Ausverkauf nationaler Interessen?

Die größten Befürworter einer geopolitischen Ausrichtung Teherans nach China sind nicht zufälligerweise Vertreter des autoritärsten und des monopolkapitalistischen Teils im Machtapparat, an dessen Spitze der Revolutionsführer steht. Diese sehen in China eine Art großen Retter, der dem Regime auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, eine ökonomische Lebensversicherung verschafft. Gleichzeitig würde es sich dann politisch und diplomatisch an der Seite der Islamischen Republik aktiv gegen den „amerikanischen Imperialismus“ stellen.

Allerdings – und das weiß man auch im Iran – sind die Chinesen in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart meilenweit hinter den großen iranischen Erwartungen zurückgeblieben. Denn für China, wie auch für Russland oder Indien, sind die Beziehungen zu den USA ausschlaggebend, nicht diejenigen mit Teheran. Somit erwiesen sich in der Vergangenheit sowohl Peking als auch Moskau als opportunistische Akteure und weniger als Partner an der Seite Teherans.

Sowohl Russland als auch China haben während des Atomstreits trotz rhetorischer Ablehnung immer wieder im UN-Sicherheitsrat den Sanktionen gegen den Iran zugestimmt. Erst kürzlich verkündete der Vorsitzende der iranisch-chinesischen Handels- und Industriekammer, dass fast keine Banktransaktionen mit Russland sowie China stattfänden. Dies läge nicht nur an den US-Sanktionen, sondern auch an der Platzierung Irans auf der Schwarzen Liste der Financial Action Task Force (FATF) gegen Geldwäsche und Finanzierung von Terrorismus wegen unzureichender gesetzlicher Vorschriften. 

China-SUV Zotye Damai X7 ist im Iran sehr beliebt
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Mögliche Auswirkungen auf Demokratie und Menschenrechte

Falls es tatsächlich zu einer klaren Abwendung Teherans vom Westen und einer entsprechenden Orientierung nach Asien kommen sollte, wofür zuerst die omnipräsente Skepsis im Iran zu überwinden wäre, würde sich die politische Kultur des offiziellen Iran verändern. Hingegen könnten, so der zutreffende Hinweis des iranischen Politologen Hamidreza Azizi, „angesichts der vorherrschenden westlich orientierten politischen Kultur in der iranischen Gesellschaft […] langfristige Partnerschaften mit nichtdemokratischen Mächten die Kluft zwischen dem iranischen Staat und der Gesellschaft vertiefen.“ Denn in puncto Repression – offline oder online – ist China ein wichtiger Markt und auch Inspirationsquelle für iranische Autokraten.

Wie oben angedeutet, ist es – nicht zuletzt aufgrund des US-Faktors – fraglich, wie eng eine iranisch-chinesische Zusammenarbeit, geschweige denn eine entsprechende Achse oder strategische Partnerschaft sein wird. China, wie auch Russland, sind in der Ablehnung von Demokratie- und Menschenrechtsstandards durchaus ein Wunschpartner der iranischen Führung, zumal ausgeschlossen werden kann, dass sie Fragen der Menschenrechte nutzen, um auf Teheran Druck auszuüben.

Im Umkehrschluss allerdings darf man nicht den Denkfehler begehen, dass für den Westen (seien es die USA oder Europa) Demokratie und Menschenrechte in der Außenpolitik mehr als Lippenbekenntnisse darstellen. Dies beobachten wir nun seit Jahrzehnten im Nahen und Mittleren Osten. Somit haben wir im Grunde genommen westliche wie auch östliche Großmächte, die in unterschiedlicher Art und Weise allesamt in der Region autoritäre Stabilität einer Demokratisierung vorziehen, weil diese mit Instabilität einhergehen und womöglich ihre Interessen gefährden könnte. Der einzige Unterschied liegt in der demokratischen Verfassung der westlichen Länder, die eine wertegebundene Außenpolitik theoretisch immer wieder einfordern können.

Große Teile der iranischen Zivilgesellschaft unterliegen weder der Illusion, dass ein Schulterschluss mit Russland und China keine Nachteile für sie mit sich brächte, noch dass der Westen tatsächlich noble Werte in seiner Außenpolitik verfolgt.

Und das ist für viele Iraner angesichts ihrer verzwickten Lage durchaus äußerst ernüchternd, wenn nicht gar desillusionierend. Statt sich zwischen dem Westen oder Osten entscheiden zu müssen, müsste eine den nationalen Interessen und der wirtschaftlichen sowie politischen Entwicklung des Landes dienliche iranische Außenpolitik gute Beziehungen „in alle Richtungen“ unterhalten – zum Westen sowie zum Osten. Aber dafür müsste die für die Ideologie des Regimes so zentrale Feindschaft mit den USA deutlich abgefedert werden, so dass der große amerikanische Schatten des Iran asiatische Ambitionen nicht weiterhin behindert.♦

© Qantara

Ali Fathollah-Nejad ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Vorderer Orient und Vergleichende Politikwissenschaft der Universität Tübingen und Nonresident Fellow beim Center for Middle East Policy der Brookings Institution. Sein nächstes Buch trägt den Titel Iran in an Emerging New World Order: From Ahmadinejad to Rouhani (New York). Twitter: @AFathollahNejad

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