Republikanische Gegner der Islamischen Republik

Der zweite Anlauf der Säkularrepublikaner     

Die offiziell am 7. Dezember 1983 ins Leben gerufenen Partei “Republicans of Iran” stieß innerhalb und außerhalb des Iran auf große Resonanz. Die Führung der islamischen Republik betrachtete sie als Werkzeug des “imperialistischen Westens”, die radikale Linke sah den Versuch der iranischen “Bourgeoisie”, auf den Zug „der kommenden Revolution“ aufzuspringen. Im Lauf der Jahre zeigte sich jedoch weder der “imperialistische Westen” an der Organisation interessiert noch wiederholte sich eine Revolution. So wurde es immer leiser um die “Republicans of Iran”.

Es dauerte 20 Jahre, bis die Auferstehung der Republikaner erneut versucht werden konnte. Diesem Versuch gingen jedoch mit dem dritten Golfkrieg bedeutende politisch-militärische Veränderungen voraus. Der Dritte Golfkrieg, auch Zweiter Irakkrieg genannt, der am 20. März 2003 nach Militäroperationen der USA, Großbritanniens und einer „Koalition der Willigen“ zur Bombardierung der irakischen Hauptstadt und zum Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein führte, sollte der Beginn weiterer Operationen der USA und einer „Demokratisierung“ von „Greater Middle East” werden.

Die Bush-Regierung hatte den Sturz Saddam Husseins seit Januar 2001 erwogen. Den damit verbundenen Präventivkrieg begründete die US-Regierung mit einem angeblich bevorstehenden Angriff des Iraks mit Massenvernichtungsmitteln auf die USA. Tatsächlich rechneten zu dieser Zeit viele Iraner*innen auch mit einer möglichen Invasion amerikanischer Truppen in den Iran. Sie bewerteten die Folgen einer solchen Invasion als noch verheerender, als es im Irak der Fall gewesen war. Die Opposition der IRI sollte daher einer solchen Gefahr durch einen breiten nationalen Konsens entgegenwirken. In den Monaten vor März 2003 wurde in der amerikanischen Administration die Mission der USA zur Demokratisierung des Nahen Osten, “Greater Middle East”, diskutiert, und vom Pentagon waren entsprechende Kriegspläne vorbereitet worden. Die republikanischen Iraner rechneten unausgesprochen damit, dass diese Kriegspläne auch den Iran berühren würden. Die Opposition sollte für einen solchen Fall vorbereitet sein, um einem Zerfall des Landes vorzubeugen und durch die Anwesenheit einer starken demokratischen Opposition eine mögliche Invasion der US-Truppen in den Iran zu verhindern.

Diesen Gedanken im Kopf, hatten führende Köpfe der republikanischen Opposition aus allen politischen Lagern einen weltweiten Diskurs zur politischen Zukunft Irans begonnen. Am Ende erschien am 15. Mai 2003 eine politische Deklaration, die im Laufe der nächsten Monate von mehr als 1.200 bedeutenden Oppositionellen unterzeichnet wurde. Sie hatten sich den Namen United Republicans of Iran” (Ettehade Jomhourikhhane Iran) gegeben. Der Deklaration folgten unzählige Treffen in Deutschland, Frankreich, Berkeley, Los Angeles und Teheran.

Die 68er kommen zur Hilfe          

Die Unterzeichner*innen der Deklaration vom 15. Mai suchten von Anfang an den Schulterschluss mit der Generation der 68er-Bewegung in Europa und Amerika. Für die offizielle Konstituierung und den angestrebten Schulterschluss fehlte noch der offizielle Gründungskongress und die Wahl derjenigen, die den Übergang zu einer säkularen Republik im Iran einleiten sollten. Einen Ort für den Kongress zu finden, stellte sich jedoch als überaus schwierig heraus. Im April 2000 war eine Iran-Konferenz der Grünen und der Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Titel „Iran nach den Wahlen“ durch protestierende Zuschauer*innen in ein Chaos ausgeartet und hatte im Iran zur Verhaftung mehrerer der 17 aus dem Iran kommenden Kongressteilnehmer*innen geführt, wodurch sich die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran verschlechterten. Deshalb waren die Verantwortlichen keiner bedeutenden Stadt in Europa bereit, den oppositionellen Iraner*innen mit politischem Machtanspruch geeignete Räume für etwa 800 Teilnehmer*innen zur Verfügung zu stellen.

Professor Bodo Zeuner (li.) hat sich für die iranischen Republikaner bei der FU Berlin eingesetzt - Foto: Zeuner bekommt dafür Blumen und Beifall von den Vertretern der Gäste Mehran Barati (Mi.) und Madjid Roshanzadeh
Professor Bodo Zeuner (li., verstorben am 30. November 2021) hat sich für die iranischen Republikaner bei der FU Berlin eingesetzt – Foto: Zeuner bekommt dafür Blumen und Beifall von den Vertretern der Gäste Mehran Barati (Mi.) und Madjid Roshanzadeh

Am Ende waren es ehemalige 68er in den Positionen als Hochschullehrer, Fakultätsdekane oder Vizepräsidenten und Funktionäre der Studierenden der Freien Universität Berlin, die den Kampf mit der Bürokratie gewannen und den “United Republicans of Iran” das Auditorium Maximum der FU mit einer Kapazität von etwa 900 Plätzen vom 8. bis zum 10. Januar 2004 zur Verfügung stellten. Protagonisten waren die Professoren Bodo Zeuner, Geschäftsführer des Otto-Suhr-Instituts für Politische Wissenschaften, Wolf Dieter Narr, Hajo Funke und Ulrich Albrecht sowie ein Aktivist aus den Reihen der Berliner Studentenschaft, Madjid Roshanzadeh, und Mehran Barati aus den Reihen der Lehrbeauftragten der Freien Universität.

Der damalige Präsident der FU, Professor Dieter Lenzen, hatte größte Bedenken angesichts der Raumvergabe. Auch die politische und polizeiliche Ebene äußerte ihre Besorgnis und befürchtete noch größere Krawalle, als es bei der Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung der Fall gewesen war. Am Ende waren es die Hochschullehrer der 68er-Generation, insbesondere Bodo Zeuner, die sich für eine regelgerechte Durchführung des Kongresses verbürgten. Zuvor hatte Madjid Roshanzadeh allen Beteiligten versichert, dass alle politische Strömungen Irans zum Kongress eingeladen würden. Es gebe daher keinen Grund für Krawalle, die Sicherheit der Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer werde durch private und staatliche Maßnahmen gewährleistet. Tatsächlich wurde der Kongress mit etwa 800 Teilnehmer*innen ein großer Erfolg. Der Präsident der FU schickte seinen Vize für ein Grußwort in das Auditorium.

Die politischen Grundsätze

Abgeordnete aus dem Bundestag kamen, Gregor Gysi hielt eine Rede, aus dem Auswärtigen Amt sprach ein Vertreter der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, Claudia Roth. Vertreter*innen der Heinrich-Böll-Stiftung waren da, aus der ganzen Bundesrepublik kamen Grußbotschaften aus den Reihen der 68er-Generation. An allen drei Tagen gab es für ausländische Gäste eine Simultanübersetzung der Redebeiträge.

Am Abend des dritten Tages wählte der Kongress einen 50-köpfigen Zentralrat und einen 9-köpfigen Exekutivrat. Zuvor waren nach zweitägigen Diskussionen die in der Deklaration vom 15. Mai 2003 festgelegten politischen Grundsätzen bestätigt worden, in denen es unter anderem hieß: „Unsere Bewegung basiert auf der Anerkennung folgender Prinzipien: die Bildung einer breiten Bewegung, die für Demokratie und Republik auf Basis des Prinzips der Gewaltlosigkeit eintritt, dient allen IranerInnen, um ihrem berechtigten Bedürfnis nach politischer Freiheit, fairen und freien Wahlen sowie konstitutionellem Wandel verstärkt Gehör zu verschaffen. Wir setzen uns für ein republikanisches politisches System und eine Regierungsform ein, die sich auf folgende Prinzipien stützen: demokratische Kontrolle und Rechenschaftspflicht, Transparenz sowie Bürgerbeteiligung. Die erfolgreiche Etablierung demokratischer Kräfte ist nicht nur ein politischer Prozess. Demokratie braucht vielmehr politische und kulturelle Werte, also die Stärkung der Zivilgesellschaft sowie das Vorhandensein zivilgesellschaftlicher Institutionen und die Beteiligung aller sozialer Gruppen am politischen Prozess.”

Die Unterzeichner*innen beriefen sich auf Prinzipien und Ziele, die zur Schaffung einer Republik beitragen sollten, darunter:

– Prinzipien der Gewaltentrennung, rechtsstaatlich garantierte zivile, politische und soziale Rechte sowie individuelle Freiheiten gemäß der universellen Deklaration der Menschenrechte und den dazugehörigen Konventionen der Vereinten Nationen;

– die Trennung von Staat und religiösen Institutionen bzw. Ideologien, zudem Zugang zu politischer Partizipation, unabhängig von Religionszugehörigkeit oder Ideologie eines Menschen;

– gleiche Rechte für Frauen und Männer und die Umsetzung der Prinzipien des „Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ der Vereinten Nationen;

– die Gleichheit aller BürgerInnen unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit, Sprache, Religion oder Lebensführung;

– die Übertragung lokaler Administration und Entscheidungsfindungsprozesse an lokal gewählte Amtspersonen/Funktionäre;

– gewaltlose politische Auseinandersetzung, friedliche Proteste, Streiks, Akte zivilen Ungehorsams und Volksabstimmungen, wie sie in internationalen Übereinkommen und Normen festgelegt sind;

– die Abschaffung von Folter und Todesstrafe sowie die Achtung der Menschenwürde.

– Grundlage der Außenpolitik des Landes sollten nationale Interessen und der Weltfrieden sein.
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