Versprechungen eines wortbrüchigen Revolutionsführers

Am 10. Februar 1979 wurde der Sieg der Revolution über die Pahlavi-Dynastie im Iran offiziell bekannt gegeben. 45 Jahre danach blicken wir zurück auf die Versprechen des Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Chomeini, die damals die Massen begeisterten.

Von Roya Samimi*

Warum sind im Iran der Jahre 1978 und 1979 viele politische Gruppierungen und mit der Schah-Regierung unzufriedene bekannte Persönlichkeiten Ruhollah Chomeini zugelaufen? Um das zu verstehen, ist ein Blick auf den Katalog der Versprechungen des greisen Ayatollahs nützlich. Verheimlichte Chomeini seine wahren Absichten bewusst und täuschte er eine ganze Nation, wie ihm manche seiner Kritiker:innen vorwerfen? Andere sind der Auffassung, dass der militärische Angriff des Irak auf den Iran, der ab 1980 zu einem achtjährigen Krieg führte, sowie die bewaffnete Reaktion einiger Oppositionsgruppen auf die politische Unterdrückung seitens des neuen Regimes zu den politischen Entwicklungen der nachrevolutionären Zeit im Iran beigetragen haben – Entwicklungen, die Tausenden Menschen Tod, Verhaftung und Folter gebracht und Millionen Iraner:innen zur Flucht ins Ausland gezwungen haben.

Nicht wenige iranische Oppositionelle glauben, dass Chomeini unter dem Einfluss seiner Berater schöne Versprechen gemacht habe, um an die Macht zu kommen. Zu seinem Beraterstab gehörten unter anderem konservative Nationalisten, die auch Melli-Mazhabi, religiöse Nationalisten, genannt werden. Sie hatten im Ausland studiert oder lebten bis zum Sieg der Revolution am 10. Februar 1979 dort. Allerdings wurden sie nach und nach aus den neuen iranischen Machtzirkeln verdrängt, getötet oder aus dem Land gejagt. Sie wurden zunächst zum Teil von moskautreuen Kommunisten ersetzt, die glaubten, die Islamische Republik sei antikapitalistisch und „antiimperialistisch“. Manche von ihnen glauben das immer noch und stehen im Iran und im Ausland im Dienste der Ayatollahs – nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Chomeini war von 1962 bis 1978 im irakischen Exil und lebte vom 8. Oktober 1978 bis zum 1. Februar 1979 im französischen Exil in Neauphle-le-Château. Dort scharte er seinen Beraterstab um sich, gab Interviews und hielt Reden, die auf Audiokassetten aufgenommen und bis zum Sieg der Revolution im Iran millionenfach verteilt wurden. Was er in Bezug auf Menschenrechte, Gerechtigkeit, politische und persönliche Freiheiten und den Umgang mit ausländischen Staaten versprach, sei hier kurz vorgestellt.

Menschenrechte

„Unsere Gesellschaft wird in Zukunft frei sein“, betonte Chomeini in einem Interview mit dem deutschen Magazin „Der Spiegel“ bereits am 7. November 1977. Systematischer staatlicher Druck, Repression und Ausbeutung würden in einem von ihm errichteten islamischen Staat verschwinden, ließ der Großayatollah wissen.

Im November 1978 kündigte Chomeini in einem Interview im französischen Exil die Einhaltung der Menschenrechte an: „Der islamische Staat wird auf Menschenrechten und deren Achtung basieren. Keine Organisation oder Regierung hat die Menschenrechte so sehr berücksichtigt wie der Islam. Freiheit und Demokratie gehören in jeder Hinsicht zum islamischen Staat und dessen höchster Amtsinhaber wird jedem gleichgestellt sein.“

Am 21. Januar 1979, zehn Tage vor seiner Rückkehr aus dem Exil und der Übernahme der Macht im Iran, sagte er Reporter:innen: „Das Gesetz, der Verstand und die Menschenrechte sind nichts anderes als die Tatsache, dass einzelne Personen über ihre Schicksale frei entscheiden können.

Frauenrechte

„Frauen werden in (unserem) Islamischen Staat frei sein“, versprach der Gründer der Islamischen Republik Iran im November 1978 in Paris. „Ihre Rechte sind wie die Rechte der Männer. Der Islam hat Frauen aus der Gefangenschaft der Männer herausgeholt und sie ihnen gleichgestellt. Die Propaganda gegen uns ist dafür da, die Menschen in die Irre zu führen. Alle Rechte und Angelegenheiten der Menschen sind im Islam garantiert worden.“

Die erste große Demonstration gegen Zwangsverschleierung im Iran fand am 8. März 1979, kurz nach der Revolution in Teheran statt!
Die erste große Demonstration gegen Zwangsverschleierung im Iran fand am 8. März 1979, kurz nach der Revolution in Teheran statt!

Und in einem Interview mit der britischen Zeitung Guardian sagte Chomeini am ersten November 1978 zum Thema Frauenrechte: „Frauen wird es erlaubt sein, zu wählen und gewählt zu werden, sie werden in ihren Aktivitäten frei sein und über ihr Schicksal selbst bestimmen können. Ebenso werden sie in der Wahl ihrer Kleidung frei sein, natürlich unter Einhaltung islamischer Maßstäbe.

Meinungs- und Pressefreiheit

Chomeini sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters am 26. Oktober 1978 in Paris in Bezug auf das Thema Meinungsfreiheit: „Unser islamischer Staat wird auf freier Diskussion und Bekämpfung jeglicher Art von Zensur basieren.“

„Die erste wichtige Sache, die den Menschen zur Verfügung stehen muss, ist die Meinungsfreiheit“, ergänzte er im französischen Exil in einer Rede. Und in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung Paese Sera stellte er am 2. November 1978 zum Thema Pressefreiheit fest, dass „die Presse frei sein muss, um alle Wahrheiten und Fakten zu publizieren“.

In der Islamischen Republik sollten „auch die Kommunisten“ Meinungsfreiheit genießen, wie er in dem mehrbändigen Buch Sahife-ye Imam zitiert worden ist. In dem 22-bändigen Werk wurden Meinungen, Stellungnahmen und Reden von Chomeini gesammelt und festgehalten.

Rechte der Minderheiten

Der Gründer der Islamischen Republik Iran hat in Bezug auf die Rechte der Minderheiten in einem Interview mit Reportern am 8. November 1978 in Paris konstatiert, dass „alle religiösen Minderheiten in dem islamischen Staat alle ihre religiösen Pflichten frei ausüben können, und der Islamische Staat verpflichtet ist, ihre Rechte bestmöglich zu verteidigen“.

In einer Rede am 22. Dezember 1978 in Paris lud er sogar die iranischen Juden, die nach Israel ausgewandert waren, ein, „in ihre Heimat zurückzukehren“. Sie würden „gut“ behandelt werden, versprach er.

Demokratie und Stabilität in der Region

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