Der Revolutionsführer und sein virtueller Feind

Während die Regierung Mahmud Ahmadinedschads immer mit dem harten Kurs der konservativen Machthaber im Einklang stand, hatte Ahmadinedschads Nachfolger Hassan Rouhani vor seiner Wahl zum Präsidenten eine Entspannung der sozialen und politischen Lage versprochen. Statt des kompletten Sperrens von Internetdiensten sollten unerwünschte Inhalte herausgefiltert werden. Durch das sogenannte „intelligente Filtern“ sollte der Dienst als solcher erhalten bleiben. So ist etwa das soziale Netzwerk „Instagram“ im Iran grundsätzlich zugänglich – nur „unislamische“ und „unmoralische“ Inhalte werden gesperrt. Facebook oder Twitter bleiben aber komplett gesperrt.

Die Freiheit des Netzes

Dabei hat die Regierung Rouhani einige Gründe, die Freiheit der iranischen InternetnutzerInnen nicht allzu arg zu beschränken – auch aus eigenen Interessen. Die staatliche iranische Rundfunk- und Fernsehgesellschaft untersteht Ayatollah Khamenei und wird vom konservativen Flügel des Regimes kontrolliert. Jede kritische Stimme ist ausgeschlossen – und Rouhanis Regierungssprecher Mohammad Bagher Nobakht warf dem staatlichen Rundfunk Anfang August vor, nicht objektiv über die Regierung zu berichten und diese vor dem Volk bloßstellen zu wollen.

Das macht die beliebten sozialen Netzwerke und Messagingdienste wie WhatsApp für die Regierung attraktiv – als schnellster und einfachster Weg, die internetfreudige junge Bevölkerung des Landes zu erreichen. Regierungsvertreter sollen in den Verhandlungen des Obersten Rates für Cyberspace deshalb stets gegen die Sperrung von Internetdiensten gestimmt haben. Und nicht nur Präsident Rouhani und sein Außenminister Mohammad Javad Zarif benutzen gerne den Kurznachrichtendienst Twitter. Auch die iranische Delegation bei den Atomverhandlungen setzte auf soziale Netzwerke.

Einer der aktivsten Nutzer der sozialen Netzwerke ist allerdings der mächtigste Befürworter der Internetzensur selbst: Ayatollah Khamenei. Seine Accounts in Twitter und Instagram veröffentlichen seine Stellungnahmen nicht nur in der Landessprache. In sozialen Netzwerken fragen NutzerInnen ironisch, welche Antifiltermethode der oberste Führer wohl einsetzt, um die Twittersperre umgehen zu können.

Katz-und-Maus-Spiel

Auch mit konkreten Festnahmen versucht das islamische Regime Kontrolle über die virtuelle Welt zu erlangen. Der Geheimdienst der Revolutionsgarde ist dabei besonders aktiv. Ende August sollen in der südiranischen Provinz Schiras 170 Administratoren von Webseiten und 50 in der kurdischen Provinz Kurdistan im Westen des Landes verhört und zum Teil inhaftiert worden sein. Sie sollen „unmoralische“ oder „antireligiöse“ Inhalte veröffentlicht haben. Eine Woche zuvor war über die Festnahme von 25 Administratoren in der westlichen Provinz Kermanschah berichtet worden.

Ob voll gesperrt oder „intelligent gefiltert“: Das Internet bleibt im Iran eine Art Katz-und-Maus-Spiel – ein Spiel, dessen tatsächlicher Ernst allerdings immer wieder von internationalen Menschenrechtsorganisationen kritisiert wird.

  IMAN ASLANI

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