Versprechungen eines wortbrüchigen Revolutionsführers

„Das iranische Regime wird sich in eine Demokratie verwandeln, die zur Stabilität in der Region führen wird“, erklärte Revolutionsführer Ruhollah Chomeini am 5. November 1978 im Interview mit Reportern des Schweizer Fernsehens. „Unser islamischer Staat wird auf Gerechtigkeit und Demokratie basieren“, betonte er in einem Interview mit einem britischen Fernsehreporter am 7. Dezember 1978.

Und mit diesen Worten beschrieb er in einem Interview mit einem italienischen TV-Sender am 13. Januar 1979 seinen zukünftigen islamischen Staat: „Es wird eine Republik wie andere Republiken sein. Die islamischen Regeln sind fortschrittlich, basieren auf Demokratie und stimmen mit allen Erscheinungsformen der Zivilisation überein.“

„Geistlichkeit wird sich nicht in die Politik einmischen“

Ayatollah Chomeini versprach in einem Interview am 16. Januar 1979 in Paris, dass Geistliche sich nicht in die Politik einmischen würden. „Ich möchte nicht Regierungschef sein. Die Regierungsform wird eine Republik sein, die auf den Stimmen des Volkes beruht.“ In einer Rede am selben Tag versicherte er erneut, dass die Geistlichen nicht regieren würden: „Ihr Job ist etwas anderes“, so der Ayatollah.

Gut eine Woche davor, am 18. Dezember, hatte er klargestellt, dass weder er noch die anderen Geistlichen Regierungsämter annehmen würden. „Die Pflicht der Geistlichen besteht darin, Regierungen zu beaufsichtigen“. Niemand traute sich, ihn zu fragen, was er genau damit meinte.

Gerechtigkeit

„In dem (zukünftigen) islamischen Staat wird es so sein, dass, falls jemand sogar den höchsten Amtsträger des Landes anklagen möchte, er zum Richter geht und dies tut und der Richter den Amtsträger vorlädt und dieser vor Gericht zu erscheinen hat“, so schilderte Ruhollah Chomeini die Justiz unter seiner Führung.

Durch die verbreitete Armut können viele Iraner*innen sich kein Fleisch mehr leisten!
Durch die verbreitete Armut können viele Iraner*innen sich kein Fleisch mehr leisten!

Der Revolutionsführer hielt in seinem Buch „Kashf-ol-Asrar“ fest: „Das islamische Recht ist der Vorläufer aller Gesetze in der Weltzivilisation. Mit seiner Umsetzung wird die Utopie entstehen.“ Chomeini wird außerdem bezüglich der Gerechtigkeit in dem mehrbändigen Werk Sahife-ye Imam mit den folgenden Worten zitiert: „Mit islamischer Gerechtigkeit wird jeder in Freiheit, Unabhängigkeit und Wohlstand sein.“

Wirtschaftliche Versprechungen

Der greise Politiker trat seine Rückreise in den Iran aus dem französischen Exil am 1. Februar 1979 an und fuhr vom Teheraner Flughafen direkt zum Teheraner Friedhof Behesht Zahra. Dort hielt er seine berühmte Rede: „Begnügt Euch nicht damit, dass wir Wohnungen bauen und den Armen kostenloses Wasser, kostenlosen Strom und kostenlose öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stellen werden. Gebt Euch damit nicht zufrieden!“ „Wir wollen, dass Ihr im Wohlstand lebt, wir wollen, dass Ihr auch ein religiös glückliches Leben führt.“

Die Teheraner Tageszeitung Keyhan berichtete zwei Monate später, am 10. April 1979, der Revolutionsführer habe befohlen, dass „für fleißige Arbeiter:innen“ Häuser gebaut werden sollen – worauf diese allerdings noch heute warten.

Unabhängigkeit

In seiner berühmten Rede auf dem Teheraner Friedhof sagte Chomeini darüber hinaus: „Derzeit seid Ihr für alles auf das Ausland angewiesen. Mohammad Reza [Pahlavi, der letzte iranische Schah] hat dies getan, um einen Markt für die USA zu schaffen, damit wir von Amerika anhängig bleiben, um aus Amerika Weizen zu importieren, Reis zu importieren, Eier zu importieren, oder aus Israel, das eine Marionette Amerikas ist.“

„Sie lieferten unser gesamtes Erdöl an Amerika und andere Länder. Und was bekamen sie dafür im Austausch: Waffen, um eine Basis für Amerika zu errichten. Wir haben ihnen Öl gegeben und eine Basis für sie gebaut“.

In dem Buch Sahife-Ye Nour wird er mit den Worten zitiert, sein islamischer Staat werde Unabhängigkeit und Demokratie wahren.

Die Moderne

Auf dem Teheraner Friedhof sprach Chomeini am 1. Februar 1979 auch über die Moderne. „Wann haben wir (die Geistlichen) uns der Moderne entgegengestellt?“, fragte er das Publikum. Die Moderne habe jedoch auf ihrem Weg „aus Europa in den Iran“ zu „Wildheit“ geführt, anstatt zur Zivilisation beizutragen. Das Kino bezeichnete er als eine „Manifestation der Zivilisation, die im Dienste der iranischen Menschen und ihrer Bildung stehen sollte“.

Im Iran habe es „seit fünfzig Jahren“ weder eine freie Presse gegeben, noch ein „richtiges“ Radio oder Fernsehen, sagte Chomeini in seiner Rede weiter. „Weder Prediger konnten frei sprechen, noch religiöse Redner. Weder der Vorbeter konnte frei handeln, noch die anderen Teile der Bevölkerung“, ließ er seine begeisterten Zuhörer:innen wissen.

Bis heute wurden keine seiner Versprechen für Demokratie, Freiheit, Selbstbestimmung, wirtschaftlichen Aufschwung und friedliche Koexistenz mit dem Ausland in die Tat umgesetzt. Nur bei einem sollte er Recht behalten: Heute haben die Prediger und Vorbeter der Moscheen die Freiheit, zu sagen und zu tun, was sie wollen. Wer sich dagegen stellt oder die Geistlichkeit kritisiert, wird kaltgestellt, ob in den Kerkern oder an den Galgen.

Das politische Modell einer diktatorischen Regierung der Geistlichkeit hatte er schon 1970 in einem hundertneunzigseitigen Buch mit dem gleichen Titel (ولایت فقیه  velayat-e faghih) festgelegt, das bis heute der Wegweiser für die Staatsführung in der Islamischen Republik Iran ist. Man kann davon ausgehen, dass die Massen und die laizistischen politischen Parteien und Organisationen dieses Buch nicht gelesen hatten, sonst wären sie den schönen Versprechen des Ayatollahs nicht so leicht verfallen.♦

*Roya Samimi ist ein Pseudonym einer Kollegin in Teheran, die für verschiedene Medien im Iran und Ausland arbeitet.

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