Zwischen Krieg und Sanktionen – Raissis erster Haushalt
Der Präsident der Islamischen Republik Iran hat seinen ersten Haushalt abgegeben. Der Haushaltsplan für das iranische Jahr 1401, das am 21. März begann, verspricht Wachstum und mehr Unabhängigkeit vom Ausland. Doch die realen nationalen und internationalen Verhältnisse sprechen eine andere Sprache.
Von Javad Kooroshy
Seit der Wahl von Ebrahim Raissi zum iranischen Staatspräsidenten im Juni 2021 beherrschen islamische Hardliner, im offiziellen Sprachgebrauch „Revolutionäre“ genannt, Judikative, Legislative und Exekutive der Islamischen Republik Iran. Diese Machtkonzentration bei den Ultrakonservativen wurde von Staatsoberhaupt oder „Revolutionsführer“ Ayatollah Ali Chamenei offensichtlich befördert – angeblich, um die seit Jahrzehnten angehäuften sozialen und ökonomischen Problemen des Landes zu meistern.
Regierungschef Raissi hatte dem Parlament im Dezember 2021 seinen ersten Haushaltsentwurf für das iranische Kalenderjahr 1401 (21. März 2022 – 20 März 2023) vorgelegt, das Parlament hat die Vorlage dann beraten und nach der Zustimmung des Wächterrats endgültig verabschiedet – der Wächterrat kontrolliert alle Gesetzesvorhaben des Parlaments. Doch die Debatten und Beratungen um den Haushalt waren auch in diesem Jahr wie bereits in den Vorjahren von Wirtschaftssanktionen, von Intransparenz bei Einnahmen und Ausgaben sowie den Quellen der Einnahmen gekennzeichnet.
Schon bei der Einreichung der Gesetzesvorlage am 12. Dezember hatte Raissi gesagt: „Das ernste Problem, das uns früher alle quälte, war die Verflechtung der Wirtschaft des Landes mit den ausländischen Sanktionen. Diese Regierung ist aber entschlossen, diese Schwierigkeiten durch Mobilisierung einheimischer Kapazitäten wie Spezialisten und wertvolle vorhandene Bodenschätze zu überwinden.“
Raissi spielte mit diesem Satz auf Behauptungen an, die seinem Vorgänger Hassan Rouhani unterstellten, er habe viel Wert auf die Einigung mit dem Westen und die Aufhebung der Sanktionen gelegt. Diese Behauptung wiederholte auch Chamenei in seiner Neujahrsansprache am 21. März: „Ich habe im vergangenen Jahr in meiner Neujahrsansprache gesagt, dass die Wirtschaftsprobleme des Landes nicht mit den US-amerikanischen Sanktionen verbunden werden sollten. Denn Fortschritt ist trotz Sanktionen möglich. Zum Glück sind neue Politiker im Lande, die das bestätigen.“
Ein wesentlicher Unterschied der diesjährigen Haushaltsdebatten zu denen der vergangenen Jahre war die spürbare Zurückhaltung der Abgeordneten bei Beratungen der Gesetzesvorlage. Der Grund war, dass die neue Regierung unter Führung Raissis als „revolutionär“ eingeschätzt und von Ayatollah Chamenei unterstützt wird. Das führte dazu, dass viele offene Fragen zu Einnahmen und Ausgaben entweder nicht angesprochen wurden oder unbeantwortet blieben.
Einnahmen und Ausgaben
Das Volumen des gesamten iranischen Jahresetats beträgt etwa 3.758.779 Milliarden Toman. Berechnet auf der Grundlage des Werts der iranischen Währung auf dem freien Devisenmarkt beläuft sich diese Summe auf etwa 128 Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag teilt sich in den öffentlichen Haushalt (1.527.371 Mrd. Toman, etwa 49 Mrd. USD) und das Budget der staatseigenen Banken und Unternehmen (2.231.408 Mrd. Toman, ca. 79 Mrd. USD). Nominell und in iranischer Währung berechnet zeigt die Summe für das laufende Jahr damit eine etwa 23-prozentige Steigung gegenüber dem letzten iranischen Jahr an. Angesichts des elfprozentigen Wertverlusts, den die iranische Währung im vergangenen Jahr gegenüber ausländischen Währungen erlebte, ist der neue Haushalt tatsächlich nur um etwa 12 Prozent höher.
Im Haushaltsgesetz ist das Volumen der Haushaltsdefizite nicht klar festgeschrieben. Das Forschungszentrum des iranischen Parlaments hat jedoch berechnet, dass es etwa 156.000 Mrd. Toman, also etwa 4,2 Prozent, betragen wird. Auch die Quellen für die Kompensierung der Haushaltsdefizite bleiben vage. Lediglich in Absatz 5 des Gesetzes ist der Regierung und den einzelnen staatlichen Institutionen erlaubt, zusammen Schuldscheine in Höhe von 123.000 Mrd. Toman, etwa 4,2 Mrd. USD, auszustellen und zu verkaufen. Es muss allerdings hinzugefügt werden, dass der Verkauf von staatlichen Schuldscheinen nicht gut vorangeht und der Staat immer noch auf den in den letzten Jahren ausgestellten Schuldscheinen sitzt.
Zielsetzung des Haushaltes
Das wichtigste Vorhaben der Raissi-Administration im Rahmen des Haushaltsgesetzes ist die Streichung der Ausgabe von Devisen in Vorzugs-Wechselkurs für den Import von wichtigen Nahrungsmitteln, Medikamenten, Tierfutter und ähnlichen Produkten. Im März 2018, einen Monat vor der Aufkündigung des Atomabkommens seitens des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, hatte die Rouhani-Regierung entschieden, durch eine solche Devisenausgabe die Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Gütern sicherzustellen. So wurden in den Jahren 2018 bis 2021 etwa 70 Mrd. USD mit diesem speziellen Wechselkurs, der gewöhnlich etwa ein Fünftel der Wechselkurse auf dem freien Devisenmarkt beträgt, ausgegeben.
Offiziell war der Sinn dieser Entscheidung die Einfuhr von wichtigen Bedarfsgütern und deren Anbieten zu niedrigen Preisen auf dem Markt, um Preiserhöhungen entgegenzuwirken. Praktisch wurde damit aber mächtigen und einflussreichen privaten und staatlichen Händlern eine Möglichkeit angeboten, billige staatliche Devisen missbräuchlich in Anspruch zu nehmen, ohne irgendeiner Kontrolle beim Angebot der dafür eingeführten Güter ausgesetzt zu sein.
Die Raissi-Regierung rechtfertigt die Streichung dieser Vorzugsdevisen damit, Korruption und Missbrauch bekämpfen zu wollen. Expert*innen halten aber dagegen, dass die Regierung über detaillierte Information über die Importeure verfügt, die diese Devisen in Anspruch genommen haben und sie damit auch zur Rechenschaft ziehen könne, statt diese Devisen zu streichen. Denn die Streichung würde die Preise hochtreiben, worunter untere Einkommensschichten zu leiden hätten.
Ali Nikzad, Stellvertreter des Parlamentspräsidenten, negierte allerdings indirekt auch diesen von der Regierung angegebenen Grund für die Streichung, als er sagte: „Die Wahrheit ist, dass die Regierung kein Einkommen hat und über keine Devisen für die Einfuhr der Bedarfsgüter mit Vorzugswechselrate verfügt.“
Eins der Ziele des Haushaltsgesetzes ist, eine achtprozentige wirtschaftliche Wachstumsrate zu erreichen. Strukturelle Reformen des Haushalts und Gerechtigkeit bei der Verteilung der Ressourcen sind weitere formulierte Ziele. Eine solche Wachstumsrate zu erreichen, ist nicht unmöglich, aber höchst ambitioniert angesichts des wirtschaftlichen Zustands des Irans, dessen Wachstumsrate seit Jahren Null oder unter Null ist. Im Gesetz ist eine zehnprozentige Erhöhung der Gehälter von Staatsbediensteten sowie von deren Pensionen vorgesehen. Bei einer galoppierenden Inflationsrate von mindestens 40 Prozent im Jahr ist diese Erhöhung allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein.
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