Ein Schlachtfeld für Hardliner und Gemäßigte
Der gerade wiedergewählte iranische Präsident hat zwar die technischen Möglichkeiten des Internets im Iran verbessern können. Doch gegen die hartnäckigen Zensurbestrebungen der Hardliner konnte Hassan Rouhani sich kaum durchsetzen. Eine Bestandsaufnahme.
Über 53 Prozent der IranerInnen verfügten 2016 offiziellen Angaben zufolge über einen Internetanschluss. Das sind mehr als 42 Millionen Menschen und 17,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Bis Mitte 2016 sollen im Iran insgesamt knapp 60.000 Kilometer Glasfaserkabel verlegt worden sein. 600 große und kleine Firmen bieten Internetdienste an. Das kostengünstigste Produkt ist immer noch die langsame Dial-Up-Verbindung. Ein DSL-Anschluss ist im Iran verhältnismäßig teuer im internationalen Vergleich.
Entwicklungen unter Rouhani
Bereits in den 80er Jahren wurden die iranischen Universiäten an das World Wide Web angeschlossen. Präsident Hassan Rouhani hat in den ersten vier Jahren seiner Regierungszeit das Netz technisch ausgebaut, etwa höhere Übertragungsgeschwindigkeiten zugelassen und die Mobilfunknetze 3G und 4G eingeführt sowie erste Glasfaseranschlüsse für Privatkunden eingerichtet. Zudem stemmte sich die Regierung Rouhani gegen die Sperrung der Messengerdienste Telegram und WhatsApp sowie die Sperrung von Instagram.
Unterstützung von Startups
In den vergangenen Jahren konnten sich auch junge Web-Unternehmen im Iran entwickeln. Iranische Startups nahmen an internationalen Konferenzen teil, manche Nachrichtenportale sprachen gar vom Teheraner Silicon Valley. Doch veraltete Rahmenbedingungen und Gesetze im Bereich Handel, die Internetzensur, die internationalen Sanktionen und das Thema Urheberrechte sind hohe Hürden auf dem Weg der iranischen Jungunternehmer, deren oft westlich orientierte und weltoffene Art zudem den iranischen Konservativen nicht gefällt.
Zensieren und Filtern
Im Jahr 2001 setzte das iranische Regime Rahmenbedingungen für die staatliche Zensur des Internets fest. Acht Jahre später wurde die Arbeitsgruppe zur Festlegung unerlaubter Internetinhalte gegründet, die in Zusammenarbeit mit anderen Behörden die absolute Kontrolle des Internets anstrebt. Dieser Arbeitsgruppe gehören unter anderem das Geheimdienstministerium, der staatliche Rundfunk, das Kulturministerium, der Rat der kulturellen Revolution und die Organisation für islamische Propaganda an. Sie sperrt nicht nur pornografische oder politische Inhalte, sondern auch ausländische, vor allem persischsprachige Nachrichtenportale und soziale Netzwerke.
Staatsoberhaupt Ali Khamenei rief 1991 einen „Hohen Rat für die virtuelle Welt“ ins Leben, der auch für die Überwachung des Internets zuständig ist. Parallel dazu kontrollieren und filtern auch die iranische „Cyber-Armee“ und eine Einheit der Polizei das Internet.
Trotz der starken Überwachung umgehen viele NutzerInnen die Internetzensur, doch das ist mit technischem und finanziellem Aufwand sowie mit mehr Datenverbrauch verbunden. Das kann sich nicht jeder leisten.
Machtkampf ums Internet
In Rouhanis bisheriger Amtszeit wurde der Machtkampf verschiedener politischer Kräfte um das Internet sehr deutlich: Auf der einen Seite steht dabei die Regierung, die den Zugang zum Internet soweit wie möglich gewährleisten möchte, auch um dem von den Konservativen kontrollierten staatlichen Rundfunk etwas entgegensetzen zu können. Auf der anderen Seite stehen Rouhanis politische Gegner, die jede Art von Informationsverbreitung in ihrer Hand behalten wollen.
Dabei müssen sich nicht nur JournalistInnen und AktivistInnen vor staatlichen Hackerangriffen fürchten. 2016 wurden der Gmail- und der Facebook-Account der Vizepräsidentin für Frauen und Familienangelegenheiten Shahindokht Molaverdi gehackt. Es gab sogar Meldungen über Hackerangriffe gegen Berater des Präsidenten. Dahinter soll die Revolutionsgarde stecken.
Das nationale Intranet
Die Regierung Rouhani bastelt wie ihre Vorgängerin an dem Projekt eines „nationalen Netzwerks der Informationen“ weiter. Dabei soll ein landesweites Netzwerk aus einheimischen Daten- und Rechenzentren aufgebaut werden, das stabiler, schneller und kostengünstiger als das „normale Internet“ werden soll, versprechen die Macher. Damit würden alle iranischen Webseiten und Online-Dienste innerhalb des Landes gehostet. Auch iranische Browser, Suchmaschinen und Email-Dienste wurden inzwischen programmiert.
Das einheimische Netzwerk solle das Problem der unkontrollierten Inhalte lösen, meinen die Befürworter. Die Gegner befürchten, dass irgendwann die Verbindung zum Ausland gekappt wird. Die iranische Regierung schließt dies allerdings aus. Myanmar und Kuba haben bereits ein solches nationales Netzwerk. Auch China soll danach streben.
Das „nationale Netzwerk der Informationen“ wird eine neue Art der Internetzensur darstellen. Die nationale Suchmaschine würde von vornherein keine verbotenen Inhalte anzeigen. Und die Hintertür des eigenen Email-Dienstes ersparte dann den staatlichen Hackern die Mühe, Passworte zu knacken. Mit internationalen Suchmaschinen wie Google und Co. bekommen iranische Nutzer immerhin alle Inhalte angezeigt, auch wenn ein Großteil der Suchergebnisse dann nicht direkt zugänglich ist. Mit dem „nationalen Netzwerk der Informationen“, das einem landesweiten Intranet ähnelt, würden den Nutzern ausschließlich von den Machthabern bestimmte Inhalte zur Verfügung stehen.
Übertragen aus dem Persischen von Iman Aslani
Auch diese Artikel können Sie interessieren: