Komödien angesichts von Tragödien

Konservative iranische Medien kritisieren iranische Filme und Kino-Akteure bei den Berliner Filmfestspielen. Im Fokus steht vor allem die Diva des iranischen Kinos, Leila Hatami.

Von Nasrin Bassiri

Khook“ bedeutet auf Deutsch „Schwein“ – das Tier, das im Islam als unrein gilt und dessen Fleisch nicht verzehrt werden darf. In Mani Haghighis gleichnamigem iranischen Wettbewerbsbeitrag bei der am Wochenende zu Ende gegangenen diesjährigen Berlinale köpft ein Serienmörder im Iran vier kritische Filmemacher_innen. Auf die Stirn seiner Opfer schreibt er das Wort „Khook“.

Schwarzer Humor, der offensichtlich von einem tragischen Ereignis vor knapp zwanzig Jahren inspiriert ist. Innerhalb weniger Tage wurden damals im Iran mehrere kritische Schriftsteller, Dichter, Denker und Journalisten entführt und erdrosselt. Die später als politische Serienmorde bekannt gewordenen Taten führten zu einem Schrei nach Aufklärung und Gerechtigkeit.

Nach einer Reihe von Festnahmen und Prozessen, die eher für Verdunkelung als für Aufklärung sorgten, überraschte der damalige iranische Staatspräsident, der Reformpolitiker Mohammed Chatami, die Öffentlichkeit mit einer Information: Die Morde seien im Auftrag „gewisser Kreise“ aus dem Informationsministerium verübt worden, gab er bekannt. Was alle schon wussten, wurde damit auch offiziell vom Staatspräsidenten selbst verkündet. Auch wenn diese Aussage nicht dabei half, die Drahtzieher zur Verantwortung zu ziehen, weckte Chatamis Bekenntnis die Hoffnung, es könne nun im Iran bergauf gehen.

Leyla Hatami, die Hauptdarstellerin von "Khook": Ich bin tieftraurig und beschämt darüber, dass in meinem Land Menschen nur unter Einsatz ihres Lebens protestieren können!
Leyla Hatami, die Hauptdarstellerin von „Khook“: Ich bin tieftraurig und beschämt darüber, dass in meinem Land Menschen nur unter Einsatz ihres Lebens protestieren können!

Über Tragik lachen

Zu der Frage, ob man solche Ereignisse als Ausgangspunkt nehmen dürfe, um eine Komödie zu drehen, sagte Haghighi auf der Pressekonferenz zu seinem Film: „Ein tragisches Ereignis kann man erst dann ernst nehmen, wenn man darüber lachen kann. Ich habe versucht, durch das Labyrinth der Kunst die nötige Distanz zu gewinnen, sonst wäre mein Film zu einer flachen Geschichte voller Schlagworte und Parolen verkommen.“

Für Irritation sorgen die Namen der in dem Film ermordeten Regisseur_innen. Der Grund: Es sind Namen von heute im Iran lebenden kritischen Filmemacher_innen. Trotz Nachfragen gibt Haghighi dafür keine Erklärung ab.

Der Hauptprotagonist Hassan Kasmaie (gespielt von Hassan Majuni) ist ein bekannter Regisseur, steht auf der schwarzen Liste, ist mit Arbeitsverbot belegt und stammt aus Azerbaidschan – Besonderheiten, die viele Zuschauer_innen an den iranischen Regisseur und Berlinale-Preisträger Jafar Panahi erinnern.

Ermordet wird er nicht, und das ist sein Problem: Der kindisch-egomanische Kasmaie hält sich für den Größten und erwartet deshalb, dass der Mörder ihn als ersten aufsucht. Er ist tief enttäuscht, als der nach drei Morden immer noch nicht bei ihm war. „Keine Sorge, er wird Dich auch bald holen“, tröstet seine Mutter ihn.

Jafar Panahi war 2010 zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufsverbot verurteilt worden. Zwei seiner in dieser Zeit gedrehten Filme wurden in Berlin ausgezeichnet: „Pardé“ erhielt 2013 den Silbernen Bären für das beste Drehbuch, und „Taxi“ gewann 2015 den Goldenen Bären. Davor hatte Panahi in Cannes die Goldene Kamera, in Locarno den Goldenen Leoparden, in Venedig den Goldenen Löwe und in Berlin den Spezialpreis der Jury erhalten.
Konservative Medien greifen Filmdiva an

Die Schauspielerin und große Liebe des Regisseurs Hasan Kasmaie in „Khook“ spielt die iranische Schauspielerin Leila Hatami. Sie äußerte sich bei der Pressekonferenz spontan über die jüngsten Proteste im Iran: Sie sei „tieftraurig und beschämt darüber, dass in meinem Land Menschen nur unter Einsatz ihres Lebens protestieren können“, so Hatami.

Es hagelte daraufhin Kritik in konservativen iranischen Medien. Hatami habe in ihren „unerwarteten und merkwürdigen Äußerungen bei der Berlinale innere und nationale Angelegenheiten offenbart“, schrieb die Zeitung Farda: Die Schauspielerin habe die Pressekonferenz wohl mit ihrer privaten Instagram-Seite verwechselt.

Szenenfoto aus dem Film "Dressage" mit Negar Moghaddam (re.) und Yasna Mirtahmasb
Szenenfoto aus dem Film „Dressage“ mit Negar Moghaddam (re.) und Yasna Mirtahmasb

Kritik an “Teddy”-Anwärter

Über den Film „Hojoom“ des Regisseurs Shahram Mokri, der in der Panorama-Reihe der Berlinale lief, schrieb Farda, das iranische Kino habe durch ihn „sein Gesicht verloren“. In einer Meldung der Nachrichtenagentur Tasnim zu „Hojoom“, der für den Teddy Award kandidierte, hieß es, der Preis werde „am Rande der Berlinale an Filme mit scheußlichen Inhalten vergeben, die sich mit Homosexualität befassen“.

Ein in Berlin und Teheran unumstrittener Beitrag

Der Film „Dressage“ von Pooya Badkoobeh wurde in der Sektion Generationen gezeigt. Golsa (Negar Moghaddam), ein heranwachsendes Mädchen, treibt sich aus Langweile mit Gleichaltrigen in einer alten Hausruine herum. Einmal überfallen sie einen Lebensmittelladen und schlagen den afghanischen Verkäufer nieder. Der Film dreht sich um soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung und die Hierarchie unter den Jugendlichen. „Dressage“ erhielt eine lobende Erwähnung der internationalen Jury, da die Protagonistin den Teufelskreis aus Korruption, Lügen, Heuchelei und falscher Moral durchbreche. Die Besetzung der Eltern von Golsa mit den erfahrenen Schauspieler_innen Ali Mosaffa und Shabname Moghaddami trägt zum Erfolg des Filmes bei.♦

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