nach Angaben des Statistikzentrums von den 24,2 Millionen Beschäftigten etwa 7,5 Millionen Menschen weniger als 24 Stunden pro Woche. Dabei werden Jobs ab einer Stunde wöchentlich berechnet. So wird die Zahl der „Beschäftigten“ vergrößert.
Von der Gesamtbevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Menschen ab 15 Jahren) gelten nach der neuesten Statistik nur 26 Millionen als „aktiv“. Das heißt, 41 Prozent der gesamten Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sind entweder beschäftigt oder suchen nachweislich Arbeit. 59 Prozent tauchen gar nicht in den Statistiken auf.
Benachteiligung der Frauen
Schätzungen des Statistikzentrums zufolge ist der Anteil der Männer auf dem iranischen Arbeitsmarkt mehr als fünfmal so hoch wie der der Frauen. In diesem Winter sollen laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA etwa 20,4 Millionen Männer und etwa 3,7 Millionen Frauen beschäftigt gewesen sein.
Nach offiziellen Angaben verfügen fast 70 Prozent der weiblichen Arbeitssuchenden über eine Hochschulausbildung, während dieser Anteil bei den Männern bei rund 25 Prozent liegt.
Laut Expert:innen nimmt ein Großteil der Beschäftigten im Iran minderwertige, kleine und ertragsschwache Jobs an, die bei jedem wirtschaftlichen Einbruch vernichtet werden können. Sie warnen die Verantwortlichen seit Jahren, dass diese Menschen, besonders Frauen der ärmeren Schichten, für Ausbeutung geeignet seien. Die meisten von ihnen seien nicht einmal krankenversichert und verarmten immer mehr.
Doch diese Warnungen haben bisher keine Wirkung gezeigt. Die Islamische Republik begnügt sich mit manipulierten Zahlen und ist in der Lage, jeden Protest mit Waffengewalt zu unterdrücken. Wie lange diese Methode währt, das wird die Zukunft zeigen.
*Mina Tehrani ist das Pseudonym unserer Autorin, um sie zu schützen.
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