Suche nach iranischem „Todesrichter“ in Deutschland

Genau diese Ungereimtheiten waren es auch, die iranische und internationale Menschenrechtsaktivist*innen, Politiker*innen und Kulturschaffende dazu bewegten, sich für die Aufhebung von Reyhanehs Todesurteil einzusetzen – unter ihnen EU- und UNO-Vertreter*innen, aber auch namhafte Künstler wie Dario Fo. Die Islamische Republik ist nach China weltweit das Land mit den meisten Hinrichtungen. Nicht immer setzen sich Menschen und Organisationen innerhalb und außerhalb des Iran für die Begnadigung eines Todeskandidaten ein.

Pakravan hat noch mehr Fragen: „Reyhaneh war monatelang in Einzelhaft und wurde gefoltert. Was wollten die Behörden damit erreichen? Das ist keine gängige Praxis gegen gewöhnliche Mörder*innen. Reyhaneh wurde auch von zwei Vertretern des Büros von Staatsoberhaupt Ali Khamenei vernommen. Statten die Mitarbeiter des Staatsführers allen Mörder*innen einen Besuch ab? Nein!“ Hat Richter Hassan Tardast die junge Frau zum Tode verurteilt, weil es dem islamischen Regime diente? Oder war es eine persönliche Rache des Richters an einer „verwestlichten, dekadenten“ Frau im islamischen „Gottesstaat“?

Sholeh Pakravan am Grab ihrer Tochter Reyhaneh
Sholeh Pakravan am Grab ihrer Tochter Reyhaneh

Der Tonfall und die Hilfe Gottes“

In einem Interview mit der den Revolutionsgarden nahestehenden Nachrichtenagentur Fars beklagte sich Tardast 2010 über den Einfluss der westlichen Kultur auf die iranische Gesellschaft, insbesondere auf den Stellenwert von Frauen und Kindern. Er war vor seinem Jurastudium kurz nach der islamischen Revolution von 1979 in der Revolutionsgarde und hatte Arabisch unterrichtet. Der gläubige Schiit sieht die moderne Rollenteilung von Frau und Mann als Ursache der „Zerstörung“ von Familien. In dem Interview behauptet er auch, Schuldige an ihrem Ton erkennen zu können: „Meiner juristischen Erfahrung nach sind der Tonfall und die Stimme des Angeklagten während des Verhörs sehr wichtig. Wenn der Richter darauf achtet, kann er den Weg der Wahrheit finden. Es erfordert allerdings Geduld und man muss dabei auf die Hilfe Gottes hoffen.“ Ein frommer Richter würde durch die rituellen Waschungen und seine Verbindung zu Gott kaum Schwierigkeiten haben, an der Stimme des Angeklagten dessen Schuld oder Unschuld zu erkennen, so der „Todesrichter“.

Ein ehemaliger Gefangener im Gefängnis der Stadt Saveh erzählt dem Iran Journal von einer Rede, die Hassan Tardast für die Gefängnisinsassen gehalten hat. Er erinnert sich besonders gut an eine Eigenschaft des „Todesrichters“: „Er war sehr stolz darauf, Mörder und Kriminelle ins Jenseits zu befördern. Das Absurdeste war, dass er behauptete, manche zum Tode Verurteile hätten sich bei ihm für das Urteil bedankt!“♦

© Iran Journal

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