Irans Streit um das „Biden-Budget“

Während der Umzug des neuen Präsidenten ins Weiße Hause noch nicht vollzogen ist, verschärft sich im Iran die Auseinandersetzung über den künftigen Umgang mit der Biden-Administration. Der Streit innerhalb der politischen Führung spiegelt sich besonders in der Debatte über die Haushaltsgesetzesvorlage wider.

Von Javad Kooroshy

Irans Präsident Hassan Rouhani hat dem Parlament am 2. Dezember seine Haushaltsgesetzesvorlage für das nächste iranische Kalenderjahr 1400 (21.3.2021 bis 20.3.2022) vorgelegt. Die Mehrheit des von Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei als „revolutionär“ bezeichneten Parlaments nennt diese Gesetzesvorlage „Biden-Budget“. Sie wirft dem Präsidenten vor, sich an der „Gnade“ der künftigen US-Regierung orientiert zu haben, statt die nationalen Potentiale zu aktivieren.

Im Vorfeld der endgültigen Behandlung der Gesetzesvorlage ist von zwei Briefen die Rede, die an Rouhani geschrieben wurden: einer von Khamenei, der andere von Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf. Hintergrund sind die gesunkenen Einnahmen des Iran aus Erdölverkäufen und ein diesbezüglicher Brief des Präsidenten an Khamenei: Darin hatte Hassan Rouhani am 26. November 2020 darum gebeten, einen geringeren Prozentsatz dieser Einnahmen an den Nationalen Entwicklungsfond (NEF) zahlen zu müssen.

Nach der Satzung des NEF sollen jährlich 38 Prozent der Deviseneinnahmen aus dem Erdölverkauf in diesem Fond gespart und vor allem für langfristige Investitionen, aber auch für Notsituationen zur Verfügung stehen. Obwohl die Satzung kein exklusives Recht für den Revolutionsführer vorsieht, hat dieser die Entscheidungsgewalt über die Verwendung der Fondsmittel. Khamenei gibt sie hauptsächlich für Verteidigungs- und Sicherheitszwecke sowie für die staatliche Rundfunkanstalt frei, die ihm direkt untersteht und als Propagandainstrument der Hardliner fungiert.

Rouhani hatte vorgeschlagen, die Zahlung an den Fond von 38 auf 20 Prozent der Erdöleinnahmen zu reduzieren, damit die Regierung mehr Mittel für die Realisierung des Budgetplans zur Verfügung hat. Khamenei lehnte jedoch nicht nur diese Bitte ab, sondern verlangte in einem Brief an Rouhani vom 13. Dezember, die Regierung müsse die im laufenden Haushaltsjahr aus dem NEF in Anspruch genommenen Finanzmittel zurückzahlen.

Während Präsident Rouhani auf eine baldige Einigung mit den USA und damit auf die Aufhebungen der US-Sanktionen gegen sein Land hofft, stellte Khamenei am 16. Dezember erneut klar, dass er nicht an Gesprächen mit den USA denke. Anlässlich des Jahrestages der Tötung von Ghassem Soleimani, Kommandeur der Quds-Brigade der Revolutionsgarde, durch die US-Armee, empfahl er der Regierung, „dem Feind“ nicht zu vertrauen, sondern für „die Neutralisierung der Sanktionen“ zu sorgen – denn Probleme mit den USA habe man auch unter Barack Obama gehabt. Und Khamenei hat das letzte Wort in allen wichtigen innen- und außenpolitischen Entscheidungen.

Stunden zuvor hatte Präsident Rouhani gesagt, er sei über den Sieg von Joe Biden zwar nicht in Begeisterung geraten, „aber froh darüber, dass Donald Trump geht“.

Auch der konservative Parlamentspräsident Mohammad Bagher Ghalibaf verlangte in seinem Brief an den Staatspräsidenten die „Neutralisierung der Sanktionen“. Das Parlament erwarte „die Korrektur“ des Budgetplans für das kommende Jahr: Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung, so Ghalibaf.

Das größte Problem des Haushaltsplans der Regierung ist der permanente Wertverlust der iranischen Währung!
Das größte Problem des Haushaltsplans der Regierung ist der permanente Wertverlust der iranischen Währung!

Die Haushaltsstruktur

In der Tat berücksichtigt der Haushaltsplan der Regierung die ökonomischen Möglichkeiten des Landes und die nationalen und internationalen politischen Rahmenbedingungen nicht. Rouhani müsste bewusst sein, dass seine starken politischen Gegner jeden Versuch zur Aufnahme von Gesprächen mit den USA während der verbleibenden Monate seiner Amtszeit verhindern werden. Dennoch ist der Haushaltsplan so verfasst, als würden die US-Sanktionen gegen den Iran in absehbarer Zeit aufgehoben. Die Vermutung liegt nahe, dass der Präsident seine Gegner damit bewusst herausfordern oder provozieren will.

Die Erdöleinnahmen des Landes sind im Haushaltsplan auf der Grundlage eines Exportvolumens von 2,3 Millionen Barrel Erdöl am Tag berechnet worden – ein Volumen, das höchst unwahrscheinlich ist. Der Iran hatte seine Erdölexporte nach der Unterzeichnung des Atomabkommens zwar zunächst auf über zwei Millionen Barrel am Tag erhöhen können. Dieses Volumen ging aber stark zurück, als die Trump-Administration 2018 neue Sanktionen gegen das Land verhängte. Es wird angenommen, dass der Iran zurzeit täglich weniger als 500.000 Barrel Erdöl exportiert, und es ist nicht absehbar, ob diese Menge in naher Zukunft erhöht werden kann. Laut dem Forschungszentrum des iranischen Parlaments kann Teheran 2021 täglich maximal 850.000 Barrel exportieren. Damit sind die in der Haushaltsgesetzesvorlage vorgesehenen Einnahmen zu großen Teilen nicht realisierbar.

Das Volumen des gesamten Jahresetats (Einnahmen und Ausgaben) beträgt etwa 2.435.708 Milliarden Toman, die sich zwischen dem öffentlichen Haushalt (841.000 Mrd.) und dem Budget der staatseigenen Banken und Unternehmen (1.561.958 Mrd.) aufteilen.

Nominell und in iranischer Währung berechnet zeigt die Summe des Haushalts für das nächste Jahr eine 40-prozentige Steigerung im Vergleich zum Etat des laufenden iranischen Jahres, das bis März 2021 dauert. Angesichts des starken Wertverlusts der nationalen Währung ist der Haushalt aber tatsächlich um ca. 30 Prozent niedriger als im Vorjahr.

Der Grund dafür ist, dass der Wert der iranischen Währung auf dem freien Markt vor einem Jahr, also bei der Verabschiedung des Haushalts für das laufende (iranische) Jahr, bei 14.000 Toman für 1 US-Dollar lag. Sie hat aber unterdessen stark an Wert verloren und wird zur Zeit mit ca. 26.000 Toman für 1 US-Dollar gehandelt. Das entspricht einem Wertverlust von ca. 80 Prozent in einem Jahr. Daher beträgt, nach Kaufkraft berechnet, die Summe des vorgelegten Budgets ein Drittel weniger als im Vorjahr.

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