Ein Marathonlauf gegen Benachteiligung: Frauensport im Iran

Undurchsichtige Rechtsgrundlagen

Doch wie verhält es sich grundsätzlich mit dem Recht iranischer Frauen, die Sportart ihrer Wahl auszuüben? Die gesetzlichen Vorgaben dazu sind überaus undurchsichtig. Grundsätzlich ist die Teilnahme von Frauen im Iran an keiner Sportart verboten. Doch kommen bei genauerer Betrachtung erhebliche Einschränkungen zum Vorschein. Erlaubt sind alle Sportbetätigungen, die nicht unter Wettbewerbsbedingungen stattfinden und Breitensportcharakter aufweisen. So ist Iranerinnen etwa das Schwimmen als Freizeitsport unter Ausschluss von Männern gestattet. Es werden jedoch weder regelmäßige Schwimmwettkämpfe für Frauen veranstaltet noch ist ihre Teilnahme an internationalen Turnieren möglich.

Ähnlich gestaltet es sich beim Boxsport. Frauen dürfen „privat“ boxen, es finden jedoch keine regionalen und nationalen Kämpfe im Frauen-Boxsport statt. 2019 sorgte der Auftritt der Boxerin Sadaf Khadem in Frankreich für großes Aufsehen – nicht etwa, weil sie als erste Iranerin in einem internationalen Boxkampf siegte, sondern wegen ihres in der Weltöffentlichkeit viel beachteten Tabubruchs. Besorgt um ihre Sicherheit im Iran, kehrte Khadem nach diesem Erfolg nicht in ihr Heimatland zurück und blieb in Frankreich.

Radfahren als ziviler Widerstand

Die Duldung für die Ausübung bestimmter Sportarten durch iranische Frauen unterliegt der jeweiligen Bewertung durch die einflussreichen schiitischen Geistlichen. Und diese ist je nach innenpolitischem Zeitgeist und persönlichem Gutdünken der Geistlichen durchaus volatil. Der Radsport veranschaulicht dies: Das Straßenbild vieler iranischer Städte war zuletzt durch radfahrende Frauen geprägt, was dem Staatsoberhaupt Ali Khamenei und einigen Imamen im Land missfiel. In ihren Freitagspredigten beurteilten sie den Frauen-Radsport als verwerflich und nicht vereinbar mit „islamischen Werten“. Dies hat gegenwärtig zur Folge, dass Radfahrerinnen im Iran von Sittenwächtern gerügt und sanktioniert werden, während sie gleichzeitig von weiten Teilen der Bevölkerung als Symbol des zivilen Widerstands Zuspruch erfahren.

Baran Hadizadeh, iranische Motorsportlerin und Meisterin in der Kategorie 125 ccm darf als Frau nur auf ausgewählten Pisten fahren!
Baran Hadizadeh, iranische Motorsportlerin und Meisterin in der Kategorie 125 ccm darf als Frau nur auf ausgewählten Pisten fahren!

Ähnlich ist die Situation im Motorradsport. Baran Hadizadeh ist iranische Meisterin in der Kategorie 125 ccm. Die passionierte Motorsportlerin sagt, sie dürfe als Frau nur auf ausgewählten Pisten fahren. Freies Fahren auf öffentlichen Straßen sei Frauen im Iran nicht gestattet. „Hier dürfen Frauen sich nicht einmal für die Prüfung für den Motorradführerschein anmelden“, ergänzt Hadizadeh.

Worin ist das begründet? Eine in Teheran für eine staatliche Tageszeitung arbeitende Sportjournalistin, die namentlich nicht genannt werden will, sieht im Gespräch mit Iran Journal als Bewertungsmaßstab der Geistlichen, ob „die Konturen des weiblichen Körpers bei der sportlichen Ausübung zu sehen sind“. Sollte dies der Fall sein, werde ein Verbot verhängt. Dies komme etwa bei Beachvolleyball und Turnen zum Tragen – mit der Folge, dass die Ausübung dieser Sportarten für Frauen im Iran nahezu unmöglich sei.

Systematische Benachteiligung

Viele iranische Sportlerinnen wünschen sich, dass der Staat sie bei der Ausübung ihrer Sportarten wenigstens nicht systematisch benachteiligt. Die iranische Fußball-Nationaltorhüterin Afrouz Korbekandi sagt: „Es gibt sehr viele hochtalentierte Fußballerinnen im Land. Doch obwohl viele von ihnen professionell in der höchsten iranischen Liga spielen, können sie von ihren Gehältern kaum leben.“ Der Grund: „Der Staatsapparat verwehrt uns den Zugang zu Sponsoren. Unsere Spiele dürfen nicht im Fernsehen übertragen werden. Diese Diskriminierung muss endlich aufhören.“

Die Luftgewehr-Schützin Najmeh Khedmati gilt als große Medaillenhoffnung bei den Olympischen Spielen in Tokio. Die 24-Jährige errang bereits mehrfach Goldmedaillen bei internationalen Turnieren und war 2016 Olympiateilnehmerin in Rio. Über ihre Trainingsbedingungen zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele teilt sie mit, seit Monaten nur zuhause und am Computer trainiert zu haben. Der nationale iranische Verband habe ihr lange Zeit keinen Trainer zur Verfügung gestellt, ganz zu schweigen von einer finanziellen Förderung. Khedmati lässt sich nicht entmutigen und trainiert ohne staatliche Unterstützung für ihren Erfolg bei Olympia.

Als Frau im Iran Sport zu treiben, bedeutet also den Verzicht auf grundlegende Rechte und den ständigen Kampf gegen Benachteiligung und Diskriminierung durch das Regime. Dies setzt bei vielen Athletinnen jedoch erstaunlicherweise zusätzliche Kräfte frei – verbunden mit dem Ansporn, trotzdem Außergewöhnliches zu leisten.♦

© Iran Journal

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