"Schmutziges Geld" drängt unabhängige Filmemacher ins Abseits
„Schmutzige Gelder“, die in Großproduktionen flössen, machten unabhängigen Filmemachern das Leben schwer, beklagen zwei iranische Regisseure und Drehbuchautoren. Woher kommen die Gelder?
„Schmutzige Gelder fließen in die iranische Kinolandschaft und drängen unabhängige Filmemacher immer mehr in die Ecke.“ Diese Klage kommt nicht von unbekannten Regisseuren, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen und versuchen, unter den Großen der Branche Fuß zu fassen, sondern unter anderem von der international bekannten Regisseurin und Produzentin Manijeh Hekmat. Ihr erster Spielfilm „Frauengefängnis“, ein Politdrama aus dem Jahr 2002, wurde weltweit auf über achtzig Filmfestivals gezeigt und gewann sieben Preise.
In einem offenen Brief an die Iranische Organisation für Kino schrieb die 56-Jährige vergangene Woche von „schmutzigen Finanzierungsbanden“, die zusammen mit Kinobesitzern und dem Rat, der die Aufführungen koordiniert, unabhängige Filmemacher „institutionell benachteiligen“ sollen. Nach einer zehnjährigen Pause hat die Regisseurin 2017 ihren neuesten Film „Alte Straße“ gedreht, der wie ihre anderen Werke Probleme der Frauen in der iranischen Gesellschaft aufgreift.
Kurz davor hatte sich auch der Regisseur Mehdi Karampour, der in seinen Filmen ebenfalls soziale Themen behandelt, über die Benachteiligung seines neuesten Films „Sophie und der Verrückte“ (2017) beschwert. Auch er schrieb von „schmutzigen Geldern, die von allen Seiten hereinfließen“. „Keiner darf außer der Reihe tanzen, sonst wird er bestraft und gebrandmarkt“, schreibt der Drehbuchautor und Regisseur. „Der öffentliche Geschmack soll geändert werden. Die Bezugsgruppen sollen zu gehorsamen Narren reduziert werden“, bedauert Karampour.
Ein Überlebenskampf
Seit Jahren beschweren sich unabhängige Filmemacher im Iran über koordinierte Pläne, die Gesellschaft in eine bestimmte Richtung zu lenken. Letzten Endes sollen nur die Regimetreuen überleben.
Eine Quelle erörterte vor kurzem in einem Interview mit der Deutschen Welle die Wirkung der von Hekmat und Karampour als „schmutzig“ beschriebenen Gelder. „Gagen werden mittlerweile so hoch angesetzt, dass sie nur von aus den eigenen Reihen stammenden Filmemachern bezahlt werden können“, sagte die Quelle, die unbekannt bleiben wollte.
In den vergangenen Jahren wurde in den iranischen Medien oft über mögliche „Geldwäsche“ in der Kinolandschaft berichtet. So hatte etwa der wegen Untreue zum Tode verurteilte Oligarch Babak Zanjani in einige Kinofilme investiert, bevor er unter der Regierung Rouhani inhaftiert wurde. Zanjani soll der früheren Regierung von Mahmud Ahmadinedschad geholfen haben, die internationalen Ölsanktionen gegen den Iran zu umgehen. Ihm wird vorgeworfen, Einnahmen unterschlagen zu haben.
Auch der Produzent der im Iran sehr beliebten Dramaserie „Shahrzad“ steht im Fokus der Medien. Mohammad Emami wurde in Verbindung mit einer milliardenschweren Korruption bei der Pensionskasse der Lehrer verhaftet. Der Investor der Fernsehserie, Mohammad Hadi Razawi, der Medienberichten zufolge dem Produzenten Emami nahe steht, ist der Schwiegersohn des einflussreichen Politikers und bisherigen Industrieministers Mohammad Shariatmadari. Der 34-jährige Razawi, der eine große Wirtschaftsgruppe besitzt, beschrieb die Serie als „das größte und teuerste Projekt der iranischen Kino- und Fernsehgeschichte im Privatsektor“. Die Quelle der 12 Milliarden Toman betragenden Produktionskosten – über 750.000 Euro – wurde bislang nicht offengelegt.
Der Produzent Zia Haschemi stellte im vergangenen Jahr in einem Zeitungsinterview fest, dass Investitionen in Filmprojekte nicht aus finanziellen Interessen erfolgten – denn sie seien in der Regel nicht lukrativ genug. „Sonst hätten uns die einflussreichen Investoren keinen Platz gelassen“, fuhr der Produzent fort und warnte vor den „fragwürdigen Investitionen“ in Kinofilme.
David gegen Goliath
Nicht nur gut vernetzte Schwerinvestoren sollen dazu beitragen. Die Kunst- und Medien-Organisation Oudsch (Owj Arts and Media Organization), die von der Revolutionsgarde unterstützt wird, deckt Kosten von hoch budgetierten Projekten, die mit den Propagandazielen der paramilitärischen Organisation übereinstimmen. So wurden etwa die fünfte Staffel der beliebten Fernsehserie „Paytakht“ („Die Hauptstadt“) und der Film „Damascus Time“, die die Perspektive der Islamischen Republik auf den Bürgerkrieg in Syrien propagieren, von Owj finanziert.
Doch auch über fragwürdige Geldquellen hinaus – seien es „schmutziges Geld“ oder Großinvestoren – wird unabhängigen Filmemachern das künstlerische Überleben im Iran schwer gemacht.
Beispielsweise „wird zeitgleich zu unabhängigen Filmen mehreren seichten Unterhaltungsfilmen die Aufführungsgenehmigung erteilt; unabhängige Werke werden ungünstig terminiert oder schnell aus den Kinos genommen“, sagt der anonyme Gesprächspartner der Deutschen Welle. Die „eigenen“ Filme liefen dagegen beliebig lange in den besten Kinos. Auch die Kinobesitzer zeigen mehr Interesse für die Kassenschlager.
Dazu kommen die Steine, die die Aufsichtsbehörden unabhängigen Filmemachern in den Weg legen.
Hart oder sanft: Das Ziel ist das gleiche
Die Methoden sind allerdings nicht immer sanft. Manchmal werden unabhängige Filmemacher oder andere Kulturschaffende rigoros aus dem Verkehr gezogen.
Der international renommierte Regisseur Jafar Panahi, der sich in seinen Filmen kritisch mit der Islamischen Republik auseinandersetzt, wurde 2010 zu sechs Jahren Gefängnis und einem Berufsverbot von 20 Jahren verurteilt. Er darf keine Interviews geben und nicht ins Ausland reisen. Seinen Goldenen Bären bei der 65. Berlinale 2015 für den Film „Taxi Teheran“ musste deshalb seine Nichte entgegennehmen.
Auch Mohammd Rassulof und die Tochter der Regisseurin Hekmat haben das zu spüren bekommen. Die Schauspielerin und Filmemacherin Pegah Ahangarani wurde 2013 in erster Instanz zu eineinhalb Jahre Haft verurteilt. Die als Unterstützerin der „Grünen Bewegung“ – der Protestwelle nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Iran 2009 – geltende Künstlerin, die den als gemäßigt geltenden Präsidenten Hassan Rouhani unterstützen soll, hat unter anderem einen kritischen Film über den ehemaligen Anführer von Teheraner Hisbaollah Masoud Dehnamaki – heute ein regimetreuer Regisseur – gedreht. Dehnamaki bestreitet jedoch, bei der Verurteilung der Schauspielerin eine Rolle gespielt zu haben.
Vom finanziellen und politischen Druck sind aber nicht nur Filmemacher, sondern unabhängige Kulturschaffende generell betroffen. Sogar in die iranische Politik flössen teilweise schmutzige Gelder, sagte Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli Ende Februar 2015. Die aktuelle Auseinandersetzung um den Beitritt des Iran zu der internationalen Arbeitsgruppe für Maßnahmen gegen Geldwäsche (FATF) zeugt von der Hartnäckigkeit und dem Einfluss der Gegner – die einen Teil ihrer dubiosen Geschäfte möglicherweise an den Kinokassen waschen.
© Iran Journal
Auch diese Beiträge können Sie interessieren: