Republikanische Gegner der Islamischen Republik

Im Rahmen des Dossiers „Alternativen zur Islamischen Republik im Iran“ stellt das Iran Journal mögliche Kandidaten für die Zeit nach einem eventuellen Sturz des islamischen Regimes vor. Der politische Analyst Kian Tabrizi* über die wichtigsten Organisationen der iranischen Republikaner.

11. Februar 1979: An diesem Tag „wurde der Iran neu geboren”. So lauten jedenfalls die Überschriften vieler staatlichen Medien bei Berichten über die iranische Revolution vom Februar 1979. Der letzte König des Landes, der “Schah von Persien”, war ins Ausland geflohen, Revolutionsführer Ruhollah Chomeini kehrte aus dem Exil zurück und gründete die bis heute noch bestehende “Islamischen Republik Iran” (IRI). 

Damit erfuhr das Land den radikalsten Wandel, den es je erlebte. Nach 2500 Jahren hatten die Iraner*innen ihrem Königreich den Rücken gekehrt und sich für eine fragwürdige Republik entschieden. Damals ahnte kaum jemand, dass es nach dem diktatorischen Schah-Regime noch viel schlimmer kommen könnte. Die Republik, die Chomeini verkündete, sollte alle politischen Freiheiten, die den Iraner*innen bislang vorenthalten worden waren, gewähren. Die Mehrheit der Bevölkerung dachte bei ihrem Aufstand gegen das Schah-Regime nicht an die Etablierung eines islamischen Systems und die Einführung der Scharia, nicht an alttestamentarische Strafgesetze und die Islamisierung aller Gesellschaftsbereiche. Niemand ahnte die kommenden Massenhinrichtungen von Oppositionellen durch das Revolutionsregime voraus. In den mehr als 120 Interviews, die Chomeini vor der Revolution gegeben hatte, hatte er nie von Scharia, Schleierzwang und Verfolgung von Demokraten, Kommunisten und Liberalen gesprochen. Insofern wähnten sich Intellektuelle, Schriftsteller*innen, Studierende und das liberale Bürgertum mit der religiösen Opposition im gleichen politischen Schicksalsboot. Und keiner von ihnen kann bis heute glaubhaft erklären, warum aus der iranischen Revolution eine islamische wurde. Immerhin hatten im März 1979 satte 98 Prozent der Iranerinnen und Iraner für die islamische Republik gestimmt. Zu dieser Zeit waren von den 21 Millionen Wahlberechtigten 55 Prozent und mehr Analphabeten.

Der Griff nach der Alleinherrschaft

Im Sommer desselben Jahres ersetzte Chomeini die geplante verfassungsgebende Versammlung durch den von Geistlichen dominierten “Expertenrat”. Am 4. November 1979 besetzten chomeinitreue Student*innen die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Teheran und nahmen 52 Diplomaten für 444 Tage als Geiseln.

Amerikanische Geiseln wurden an verschiedenen Orten festgehalten, zwei von ihnen in der Stadt Arak
Amerikanische Geiseln wurden an verschiedenen Orten festgehalten, zwei von ihnen in der Stadt Arak

Aus Protest gegen diese abenteuerliche Politik trat die von Chomeini als erster Ministerpräsident der Revolutionsregierung eingesetzte Galionsfigur der liberalreligiösen Organisation “Freedom Movement of Iran”, Mehdi Bāzargān, zurück. Chomeini nutzte die antiamerikanische Agitation der Botschaftsbesetzer*innen und ließ die auszuarbeitende Verfassung so ändern, dass ihm am Ende über seine Doktrin „Herrschaft des Rechtsgelehrten“ (velayat-e faqih) die absolute Machtposition im Staate sicher war. Einen Monat später konnte er sich die 99-prozentige Zustimmung der Wahlberechtigten sichern. Schon vor dem Rücktritt Bāzargāns hatten die Vertreter der bürgerlichen “Nationalen Front” die provisorische Revolutionsregierung verlassen; sie hatten eingesehen, dass sie die Gewalttaten der Islamisten nicht verhindern können.

So waren die Gründungsjahre der Islamischen Republik 1979 bis 1989 von Gewaltexzessen geprägt. Nach und nach wurden Liberale, Nationalbürgerliche, Linke, ethnische und islamo-marxistische Oppositionsgruppen wie die Volksmujahedin aus dem politischen Leben des Landes in die Illegalität verbannt. Bis Sommer 1988 wurden Tausende Oppositionelle getötet. Die großen Massenhinrichtungen hatten in den Morgenstunden des 29. Juli 1988 begonnen. Zu dieser Zeit hatte Ayatollah Chomeini ein Dekret erlassen, das diese Hinrichtungen legitimierte.

Die Mütter der hingerichteten politischen Gefangenen im Sommer 1988 besuchen regelmäßige die Massengräber ihrer Kinder im Khavaran-Friedhof
Die Mütter der hingerichteten politischen Gefangenen im Sommer 1988 besuchen regelmäßig die Massengräber ihrer Kinder im Teheraner Khavaran-Friedhof

Die ersten Säkularrepublikaner des Iran

Im Oktober 1983, vier Jahre nach der Gründung der Islamischen Republik Iran (IRI), trafen sich in Paris zwei Dutzend hochrangige exilierte säkular-republikanische Iraner, um der Opposition im Exil eine politische Perspektive zu geben. Unter den Versammelten waren Hassan Nazih, der dem “Freedom Movement of Iran” angehörende erste Ölminister der Revolutionsregierung, Hadj Ghassem Lebaschi, der Bazar-Gesandte im Zentralrat der bürgerlichen “Nationalen Front”, Hassan Shariatmadari, der Sohn des politisch-religiösen gemäßigten Gegenspielers von Ayatollah Ruhollah Chomeini, der populäre Menschenrechtsanwalt Karim Lahidji, der Schriftsteller Ali Asghar Hadj Seyed Djavadi, die demokratischen Sozialisten Amir Pishdad und Homayoun Katouzian, der der Frankfurter Schule zugeneigte Mehran Barati, dazu Europa-Vertretungen der Nationalen Front des Iran sowie mehrere unabhängige kritische Marxisten und ein Vertreter des exilierten Marine-Generals Ahmad Madani.

Am 7. Dezember 1983 erschien die Pariser Deklaration der 21 Gründungsmitglieder der ersten säkular-republikanischen Organisation Irans. Die Organisation hatte sich den Namen “Jomhouri Khahan melli Iran” (National Republicans of Iran, kurz Republicans of Iran) gegeben. Ihre Deklaration umfasste die wesentlichen Vorstellungen der Gruppe für die Zukunft des Irans in sieben Punkten:

  1. Die Errichtung der Nationalen Souveränität und und das Mitwirkungs- und Kontrollrecht des Volkes bei der Entstehung und dem Betrieb der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Institutionen werden im System der “Republik Iran” verwirklicht.
  2. Die Republik Iran wird auf dem System der parlamentarischen Demokratie, dem Grundsatz der Gewaltenteilung, dem Grundsatz der Vielfalt der Weltanschauungen, Religionen und Überzeugungen, der Gewährleistung und Garantie der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthaltenen individuellen, sozialen Rechte und Freiheiten und der damit zusammenhängenden Zusatzprotokolle basieren.
  3. Die Republik Iran wird auf der Trennung von Religion und Herrschaft basieren, ohne die Beteiligung von Anhänger*innen einer Religion oder einer Überzeugung an der Politik zu verhindern.
  4. In der Republik Iran genießen Männer und Frauen gleiche bürgerliche, soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Rechte.
  5. Für die Verwirklichung der Demokratie, für die Vertiefung und Festigung der nationalen Souveränität, die auf der Beteiligung des Volkes an den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten des Lebens beruht, wird die Republik Iran auf Dezentralisierung der Macht basieren, im Rahmen der territorialen Integrität des Iran und der Priorität nationaler Interessen gegenüber lokalen Interessen. Aber die Beseitigung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Unterdrückung und Entbehrungen der iranischen Nation, die mit unterschiedlichen ethnischen, sprachlichen und religiösen Hintergründen und in verschiedenen Bereichen nationaler und ethnischer Traditionen und Gebräuche lebt, erfordert, dass sich die Menschen in Territorien und Provinzen unter bestmöglichen Bedingungen an der Verwaltung ihrer lokalen und regionalen Angelegenheiten beteiligen und alle Entscheidungen bezüglich ihrer Lebensbedingungen über ihre gewählten Organe und Institutionen treffen.
  6. Die Politik des Fortschritts und die wirtschaftliche Entwicklung in der Republik Iran wird auf der Unabhängigkeit und gerechten Verteilung des Nationaleinkommens basieren.
  7. In der Außenpolitik wird die Republik Iran eine Politik der Blockfreiheit verfolgen und normale Beziehungen zu anderen Nationen auf der Grundlage gleicher und gegenseitiger Rechte aufbauen und jede ausländische Einflussnahme und Intervention verhindern. Die Außenpolitik der Republik Iran wird auf guter Nachbarschaft zu den Nachbarländern und Verständnis für alle Länder der Dritten Welt, kolonisierten Nationen und diejenigen, die Opfer von Rassendiskriminierung und Bigotterie wurden, basieren.

Fortsetzung auf Seite 2